Johnny Cash und die Amerikaner in Landsberg 1951-54: Eine absolut gelungene Ausstellung im Landsberger Stadtmuseum über die bayerische Militärzeit der Country-Legende und die Geschichte des amerikanischen Luftwaffen-Standorts Penzing in den fünfziger Jahren.
1951 hat es den damals noch völlig unbekannten Johnny Cash während seiner Militärzeit bei der U.S. Army in das oberbayerische Landsberg am Lech verschlagen. Die westlich von München gelegene Kreisstadt sollte für die nächsten 3 Jahre seine neue Heimat sein, im Fliegerhorst Penzing war er aufgrund seines hervorragenden Gehörs als Abhör-Funker in geheimer Mission tätig. Die Legende will wissen, das Cash als erster Nichtrusse beim Abhören einer sowjetischen Funk-Meldung von Uncle Joe Stalins Tod im März 1953 erfuhr.
Die Landsberger Zeit war durchaus prägend für den späteren Country-Music-Weltstar: In der Musikalienhandlung Ballach erwarb Cash seine erste eigene Gitarre, nachdem er den Film „Inside the Walls of Folsom Prison“ im Kino sah, schrieb er seinen weltberühmten „Folsom Prison Blues“, mit den Landsberg Barbarians gründete er seine erste Band.
„Später wunderte er sich, „wie ich in der Blüte meines Lebens so viel Zeit für die U.S. Air Force und den Kalten Krieg opfern konnte. Damals schien es jedoch genau das Richtige zu sein. Wir Jungs wollten unserem Land dienen.“ Und außerdem – etwas Besseres als den Tod finden wir überall – waren regelmäßiger Lohn und „eine saubere blaue Uniform ziemlich verlockend“ gewesen.“
(Franz Dobler, The Beast In Me, Diese und jene Barbaren in Oberbayern)
1954 ist Johnny Cash im Rang eines Staff Sergeants aus der Army entlassen worden, er kehrt in die Staaten nach Memphis/Tennessee zurück und heiratete seine Verlobte Vivian Liberto, für die er in Bayern mit „I Walk The Line“ einen weiteren Welthit seiner Karriere schrieb.
Viele private Fotos von Cashs Landsberger Stubenkameraden Bill Harrell, Podcasts von Zündfunk-Beiträgen über den „Man In Black“, in kurzen Film-Sequenzen dokumentierte Erinnerungen von Zeitzeugen – Einheimische wie ehemals stationierte Amerikaner – und neben zahlreicher Funktechnik- und Militär-Sammelstücken nicht zuletzt eine funktionierende Jukebox, an der der Ausstellungsbesucher aus einem reichhaltigen 50er-Jahre-Hit-Fundus wählen und die Ausstellung beschallen kann, runden eine mehr als sehenswerte Ausstellung ab, der bayerische Lebensabschnitt des späteren Country-Weltstars wird in die Geschichte des US-Militärstandorts Landsberg ab Ende des zweiten Weltkriegs bis hin zu den antiamerikanischen Protesten in den 80er Jahren eingebettet, die thematische Klammer zeichnet das zeitgeschichtliche Bild über das Leben im Landsberger „Little America“ in all seinen Facetten.
Die hinsichtlich Medien-Einsatz hervorragende präsentierte Ausstellung wurde im Sommersemester 2015 von zwölf Studentinnen und Studenten des Fachs Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg unter der Leitung von Privatdozentin Dr. Edith Raim konzipiert.
Zum letzten Ausstellungswochenende am 30./31.01.2016 findet jeweils um 19.00 Uhr eine Lesung des Augsburger Johnny-Cash-Biographen Franz Dobler mit musikalischer Begleitung von Wolfgang Petters statt.
Im Münchner Volk-Verlag ist ein von Dr. Edith Raim und der Leiterin der städtischen Landsberger Museen Sonia Fischer herausgegebener Begleitband zur Ausstellung erschienen, das Buch enthält weitere, in der Ausstellung nicht gezeigte Foto-Dokumente, eine Abhandlung über den amerikanischen Einfluss auf die westdeutsche (Pop-)Kultur, einen Essay über Johnny Cash vom SZ-Literaturkritiker und Dylanologen Willi Winkler und ein Interview, das die B2-Zündfunk-Radioredakteurin Judith Schnaubelt 1994 am Rande des südenglischen Glastonbury-Festivals mit Johnny Cash führen durfte.
„Bei der Luftwaffe habe ich Dinge gelernt, die jedem Soldaten beim Militärdienst beigebracht werden: zu fluchen, nach Frauen Ausschau zu halten, zu trinken und mich zu prügeln.“
(Johnny Cash)
Don’t Take Your Guns To Town – Johnny Cash und die Amerikaner in Landsberg
Neues Stadtmuseum Landsberg am Lech
Von-Helfenstein-Gasse 426
Dienstag – Freitag 14 – 17 Uhr
Samstag/Sonntag/Feiertag 11 – 17 Uhr
Bis 31. Januar 2016
Eintritt 5 Euro / Ermäßigt 2.50 Euro
Verwendung des Katalog-Fotos mit freundlicher Genehmigung der Pressestelle der Universität Augsburg.
Zu thematischen Vertiefung seien folgende Werke empfohlen:
Franz Dobler – The Beast In Me: Johnny Cash …und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik (2004, Heyne)
Der Augsburger Schriftsteller, Journalist und Blogger Franz Dobler hat mit dem Buch nicht nur eine sehr gut lesbare Biografie über den 2003 dahingeschiedenen großen alten Mann der amerikanischen Country-Musik geschrieben, er klärt quasi im Vorbeigehen mit der Abhandlung sein eigenes Verhältnis zur amerikanischen Volksmusik.
Michael Streissguth – Johnny Cash At Folsom Prison: Die Geschichte eines Meisterwerks (2007, Rogner & Bernhard)
Der amerikanische Autor hat einen hervorragenden, reich bebilderten Band über die Entstehungsgeschichte des Cash-Konzert-Meilensteins und Millionen-Sellers ‚At Folsom Prison‘ (1968, Columbia) geschrieben. Es gibt ergänzend auch eine gleichnamige, 90-minütige, sehr sehenswerte Filmdokumentation vom Autor, die bereits des öfteren im Fernsehen lief. Bei Wiederholung: unbedingt reinschauen.
Platten von Johnny Cash muss man natürlich auch anhören, und das nicht zu knapp. Die Liste seiner unverzichtbaren Werke hier vorzustellen würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Einfach mal bei 50er-Jahre-Perlen wie ‚Sings the Songs That Made Him Famous‘ (1958, Sun) oder ‚The Fabulous Johnny Cash‘ (1958, Columbia) anfangen und dann über Meisterwerke wie dem unter anderem mit Dylan-Songs gespickten ‚Orange Blossom Special‘ (1965, Columbia) oder den hervorragenden Knast-Live-Platten bis zur Rick-Rubin-produzierten, hochgelobten ‚American Recordings‘-Serie (ab 1994) durchexerzieren, machste nix falsch mit.
Special Thanks an B. sowie Birgit Böllinger/Sätze & Schätze
Super! Freut mich, dass mein Tipp Dir Spaß gemacht – und dein Beitrag ist spitze! Dobler-Lesung passt da hervorragend …. Das habe ich völlig übersehen. Mal schauen … Aber jetzt erst hören: Cash-CDS liegen schon im Auto bereit für heute. Herzliche Grüße nach Mü.
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War ein Volltreffer, Birgit, vielen Dank nochmal für Deine Mail seinerzeit (und natürlich für’s Verlinken ! ;-))).
Die Dobler-Lesung wär schon was, mal sehen, ob sich das zeitlich ausgeht.
Viel Spaß beim Cash-Hören ! ;-)
Liebe Grüße,
Gerhard
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Meinen Ohrwurm des Tages habe ich jetzt. :-)
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Lass hören ! ;-)
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Hier der meine – ever again:
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Auch eines meiner liebsten Cash-
Stücke. Tolles Video auch. Marc Almond hat es 1988 für den „‚Til Things are Brighter“-Tribute-Sampler gecovert.
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