„Und einmal mehr wird ein europäisches Publikum staunend feststellen, dass starre Trennlinien zwischen Blues, Avantgarde, Jazz & Country immer schon hinfällig waren!“
Letztes Jahr total verpennt, letzte Woche dann – dem Organisator Titus Waldenfels sei Dank – die erneute Gelegenheit, „Doc Chad“ Eugene Chadbourne endlich mal live in seiner ganzen Pracht zu erleben: The good Doctor, einer der unkonventionellsten Freigeister und Traditionspfleger amerikanischen Liedguts, ist in seiner 40-jährigen Musiker-Karriere bereits einiges an hochinteressanten Kollaborationen eingegangen, neben seinem Engagement bei der Experimental-Rock-Combo Shockabilly und der zwischenzeitlichen Zusammenarbeit mit Camper Van Beethoven waren mit Musikern und Bands wie Fred Frith, Tom Cora, John Zorn, Henry Kaiser, Toshinori Kondo, Jello Biafra, Jimmy Carl Black, They Might Be Giants und den Violent Femmes schon etliche gewichtige Musikanten aus den Bereichen Avantgarde, Experiment, Free Jazz und Independent an seiner Seite, für das München-Konzert vom vergangenen Donnerstag verstärkte sich Chadbourne wie im Vorjahr mit dem furios aufspielenden Freiburger Trommler Schroeder, mit dem ihn seit zehn Jahren die gemeinsame Liebe zur Musik von Frank Zappa verbindet, sowie dem Münchner Multi-Instumentalisten Titus Waldenfels, der auch an dem Abend erneut an jedem Instrument brillierte, auf das sich vier bis sechs Saiten aufspannen lassen.
Da kein Chadbourne-Konzert einem anderen gleicht, durften die beiden Mitmusikanten ihr gesamtes Können in die Waagschale werfen, der Meister wählte das Songmaterial spontan aus seinen diversen Songbooks, Schroeder und Waldenfels mussten sich anfangs jeweils eingrooven, um mit dem großen Improvisations-Theater des Amerikaners Schritt halten zu können.
Beim Covern ausgewählter Preziosen der Pop- und Rock-Historie zeigte Eugene Chadbourne neben einem stilsicheren Gespür für Songauswahl vor allem sein exorbitant-exzellentes Können der Fingerfertigkeit an Stromgitarre und Banjo, unter dem Motto „The Music Of My Youth“ reichte die Bandbreite von Garagen-Trash-Versionen der Hits „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ und „Don’t Stop“ über eine angeschrägte Banjo-/Alternative-Country-Fassung von Neil Youngs Hymne „Keep On Rockin‘ In The Free World“ bis zur ausgedehnten psychedelischen Meisterleistung „Eight Miles High“, in der das Trio genau die goldene Mitte der 16-Minuten-Live-Version vom Byrds-Album ‚(Untitled)‘ (1970, Columbia) und des kongenialen Hüsker-Dü-Hardcore-Covers traf.
In einem kurzen thematischen Block würdigte Chadbourne den kürzlich verstorbenen Merle Haggard, seinen Worten nach der Mann, wegen dem er selbst zur Country-Musik kam, neben dem Free Jazz der prägendste Einfluss in der Musik Eugene Chadbournes. Dem schüchtern in der Pause gestellten Wunsch, in dem Kontext noch „No Reason To Quit“ in der Fassung von seinem grandiosen 1987er-Album ‚LSD C&W: The History Of The Chadbournes In America‘ (Fundamental) hinterherzuschieben, konnte er leider nicht nachkommen – „Oh yeah, great song, but I cannot remember the lyrics, too much drinks and touring, you know…„, sei’s drum, die reichhaltige Setlist an diesem Abend war auch ohne den Song nicht zu verachten, und wenn Chadbourne in den ausgedehnteren Stücken Jam-artig zu seinen ausufernden Gitarren-Licks ansetzte, auf die selbst ein Könner des Fachs wie der Dead-Übervater Jerry Garcia ab und an neidvoll gelunzt hätte, blieb für Freunde des gepflegten Saitenspiels sowieso kein Wunsch mehr offen.
Die zahlreichen Mitarbeiter einer dem Stragula geografisch nahe gelegenen Unternehmensberatung, die Anfangs die besten Plätze zwecks Speisen- und Getränkezufuhr belegten, räumten dann auch bald das Feld, der begnadete, Experiment-lastige Sound der Musikanten Chadbourne, Schroeder und Waldenfels war augenscheinlich nicht der ihre, alle anderen BesucherInnen der Realwirtschaft waren an dem Abend mit den Darbietungen hochzufrieden und deckten sich entsprechend im Nachgang mit Tonträgern ein, die Eugene Chadbourne jeweils inklusive selbst-/handgefertigten Verpackungen während seiner Konzertreisen feilbietet…
(***** ½)
Eugene Chadbourne spielt heute abend im Litfass in Freiburg und in den nächsten Tagen an folgenden Örtlichkeiten:
03.05. – Berlin, Alter Löwe
04.05. – Eberswalde, Jazz in E
07.05. – Hannover, Jazz Club
08.05. – Wien, Rhiz
Weitere Tourdaten unter www.eugenechadbourne.com.
Titus Waldenfels veranstaltet einmal im Monat im Stragula (München, Bergmannstraße 66) bei freiem Eintritt seine Offene-Bühne-Veranstaltung OPEN MIC, die nächsten Termine sind der 09.05. und der 13.06., Beginn jeweils 20.00 Uhr.
Infos unter www.titus-waldenfels.de oder www.stragula.org.
feiner bericht. und eine veranstaltung, der ich gern beigewohnt hätte.
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Muchas Gracias. Das wär was für Dich gewesen, da bin ich sicher.
Bis bald, viele Grüße,
Gerhard
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