Kinky Friedman – The Loneliest Man I Ever Met (2015, Avenue A Records)
Erstes Studioalbum des Kinksters seit Jahrzehnten, mir fehlt da etwas der Überblick, eine Quelle schreibt gar, das erste seit 39 Jahren.
Der Mann war die letzten Dekaden schwer beschäftigt mit seiner Bewerbung um das Amt des texanischen Gouverneurs, als Produzent seiner eigenen Zigarren und vor allem als Verfasser einer ganzen Reihe von Kriminalromanen, in denen er in New York aus seinem improvisierten Detektei-Büro heraus so manchem schlimmen Finger das Handwerk legte. Auch wenn der Stoff nach den ersten sehr gelungenen Werken wie „Greenwich Killing Time“ oder „Lone Star“ sukzessive schwächer wurde, man hat das Zeug allein schon wegen der lieb gewonnenen, real existierenden Charaktere wie dem Dylan-/Jesus-/Hitler-Experten Larry „Ratso“ Sloman oder dem Sicherheitsberater und Privatdetektiv Steven Rambam gern weiter gelesen, und als Kneipenführer für das Village eignen sich die Schmöker allemal.
Nachdem wir Kinky Friedman in früheren Jahren humoriges Liedgut wie „They Ain’t Making Jews Like Jesus Anymore“ oder „Asshole From El Paso“ zu verdanken hatten, widmet sich der Texas Jewboy auf seinem neuen Tonträger tendenziell vermehrt den leisen Tönen.
Im Opener „Bloody Mary Morning“ wird er im Duett-Gesang von seinem alten Kumpel Willie Nelson begleitet, das Titelstück ist eine feine Bar-Room-Ballade, „A Christmas Card From A Hooker In Minneapolis“ von Tom Waits passt er hinsichtlich Songtext für seine Bedürfnisse an, „My Shit’s Fucked Up“, das Warren Zevon einst über seine schwindende Gesundheit schrieb, bezieht der Kinkster auf die momentane Weltlage, da mag ihm niemand widersprechen, mit „Wild Man From Borneo“ zitiert sich Kinky selbst und mit „Girl From The North Country“ erinnert er getragen-nachdenklich an Bob den Meister, den er anno 1976 bei seiner legendären „Rolling Thunder Revue“ begleitete.
Ein gelungenes und würdiges Country-Alterswerk, das in jedem Ton überzeugt, darauf – getreu dem großen Kinkster-Wort „You’ve got to find what you love and let it kill you“ – einen strammen Jameson aus dem Stierhorn…
(**** ½ – *****)
The Rheingans Sisters – Already Home (2015, Rootbeat)
Streichinstrumente-dominiertes Folk-Wunderwerk der englischen Schwestern Rowan und Anna Rheingans, das Violinenspiel der Geschwister ist fest verwurzelt in der englisch-gälischen Volksmusik und im Bourrée-Tanz vergangener Jahrhunderte, der französischen Musiktradition wird vermehrt gebührend Tribut gezollt, Rowan Rheingans hält sich derzeit im Süden der Grande Nation zwecks Studium des regionalen musikalischen Kulturerbes auf, mit wenigen Ausnahmen wird Instrumental-Musik von erlesener Güte zu Gehör gebracht, die wenigen Vokal-Stücke fügen sich nahtlos in das stimmige Gesamtbild. Mit jeder Note hört man die Meisterschaft, hier scheint Musik im besten Sinne gelebt zu werden. Wohl von Kindesbeinen an im Musizieren geschult – Vater Rheingans ist Geigenbauer – ist ein Können hörbar, bei dem sich Vergleiche nur zu den Besten wie dem amerikanischen Kronos Quartet aufdrängen.
Die perfekte Präsentation aus altertümlichem Folk mit einer bereichernden Beigabe von Klassik-Elementen – und eine begeisternde Entdeckung für den Musikfreund zum Ende des Jahres.
(*****)
Eine irre Type ist er schon…ich muss mal nach den alten Büchern von ihm fragen.
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Isser. Ich hab in NY zufällig mal seine ehemalige Nachbarin getroffen, sie meinte, die meisten im Haus wären auf ihn nicht so gut zu sprechen, weil er in den Romanen nicht nur Nettes über die Nachbarschaft geschrieben hat. Sie selbst hätte ihn kaum gesehen, er war wohl eine ziemliche Nachteule ;-))
Viele Grüße,
Gerhard
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