Eine Kerze für E. L. Doctorow

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Hätte ich nicht vor ein paar Tagen die Besprechung seines letzten Romans „In Andrews Kopf“ (2015, Kiepenheuer & Witsch) in der Wochenpresse gelesen, die Nachricht wäre an mir vorbeigegangen: Bereits am 21. Juli 2015 ist der US-amerikanische Schriftsteller Edgar Lawrence „E. L.“ Doctorow in seiner Geburtsstadt New York City im Alter von 84 Jahren gestorben. Wäre er kein derart starker Raucher gewesen, hätte er längst das 100. Lebensjahr erreicht, wie es über die den Rauchwaren stark Zugeneigten gemeinhin im Volksmund heißt.

Doctorow war einer der profiliertesten amerikanischen Autoren der zeitgenössischen Literatur. Aufgewachsen ist er als Sohn russisch-jüdischer Emigranten in der New Yorker Bronx. Nach seinem Studium unterrichtete er an diversen amerikanischen Universitäten, seit 1982 hatte er an der New York University den Lehrstuhl für englische und amerikanische Literatur inne.
Sein Werk wurde mit diversen wichtigen Auszeichnungen geehrt, unter anderem zweimal mit dem renommierten PEN/Faulkner Award.

Zu seinen Hauptwerken zählt der Roman „Ragtime“ aus dem Jahr 1975, einem der wichtigsten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts, der die Rassenproblematik der USA in den Jahren 1900 bis 1917 thematisiert. Obwohl im Roman jegliche wörtliche Rede fehlt, ist das Buch hinsichtlich Spannungbogen außerordentlich gelungen und flüssig zu lesen.
Der Roman wurde 1981 von Miloš Forman höchst ansprechend mit James Cagney in der Hauptrolle verfilmt, den Soundtrack steuerte seinerzeit der großartige Randy Newman bei.

Ein weiteres Werk Doctorows möchte ich dem geneigten Leser in dem Zusammenhang ans Herz legen, mit dem Roman „Homer & Langley“ gelang ihm 2009 ein wunderbares Außenseiter-Portrait mit der Geschichte über ein über die Maßen verschrobenes Geschwister-Paar, dessen Biografie eng an die historisch verbürgten Gebrüder Collyer gleichen Namens angelehnt ist, die – wie im Roman – zwar nicht an der Ostseite des Central Park an der Fifth Avenue, vielmehr, die Straße hoch, etwas nördlicher in Manhattan gelegen in Harlem residierten, ansonsten aber tatsächlich über viele Jahrzehnte das im Roman beschriebene Sonderling-Verhalten hinsichtlich gesellschaftlicher Verweigerung, Messie-artiger Anhäufung von Gegenständen und zwangsneurotischer Abschottung von der Realität praktizierten.
Doctorow hat dem bizarren Brüder-Paar, das im März 1947 im völlig vermüllten Stadthaus verhungerte beziehungsweise durch eine eigenkonstruierte Falle getötet wurde, mit dieser unterhaltsamen und gleichwohl literarisch ansprechenden Novelle ein würdiges Denkmal gesetzt.

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