When She Sang About A Boy
Kurt Cobain
I Thought What A Shame It Wasn’t About
Tom Verlaine
(The Go-Betweens, When She Sang About Angels)
Dieses Jahr hat sich das letzte Nirvana-Konzert ever zum zwanzigsten Mal gejährt. Die Band spielte ihren finalen Gig am 1. März 1994 im Terminal 1 im alten Münchener Flughafen. Die Vorfreude war damals groß, zumal mit den Melvins eine absolute Ausnahme- und Kurt-Cobain-Lieblings-Combo das Vorprogramm bestreiten durfte. Die Bande um Buzz Osborne hatte im Jahr zuvor ihr Meisterwerk „Houdini“ veröffentlicht, einem gelungenen Konzert-Abend konnte eigentlich nix mehr im Wege stehen.
Leider weit gefehlt.
Kaum waren die Melvins auf der Bühne und begeisterten mich mit ihrem zähen, black-sabbathianischen Ur-Grunge, setzten geschätzte 90% des Publikums mit Pfeifen, Buhen und Eintrittskarten-Rumwedeln ein und versuchten, die Combo zu vorzeitigem Beenden ihres Gigs zu nötigen. Der Fluch des Nirvana-Charterfolgs. Ich vermute, der Großteil der Konsumenten hatte sich nur wegen „Smells Like Teen Spirit“ eine Karte gekauft, spätestens hier war klar, dass Nirvana ein größeres Problem mit ihrem Publikum hatten: viele falsche Fans folgten der richtigen Sache.
Die Melvins haben in mir an diesem Abend jedenfalls einen Freund fürs Leben gefunden.
Ein weiteres Problem des Hauptacts war bei der Veranstaltung offensichtlich: Der Nirvana-Auftritt war lustlos, die Band war ausgebrannt, vom Erfolg überrannt, der Tour-Stress und die Drogen (bei Kurt Cobain) taten ihr Übriges.
Das Konzert wurde ohne große Freude runtergeschrammelt und die Band nahm Rache am Ignoranten-Publikum, indem sie auch bei der Zugabe den „Teen-Spirit“-Vortrag verweigerten.
Das bereits ausverkaufte Münchner Zusatzkonzert am folgenden Tag wurde abgesagt, der Rest der Geschichte ist bekannt.
Analog zu Ian Curtis bzw. Joy Division/New Order formierte sich nach Nirvana mit den Foo Fighters eine mittelmäßige, höchst durchschnittliche Nachfolger-Kapelle, die bei mir nie so richtig Freude aufkommen ließ.
Auch mit den Nirvana-Studioscheiben bin ich zunehmend mehr auf Kriegsfuß, bei gelegentlichem Hören empfinde ich viele Stücke – mit Ausnahme einiger Perlen – uninspiriert im Vortrag, streckenweise geradezu langweilig. Toll finde ich immer noch die „MTV-Unplugged“-Platte, hier passt alles, eine hervorragende Songauswahl, beseelter Vortrag und die Kirkwood-Brüder von den Meat Puppets durften damals auch mitklampfen. Vom „Swingin‘-Pig“-Label habe ich eine sehr gut aufgenommene Bootleg-CD im Bestand, „Live In Seattle ’93“, hier ist die unbändige, raue Energie der Band zu spüren, die beim allerletzten Nirvana-Konzert in München so schmerzlich vermisst wurde.
Kleine Anekdote zum Schluss: Freund Raimund hat die Band 1989 bei ihrer ersten Deutschland-Tour zusammen mit Tad gesehen, dem Vernehmen nach in wesentlich spielfreudigerer Laune. Nach dem Konzert stand er neben Kurt Cobain am Tresen des Circus Gammelsdorf. Seit er diese Geschichte in seinem jüngeren Verwandten- und Bekanntenkreis zum Besten gegeben hat, wird er von den Nachgeborenen verehrt wie ein Halbgott…. ;-))
Wirklich ein sehr interessanter Beitrag und super Bilder. Wir sind begeistert! Viele Grüße, auch von Zebra.
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Vielen Dank, Lia! – Schöne Grüße auch an Zebra ;-))
Viele Grüße,
Gerhard
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Ich finde es auch faszinierend, dass der gute Kurt irgendwie der Gott meiner Generation ist, größer als die Beatles. ^^ Find ich auch irgendwie eigenartig, vor allem wenn man bei dem dazugehörigen Jungvolk merkt, dass sowas wie Nirvana für sie „alte Musik“ ist.
Zu den Melvins. Ach man, die wurden irgendwie immer gemobbt, oder? Musste an diese romantische Anekdote denken: https://www.youtube.com/watch?v=sSDSpi0pc48
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Schöner Link, danke! Die Melvins haben schon ihre Fans, aber damals war fast nur Charts-Publikum in der Halle. „Teen Spirit“ war ja seinerzeit vor kurzem in den Hitparaden. Viele Konzertbesucher wussten mit Grunge ansonsten nichts anzufangen und hatten keine Ahnung über die Wurzeln der Musik.
Und ja, es gibt viele, viele Bands, die sind größer als die Beatles !! ;-)))
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Ey, keine Blasphemie hier, ja?^^ Vielleicht muss man für die Melvins ja doch ein wenig älter und weiser sein. Ich konnte mit denen auch erst etwas anfangen nachdem ich das Pattonuniversum für mich entdeckt habe.
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Wieso Blasphemie? Ach so, die Beatles. Gute Singles-Band, Longplayer fast alle völlig überschätzt, würde ich sagen ;-)))
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Püh.
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hallo – ist schon lange hier dein Beitrag – habe trotzdem eine Frage; Du schreibst über die erste Deutschland -Tour von Nirvana im Jahre 1989 – ich habe aber die Liste deren allen(?) Konzerte von Wikipedia https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Nirvana_concerts – und da steht nichts darüber – ist das echt gesichert dass der gute Raimund nicht vielleicht an Popularitätsmangel litt und sich da was etwas Hilfe verschafen wollte? Ich meine – es wäre gar nicht so undenkbar – stellt Euch das mal kurz vor Augen vor – da sitzt Kurt – und zwar „am Tresen des Circus Gammelsdorf“… Hallo? Sieht das denn keiner außer mir? ;)
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Das ist gesichert. Nirvana sind damals im Vorprogramm von TAD in Deutschland unterwegs gewesen und haben im Circus gespielt. Vielleicht hab ich sogar noch irgendwo den Gammelsdorf-Flyer daheim. Warum das nicht in wiki steht, weiß ich nicht (und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht, wäre ja nicht das erste Mal, dass wiki irrt/unvollständig ist). Und der gute Raimund leidet ganz sicher nicht an Popularitätsmangel, der hat so ein Gepose gar nicht nötig.
Gruß,
Gerhard
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p.s. das Gammelsdorf-Konzert von Nirvana wird auch in Seattle dokumeniert, ein Kumpel von mir war dieser Tage dort. Soviel zur Vollständigkeit/Vertrauenswürdigkeit von wikipedia.
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Tad. Melvins, Nirvana. War eine schöne Zeit. Ich war ja in Neuenburg dabei (mag mich noch an die eisige Nacht in irgendeiner Tiefgarage erinnern :-). Und an einen Schuh der rumflog…. Musikalisch wars aus heutiger Sicht wohl eher mittelmass, aber damals war Kurt jesusähnlich, daher fand man es natürlich geil.
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So war das wohl. Vieles von den alten Nirvana-Scheiben funktioniert für mich heute im Nachgang nicht mehr so richtig, aber damals war Grunge nochmal ein richtiger Knaller im Ballsaal, vielleicht mit Punk eineinhalb Jahrzehnte früher vergleichbar. War schon eine bewegte Zeit und man darf dankbar sein, dass man dabei war.
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Das Lebensgefühl war damals auch etwas anders. Aber hey, Nevemind mit den ganzen Poppunk-Hymnen. Sensationell. In Utero mit dem ganzen Lärm, leider geil. Und das trotz ganz viel Teenage Angst. Wie würden die wohl heute klingen?
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Etliches passt schon noch, absolut. Die Frage stellt man sich bei vielen früh Dahingegangenen, Hendrix, Morrison, eben auch der Kurtl – was wäre aus ihnen geworden?
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Danke für’s Verlinken ! :-)
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PS: Ich stell mir grad den Kurt mit lichtem Haar, Bart und Vocoder-Stimme à la Bon Iver vor. Gut, hat er sich erschossen.
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Er hätt’s auch ruhiger angehen können, aber das war wohl unter den Umständen und mit der geistig-seelischen Verfassung nicht drin…
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Apropos Musik aus dieser Zeit. Etwas, was mich ähnlich krass wie die Nevermind damals Anfang 90-er im Kinderzimmer weggeblassen hat, war die erst Rage Against The Machine. Letzthin mal wieder aufgelegt und das war schon auch ziemlich geil.
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Stimmt, das hat auch gut zum damaligen Gepolter der Rollins-Band gepasst und zu Combos wie Fugazi. Ich hab sie aber irgendwann total aus den Augen verloren und muss gestehen, die erste Scheibe hab ich auch lange nicht mehr gehört. Wär vielleicht mal wieder einen Versuch wert.
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LOL, das New Order-Bashing hättest Du dir wirklich sparren können….
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Nö, hätte ich nicht („sparen“ schreibt man mit einem „r“, LOL ;-)))))
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