Pere Ubu – Elitism For The People 1975-1978 (2015, Fire Records)
Vierfach-Vinyl-Sampler mit dem ohne Zweifel super-eminent-wichtigen Frühwerk der Post-Punk-/Experimental-Avantgardisten aus Cleveland/Ohio um den Songwriter/Sänger David Thomas, die in einer früheren Inkarnation als Rocket From The Tombs sowas wie den Ground Zero des amerikanischen Punk Rock repräsentierten, vom Publikum für ihre Pionier-Arbeit aber leider Gottes immer viel zu wenig gewürdigt wurden. Neben den beiden ersten LPs ‚The Modern Dance‘ und ‚Dub Housing‘ aus dem Jahr 1978, die aufgrund ihrer wegweisenden Songs und ihrer experimentellen Kraft im Sinne der Erweiterung von Hörgewohnheiten in der damaligen Zeit zwingend in den Kanon der modernen Rockmusik gehören, findet sich in der Box eine Sammlung der herausragenden frühen Singles/EPs („Datapanik In The Year Zero EP“, „Final Solution“, „30 Seconds Over Tokyo“, „Heart Of Darkness“ etc.), wie sie im Wesentlichen mustergültig bereits 1985 auf der Rough-Trade-Zusammenstellung ‚Terminal Tower: An Archival Collection‘ kompiliert wurden, mit welcher Spex-Chef-Soziologe Diedrich Diederichsen seinerzeit die Zu-Spät-Geborenen im Nachgang zum Eintauchen in den Pere-Ubu-Kosmos in die Pflicht nahm. Abgerundet wird das wunderbare Paket mit einer Live-LP, die den Mitschnitt eines Konzerts vom 25. Februar 1977 enthält, das die Band im New Yorker Max’s Kansas City spielte.
„Pere Ubu Is About Used Car Salesman And Late Night TV Sales Pitches. We Don’t Want Your Fancy Pants Subtlety, Gringo.“
Zeitlos, essenziell, bis heute unerreicht.
(******)
Leafcutter John – Resurrection (2015, Desire Path Recordings)
Sphärische Experimental-Elektronik-Drones und ansatzweise tanzbare Maschinen-Rhythmik des Engländers John Burton, dessen musikalische Wurzeln sich im Folk finden, hier aber nur noch in völlig verfremdeter Form zu erahnen sind. Die abstrakten Klanggebilde atmen nichtsdestotrotz organische Wärme und bewahren die verzerrten Gitarren, Drum-Loops, eingebundenen Field-Recording-Samples und angedeuteten, wortlosen Gesangseinlagen vor allzu viel maschineller Gefühllosigkeit.
Leafcutter John betätigt sich neben seinen Solo-Projekten als Elektronik-Schrauber und Gitarrist bei der Londoner Experimental-Jazz-Combo Polar Bear.
Das Münchner Publikum erwartet mit Spannung die konzertante Umsetzung seiner Klanginstallationen beim vierten frameless-Festival, das Leafcutter John zusammen mit der kanadischen Klangkünstlerin Darsha Hewitt und dem polnischen Musiker/Medienartisten Szymon Kaliski am 28. Oktober im Einstein Kultur gestalten wird.
(****)
Inventions – Maze of Woods (2015, Temporary Residence)
Gemeinsames Duo-Projekt des unter dem Alias Eluvium operierenden Ambient-Musikers Matthew Cooper aus Portland/Oregon und des Gitarristen Mark T. Smith, der Freunden des Genres als Mitglied der texanischen Post-Rock-Giganten Explosions In The Sky bekannt sein dürfte. Vereinigt das Beste aus beiden Welten zu einer atmosphärisch dichten Indie-/Post-Rock-/Ambient-Soundlandschaft, die bestimmt wird von elektronisch gesampleten/nachbearbeiteten Chören, schönen Klavier-Klängen, dunklen, dezenten Beats, verhuschten Klangtupfern und einem Gefühl für akustische Weite, dass die klassischen Song-Strukturen längst hinter sich gelassen hat, jedoch jederzeit angenehm ins Ohr geht. Die Ambient-geprägte Variante des Mogwai-Sounds und sphärische Einflüsse aus dem Kraut-Rock-/Popol-Vuh-Klang-Kosmos mögen als Referenzen herhalten, und doch erklären sie das gelungene Konstrukt aus partiell gespenstischem, hymnischem und/oder Tiefen-entspanntem Sound nur unzureichend, zu individuell ist der Ansatz der beiden Klangerzeuger, deren intensives zweites Album neben acht Originalen drei Trance-Remixe ausgewählter Stücke im Anhang bietet.
(**** ½)