„Vor Ihnen liegt ein grandioses Buch, das beweist, dass das Leben spannend und dramatisch, aber auch tückisch und geheimnisvoll sein kann. Detlef hat es gelebt, hat agiert und reagiert. Er weiß heute, wovon er spricht. Man sollte ihm zuhören. Experto credite! Sein unbeugsamer Wille führte in die Heimat.“
(Dieter Beutel, in: Detlef Kowalewski, Zur Hölle, Opposite Editorial)
Detlef Kowalewski – Zur Hölle – Kohle, Knast & Rock ’n‘ Roll (2015, Edition Steffan)
Vermutlich nichts für zartbesaitete Gemüter und mitunter auch wenig Erbauendes für literarische Feinschmecker, dafür jedoch eine an die Nieren gehende Beichte aus dem prallen Leben eines ehemaligen Heavy-Metal-Musikers und Drogenkuriers: Detlef Kowalewski verspricht nicht zuviel mit seinem griffigen Titel, auf 192 Seiten dokumentiert der Mann aus dem Rheinland sein wildes und an Dramen nicht eben armes Leben.
Der Schreibstil ist gewöhnungsbedürftig, er erinnert eher an Interview-artige Statements und auf das Wesentliche reduzierte Aussagen, wie sie in Dokumentarfilmen zum Einsatz kommen, weitab von ausgefeilten Formulierungen, ein Ghostwriter wäre vielleicht eine Option gewesen, andererseits passt der Stil in seiner Stakkato-artigen Rhythmik zur Härte des Stoffs, bei der unter die Haut gehenden eigenen Vita redet Kowalewski Klartext und beschönigt nichts.
Im Musik-Business lief es für Kowalewski zunächst optimal, er hatte Erfolg als Diskotheken- und Hallenbetreiber, Konzertveranstalter und Gitarrist der deutschen Metal-Band High’n Dry, die in den achtziger Jahren unter anderem auch im Vorprogramm der britischen Heavy-Giganten Iron Maiden und bei Roger Chapman And The Shortlist zu sehen waren, irgendwann – wie bei so vielen Musiker-Schicksalen – lockte die Droge zur Leistungssteigerung und zur Entspannung, und so wurde das weiße Pulver zum ständigen Begleiter.
Der vielversprechenden Rockstar-Karriere wurde abrupt ein Ende gesetzt durch seine Verhaftung wegen Kokain-Besitz, während seines Aufenthalts im Kölner „Klingelpütz“ lernte er den RAF-Top-Terroristen Stefan Wisniewski kennen, der im Gefängnis der Domstadt wegen seiner Beteiligung an der Entführung und Ermordung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer einsaß.
Kowalewski gelang als erstem Insassen überhaupt der Ausbruch aus dem rheinischen Hochsicherheits-Gefängnis, auf seiner Flucht tauchte er in Amsterdam mit seiner Familie unter, wurde in Holland erneut verhaftet und im angeblich sichersten Gefängnis Europas im nord-niederländischen Horn verwahrt, auch diese Gefängnismauern konnten ihn nicht halten.
Mit Hilfe eines Segelschiffs und einer zusammengetrommelten Crew verließ er daraufhin den Kontinent, überquerte den Atlantik und tauchte in Brasilien unter, wo er vom kolumbianischen Cali-Kokain-Kartell bedroht und zu Kurierfahrten erpresst wurde, am Weihnachtstag 1991 endet eine dieser Aktionen für Detlef Kowalewski am Flughafen in Rio in den Fängen der Federales, für ihn begann damit ein über dreijähriger Höllen-Trip durch die Vollzugsanstalten Brasiliens, die albtraumhaften und erschütternden Schilderungen seiner größtenteils menschenunwürdigen Erfahrungen in diesen mit keinerlei europäischen Standards vergleichbaren brasilianischen Gefängnissen nehmen den Hauptteil der biografischen Schrift des ex-Musikers ein und verlangen beim Leser eine gewisse Abgebrühtheit gegenüber unappetitlichen Beschreibungen, die Vertrautheit mit dem amerikanischen Hardboiled-Krimi-Genre, Clive-Barker-Horror oder weniger zartbesaiteteren Autoren wie Bukowski, Selby, Ellroy ist von Vorteil, der Stoff ist für Feingeister denkbar ungeeignet. Wer davor nicht zurückschreckt, sollte unbedingt einen Blick in das Buch werfen, die Schilderungen über die Zustände in südamerikanischen Haftanstalten aus erster Hand sind authentisch, unvermittelt und unter die Haut gehend.
„Die Irren schrieben von jedem den Namen auf ein Stückchen Papier, knüllten es zusammen und warfen es in einen Eimer. Dann zogen sie fünf Namen wieder heraus. Wie Geisteskranke fielen sie mit Messern über die Fünf her, deren Namen gezogen wurden. Ob das jemand überlebt hat, weiß ich nicht, ich glaube nicht. Ich hatte mir dabei vor Angst in die Hosen geschissen. Zweimal musste ich diesen Terror durchhalten.“
(Detlef Kowalewski, Zur Hölle, Zombiezeit, Hungerstreik und die Rückkehr nach Köln)
Mitte der neunziger Jahre wurde Kowalewski in Folge diverser Gesuche nach Deutschland abgeschoben und saß hier den Rest seiner Haftstrafe ab. Heute ist er als erfolgreicher Geschäftsmann im Tätowierer-Gewerbe tätig.
Während der Arbeiten am Buch meldete sich Dieter Beutel bei ihm, er hat Detlef Kowalewski im Rahmen seiner Tätigkeit als Hauptkommissar bei der Kripo Köln seinerzeit das erste Mal verhaftet, es entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden Männern, Beutel hat für das vorliegende Werk das Vorwort – oder „Opposite Editorial“, wie er es nennt – verfasst.
Über die stilistisch-literarische Qualität der Dokumentation mag man sich streiten, ein wertvoller Beitrag zur Aufklärung über die Irrwege und die mitunter tödlichen Abgründe der Drogen-Kriminalität ist „Zur Hölle“ von Detlef Kowalewski ohne Zweifel.
„Zunächst waren wir froh, jemanden kennengelernt zu haben der sich im Land auskannte. Aber dann stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es grundsätzlich verkehrt ist, sich mit Deutschen im Ausland einzulassen. Mit anderen Worten: „Hüte Dich vor Sturm und Wind und Deutschen, die im Ausland sind.““
(Detlef Kowalewski, Zur Hölle, Die Atlantiküberquerung)
Detlef Kowalewski wurde 1958 in Haan/Mettmann (Nordrhein-Westfalen) geboren, die Jugend und Schulzeit hat er in Dormagen bei Köln verbracht, dort ging er auch beim Bayer-Konzern als Chemiker in die Lehre. Ende der achtziger Jahre formierte er die Heavy-Metal-Band High’n Dry, die beim Major-Label EMI einen Plattenvertrag erhielt. 1988 veröffentlichte die Band das Album ‚Hands Off My Toy‘, es folgen Auftritte im Vorprogramm von Iron Maiden, Roger Chapman, Hermann Brod und The Cross, dem Seitenprojekt des Queen-Drummers Roger Taylor. In Köln gründete Kowalewski das ‚Empire‘, in dem ein Live-Club, Proberäume für Musiker und ein Sportcenter untergebracht waren.
1989 wird er wegen Drogenhandel verhaftet. Eine Odyssee aus Ausbrüchen, erneuten Verhaftungen und Drogenschmuggel beginnt, die in der über dreijähriger Haft im brasilianischen Rio de Janeiro und der anschließenden Abschiebung nach Deutschland ihr Ende findet. Heute ist Kowalewski erfolgreicher Tätowierer, er lebt abwechselnd in Deutschland, Florida und China und engagiert sich für die Hilfsorganisation Peace Full Sail.
Herzlichen Dank an Frank Steffan / Edition Steffan für das Rezensionsexemplar.