Den lange erwarteten Abend mit den Sleaford Mods durfte das Münchner Quartett „Night Shirts“ mit nettem Gitarrenpop-Geschrammel eröffnen, aber ab und an gilt: nett allein reicht manchmal nicht. Den gefälligen Beatles-/TV-Personalities-/C86-Stoff hat man in der Form schon x-mal gehört, des öfteren wesentlich origineller und mit eigenen Facetten versehen, langer Rede kurzer Sinn: der Funke mochte bei mir nicht recht überspringen. Wie meinte Aidan zu meiner Linken: „Ist wie einer Kuh beim Kauen zuschauen.“
Den Schlusspunkt des Support-Gigs setzte die Combo mit einer Version des Velvet-Underground-Klassikers „I’ll Be Your Mirror“, die in ihrer Belanglosigkeit nur noch von der völlig überflüssigen R.E.M.-Version des Kult-Stücks unterboten wird. Jungs, seid mir nicht böse, aber das üben wir noch…
(** ½ – ***)
Alles wett und alles richtig machten dann die Sleaford Mods aus Nottingham an diesem denkwürdigen Abend mit ihrem Working-Class-Elektro-Punk, die Meute im ausverkauften Hansa39 war von Anfang an am beifälligen Nicken und sah ihre hochgesteckten Erwartungen über die Maßen erfüllt.
Der spindeldürre Andrew Fearn startete jeweils den Basslinien-getriebenen Sound des Duos am Labtop und verbrachte ansonsten den Rest des Abends mit Augustiner-Süffeln, Fotografieren, Mitwippen und Ins-Publikum-Feixen, während sich Jason Williamson am Mikro zur Konserven-Mucke die Seele aus dem Leib schwadronierte mit seinen an Johnny Rotten, Mark E. Smith und Steven Jesse Bernstein gemahnenden Stakkato-Statements. Das Energiebündel Williamson war am Ende des Auftritts schweissgebadet, an Intensivität war die Aufführung des Briten nicht mehr zu toppen. Was sich auf dem herausragenden Tonträger „Divide And Exit“ (2014, Harbiger Sound) im Vorjahr bereits mehr als andeutete, wurde am Dienstag Abend auf der Bühne des Hansa39 vollumfänglich bestätigt: Die Sleaford Mods befreien den Punk vom musealen Staub der letzten Jahrzehnte und hauchen dem Genre neues Leben ein, lange nicht mehr war Musik so wütend, kraftvoll, dynamisch und versehen mit der für diesen Sound so wichtigen authentischen, unbeugsamen Arbeiterklassen-Haltung. Eine perfekte Symbiose aus The Fall, Steve Fisk, DAF, John Cooper Clark, Elektro-Hip-Hop und den Pistols, transportiert ins 21. Jahrhundert. So wie Jon Landau einst im „Boss“ die Zukunft des Rock ’n‘ Roll sah, behaupte ich hier ganz frech und großmaulig: „Ich habe die Zukunft des Punk-Rock gesehen, sie heißt Sleaford Mods.“ Eines der wichtigsten Konzerte des Jahres, mindestens. Ride On, Rude Boys!
Und dann hauen die Schwarz-Gelben zur perfekten Abrundung des Abends auch noch die Bayern aus dem Pokal, wie soll eine derart rauschende Ballnacht zukünftig getoppt werden? ;-)))
(***** ½)
Weitere Tourdaten:
19. Juni Berlin, SO 36
20. Juni Leipzig, Werk 2
22. Juni Bremen, Lagerhaus
23. Juni Münster, Gleis 22
24. Juni Hamburg, Hafenklang
Unbedingt hingehen!
mit den beiden verbindet mich eine art hassliebe. ich weigere mich das zu mögen und komme doch nicht dran vorbei! schöner bericht. ein konzert, dem ich sehr gern beigewohnt hätte.
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Ja, manchmal funktioniert Verweigerung einfach nicht, ich kenn das von einigen Jazz-Sachen… ;-))) Zumal die Mods live tatsächlich erst ihre wahre Pracht entfalten, hab mir vorher beim Sport die Platte vom letzten Jahr angehört, kam im Vergleich zum Gig vom Dienstag seltsam verhalten rüber.
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in der Tat sehr schöner Bericht, der mich ärgern lässt, dass ich es nicht nach Köln geschafft habe :-(
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Ja, die Mods sind schon einen Besuch wert…
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