Ein längst fälliger, enorm wichtiger Film, dem man viele Zuschauer wünscht: Der Regisseur Oliver Hirschbiegel, der vor allem durch „Der Untergang“, die kontrovers diskutierte Verfilmung der letzten Tage im Berliner Führerbunker, einem breiteren Publikum bekannt wurde, hat sich der Biografie des schwäbischen Widerstandskämpfers und Hitler-Attentäters Georg Elser angenommen und erzählt diese in eindringlichen Bildern, grundsolide und ohne jegliche Effekthascherei.
Anders als die wesentlich populäreren Attentäter des Stauffenberg-Anschlags, die erst aktiv wurden mit dem Ziel der Installierung einer Militärdiktatur, nachdem absehbar war, dass der Krieg nicht mehr zu gewinnen ist, war Elser bereits vor Ausbruch des 2. Weltkriegs fest davon überzeugt, dass die Hitler-Diktatur in einer Tragödie enden würde, alleine für diesen Weitblick ist der Mann nicht genug zu bewundern.
Der lebenslustige Elser, hervorragend und einfühlsam dargestellt von Christian Friedel, wird im Film als Freigeist, Links-Katholik, hervorragender Handwerker und musizierender Liebhaber der Frauen gezeichnet, mitnichten als der verschrobene Eigenbrötler, wie ihn beispielsweise populistische Fernseh-Historiker vom Schlage eines Guido Knopp verunglimpften. Das längst auf Pritvatfernsehen-Niveau abgesunkene ZDF, jahrzehntelanger Arbeitgeber des unsäglichen Knopp, nannte im Übrigen den Elser-Vergleich Hirschbiegels mit dem amerikanischen Whistleblower Edward Snowden eine „Scheinaktualisierung“.
Beklemmende Folterszenen stehen im krassen Kontrast zu idyllischen, fast Heimatfilm-artigen Rückblenden, die privaten Beziehungen Elsers nehmen ebenso viel Raum ein wie seine politischen Überzeugungen und die Darstellungen der brutalen Verhöre durch die Nazi-Schergen.
Neben Friedel brillieren Katharina Schüttler als Elsers Verlobte Elsa, Burghart Klaußner als Reichskriminaldirektor Arthur Nebe und der Münchner Schauspieler Johann von Bülow als dessen Vorgesetzter Heinrich Müller, seines Zeichens Chef der Gestapo, Hardcore-Nationalsozialist und einer der verachtenswertesten Schreibtischtäter des NS-Regimes.
Die Stadt München, in deren Bürgerbräu-Keller am 8. November 1939 das gescheiterte Attentat auf Hitler stattfand (dieser verließ 13 Minuten vor Detonation den Saal), tat sich lange Jahre schwer mit dem Gedenken an Georg Elser. Heute erinnert eine Bodentafel am Kulturzentrum Gasteig, dem der Bürgerbräu-Keller 1979 weichen musste, an den Widerstandskämpfer.
Seit 1997 ist ein Platz in Schwabing an der Türkenstraße nach Elser benannt. Von 2000 bis 2008 gab es im ehemaligen Kunstpark Ost die inzwischen abgerissenen Georg-Elser-Hallen als Veranstaltungsorte für Independent-Konzerte. 2009 wurde das umstrittene Elser-Denkmal „8. November 1939“ der Künstlerin Silke Wagner, eine Installation von zweifelhaftem künstlerischen Wert, an der Fassade der Grundschule an der Türkenstraße am Georg-Elser-Platz eingeweiht.
Fotos zu den Münchner Gedenkstätten: Georg Elser / KULTURFORUM / 19. Juli 2014
Vor wenigen Tagen, am 9. April 1945, hat sich der Todestag Georg Elsers zum siebzigsten Mal gejährt. Er wurde wenige Tage vor der Befreiung des KZs Dachau, in dem er interniert war, auf Geheiß Hitlers vom Leiter des KZ-Krematoriums, SS-Oberscharführer Theodor Bongartz, durch Genickschuss ermordet.
Das find ich spannend – und erfreulich. Ich habe mich mit Elser nie so beschäftigt, der war nie sonderlich präsent in meinem Geschichtsblick, zum Beispiel erinnere ich gar nicht, dass der in meinem Schulunterricht erwähnt worden wäre. Und erst jetzt, da Du das sagst, fällt auch mir auf, dass die Darstellung von Elser ungerechterweise immer eher die eines armen Irren ist.
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Danke für Dein Feedback und Deine Eindrücke. In dem Fall bedarf es tatsächlich einer Geschichts-Revision.
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Und es lohnt so einige Überlegung, wie sich so etwas entwickelt: Während es mediale Heldenverehrung für die adligen Spät-Attentäter gibt, fällt ein kleiner Handwerker, der seiner Zeit voraus war, völlig durchs Raster. Und wie kommt das eigentlich, dass die 68er nicht aus Elser eine Ikone gemacht haben – hätte doch gepasst?
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Für die 68er war er wohl zu katholisch und für das Nachkriegsdeutschland zu links, in der Bundesrepublik, in der auch nach dem Krieg eine nicht zu knappe Verehrung fürs Militär herrschte, eignete sich ein Stauffenberg als Aushängeschild des Widerstands allemal besser und auch die Gruppe um die Geschwister Scholl passte da durch ihre bürgerliche Herkunft einfach besser ins Bild. Dass Elser so lange ignoriert wurde, ist einfach eine Schande.
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Stimmt: Die Katholiken hatten ihren Bonhoeffer. Die 68ern hatten schon genug „Probleme“ damit, dass Dutschke und seine Frau so religiös waren. Und dem Rest der Bevölkerung war es wohl lieber sich an diejenigen zu halten, die anfangs auch selbst aktiv mitgespielt haben, anstatt jemanden, dessen Geschichte einem vor Augen führt, dass man eben DOCH von Anfang an hätte wissen und sagen müssen, welche Entwicklung sich da anbahnte.
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Das sehe ich genau so …
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Dietrich Bonhoeffer war evangelischer Theologie, aber im Sinne der Ökumene lassen wir das mal durchgehen ;-))
Pater Rupert Mayer war wohl der bekannteste katholische Widerständler.
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Autsch – Kontextblindheit. Demnächst, wenn ich von amerikanischen Bands rede, schmeiße ich glatt noch die Beatles mit rein… ;)
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Waren das keine Amis ?????? ;-)))
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Nee, das waren doch die Stones – Mensch! ;-D
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Ach genau … jetzt sind wir beinand ;-))))
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Peter Paul Zahl hat sich schon Anfang der 80er in einem sehr relativierenden Stück mit dem „Widerstand“ und Elser auseinander gesetzt.
Sehr lesenswert-leider nie in einem Spielplan…
http://www.georg-elser.de/content/dok017l.html
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Vielen Dank für den Link !
Viele Grüße,
Gerhard
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