No Erklaerungen / Crowdfunding For Stingl-Man

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„Kiev Stingl: Hart wie Mozart. Ein Rücksichtsloser ohne Rücksichtslosigkeit, manchmal dumm, penetrant und ätzend, manchmal am Rande der Genialität, manchmal das größte Arschloch des Jahrhunderts.“
(Überschrift zum Interview mit Kiev Stingl von Klaus Plaumann, Rock Session 4, Magazin der populären Musik, Herausgegeben von Klaus Humann und Carl-Ludwig Reichert, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1980)

„Kiev über seine Bedeutung: ‚Das Dilemma ist, dass ich… weiß, wogegen, aber nicht wofür‘.“
(Sounds, Mai 1979)

„Der Sommer ist längst vorbei
der Sommer ist längst vorbei
spürst du nicht, der Winter kommt
spürst du nicht, der Winter kommt
und er nimmt dich fort“
(Kiev Stingl, Der Sommer ist längst vorbei, dedicated to Jim M./Doors)

Der in Hamburg aufgewachsene Musiker, Poet und Lou-Reed-als-Arschloch-Imitator Kiev Stingl hat ab den siebziger Jahren Bücher mit seinen Gedichten veröffentlicht, dem geneigten Publikum war er in der Zeit vor allem durch seine Musik ein Begriff, 1989 erschien sein letztes Album, das von Yello-Chef Dieter Meier produzierte ‚Grausam das Gold und jubelnd die Pest‘ auf dem What’s-So-Funny-About-Label von Alfred Hilsberg.
Seine ersten drei Alben wurden jeweils produziert vom Hamburger Musiker-Urgestein Achim Reichel, sein bekanntestes Werk dürfte die 1979er-Scheibe ‚Hart wie Mozart‘ (Ahorn) sein, die Erstauflage der Platte zog eine Klage des Nachrichten-Magazins DER SPIEGEL nach sich, Stingl imitierte das Layout der Cover-Gestaltung des Blattes, besondere Fußnote hierzu: An der Stelle, an der der SPIEGEL die Auslandspreise des Hefts platzierte, lies Kiev Stingl Telefonnummern von Hamburger Prostituierten abdrucken.
Auf seinen Alben tummelten sich Leute wie Holger Hiller oder die Neubauten-Musiker FM Einheit und Alexander Hacke, durchaus respektables Personal aus dem deutschen Neue-Welle-Bereich, aus einer Zeit, bevor es Hitparaden-verdächtig und somit richtig peinlich wurde.
Hinsichtlich Texten wurde Stingl eine Bandbreite zwischen Rimbaud und den amerikanischen Beat-Dichtern attestiert, der Sound lehnte sich an den Punk und New Wave der frühen Jahre an.
Geprägt waren seine Texte von einer Verweigerungshaltung gegenüber dem Mittelmaß und der Austauschbarkeit, in einem Interview mit Klaus Plaumann für die vierte Ausgabe der Rowohlt-Taschenbuchreihe „Rock Session. Magazin der populären Musik“ äußerte Stingl unter anderem:
„Schau dir das mal an, lies mal Musikberichte oder sonst was, es ist wirklich ätzend, was da drinsteht. Du erfährst überhaupt nichts, entweder wird es marktgerecht zusammengebügelt, oder den Leuten wird das oder das unterstellt, daß sie dies oder das seien, aber im Grunde genommen ist alles oder nichts irgendwo oder nirgendwo oder überall. Überall fehlt einfach dieser aggressive Impuls, eingefahrene Klischees zu sprengen, und ich meine, wenn du dich selber als Ich leben willst, dann kann es für dich nur darum gehen, daß du auf all diese Dinger mit’m zynischen Mundwinkel reagierst. Das Ich, relativ pur, wie Esso-Extra.“

Der „Horrorsänger von Eppendorf“ hat im Nachgang noch etliche Skandale produziert, in Interviews und bei Auftritten den totalen Radikal-Ungustl gegeben, mit Stühlen durch die Gegend geschmissen, in Madagaskar wurde er der Legende nach zwischenzeitlich als Fremdenlegionär verhaftet.
Irgendwann in den Neunzigern ist er komplett von der Bildfläche verschwunden.

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Nun also die Searching-For-Stingl-Man-Nummer: Unser liebster Wanderprediger Dirk Otten aka The Dad Horse Experience, der in seiner Jugend von der Musik Stingls geprägt wurde, hat sich auf die Suche nach dem verschollenen Poète maudit gemacht und ihn tatsächlich aufgespürt, zusammen mit dem Filmemacher Marc A. Littler bereitet er derzeit den Dokumentarfilm „No Erklaerungen“ über Kiev Stingl und sein Leben vor, Littler ist genau der Regisseur, dem man eine derartige Thematik blind anvertrauen kann, wie bereits seine herausragenden Dokumentationen über den Ausnahme-Folksänger Possessed By Paul James und den amerikanischen Country-Blues-Underground eindrucksvoll unter Beweis stellten.

So ein Film kostet selbstredend Geld, darum läuft noch bis 15. Mai das Crowdfunding zum Film, hier geht’s lang -> CROWDFUNDING indiegogo.com.

Also, falls Ihr noch schnell ein paar Schwarzgeld-Millionen aus der Steuerhinterzieher-Nummer verstecken müsst oder anderweitig ein paar Taler übrig habt, immer rein damit in den virtuellen Sammel-Hut, besser könnt Ihr die Kröten derzeit nicht anlegen, Zinsen gibt es sowieso dank Draghi keine mehr…

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