Als Weckruf zum Auftakt des finalen Muddy-Roots-Festival-Tags gab es Irish Folk und Gipsy/Balkan-Volksmusik aus den Tiefen des slawischen Gemüts von den ortsansässigen Belgiern Ambrazar, eine brauchbare Nummer zur Anhebung der Laune nach diversen Hagel- und Regenschauern inklusive nachfolgender Zelt-Trockenlegen-Aktion, die noch weit mehr in eine gut gefüllte Fußgängerzone oder ein Bier-seliges Pub als in ein schlecht gefülltes Zelt gepasst hätte.
Filigranen und virtuosen Bluegrass und Gipsy-/Swing-Jazz zelebrierten die drei musikalisch hochtalentierten jungen irischen Geschwister von Cup O‘ Joe – “Even though they are still in their teens, their musical skills and prowess will make even the most seasoned musician take notice. Reuben, Tabitha and Benjamin Agnew could be mistaken for American-born-and-raised, but these three Armagh locals have merely caught a musical wind from the West and made it their own.” – so schaut’s aus…
Den ganz großen Country-Rockabilly-Pop-Punk-Trash haben Doghouse Rose aus Toronto ausgepackt, da müsste es schon mit dem sprichwörtlichen Teufel zugehen, wenn da nicht die ganz große Karriere ansteht, vor allem Sängerin Sarah Beth bringt alles an Ausstattung mit, was hinsichtlich Stimme, Bühnenpräsenz und großen Rock-Posen im Big Business von Belang sein könnte. Der Muddy-Roots-Auftritt der kanadischen Combo war mit der unterhaltsamst-enthusiastische des gesamten Festivals, Cowboy-Hut ab dafür.
Unverfälschten Bluegrass der alten Schule gaben die Old Ditch Riverhoppers aus Utrecht zum Besten, in ihrem Vortrag der nordamerikanischen Traditionals fand sich kein Ton zuviel, aber die gespielten haben alle perfekt gesessen. Selten gehen Holländer so einfach als waschechte US-Natives durch…
Mit „Three Cords And The Truth“ wird gewöhnlich die Country-Musik inhaltlich auf den Punkt gebracht, so ähnlich ist der Fall auch bei Whiskey Dick aus Fort Worth/Texas gelagert: Zwei durchtätowierte Schwergewichte, zwei akustische Gitarren und eine Flasche Whiskey, die gerade mal eine Stunde bis zur Komplett-Entleerung ausreicht, mehr braucht es nicht für den „Heavy Metal Honky Tonk“ der beiden Herren Fritz und Reverend Johnson, die mit ihrem Mix aus akustischem Hillbilly-Country, Metal und Southern Rock die Freunde von Hank Williams genauso beglücken wie die Hinterbliebenen vom Motörhead-Lemmy oder geneigte Kenner der Lynyrd-Skynyrd-Frühphase. Und man möge sich nicht täuschen: Auch mit ein paar Schnäpsen intus trifft der Reverend in seinem exzellenten Leadgitarren-Spiel noch jeden Ton.
„At the lonesome crossroads where country and metal intersect, stand two swaggering badasses holding acoustic guitars. They’re not interested in your soul they have plenty of soul already.“
Mit dem geschmeidigen Honky-Tonk-Country von JP Harris & The Tough Choices aus Nashville/Tennessee kamen dann die Anhänger der unverfälschten, zeitlosen Variante der Gattung auf ihre Kosten, wenn im Sound des bärtigen Musikers irgendwelches Beiwerk an Einflüssen fernab der reinen Lehre auszumachen war, dann wohl noch am ehesten die Country-Rock-Pionierarbeiten vom früh verstorbenen Kult-Helden Gram Parsons.
Mit Willy Tea Taylor stand ein Großer seiner Zunft zur besten Sendezeit auf der Bühne, der Songwriter und Farmer aus Kalifornien hat uns erst vor kurzem mit seiner hervorragenden Balladen-Sammlung „Knuckleball Prime“ (2015, Blackwing Music) erfreut, zusammen mit seinem Begleiter Chief begeisterte er mit seinen zeitlosen, tiefgründigen, entspannten Folksongs und seinem exzellenten Gitarrenspiel und holte sich zum Abschluss seines Auftritts eine Schar an Mitmusikern zur musikalischen Verbeugung vor dem vor einigen Tagen verstorbenen Bluegrass-Heroen Dr. Ralph Stanley auf die Bühne, eine schöne Geste, die die Zuhörerschaft im Zelt gebührend zu würdigen wusste.
Nachdem der tendenziell unfähige Zuständige für den Sound nach vielen Fehlversuchen endlich ein halbwegs akzeptables Klangbild für die Band zustande brachte, konnten die Hackensaw Boys aus Charlottesville/Virginia mit ihrer Stringband-/Bluegrass-Variante der amerikanischen Volksmusik den Saal zum letzten Mal zum Tanzbein-Schwingen animieren, der Auftritt wusste auch nach drei Tagen, die speziell zum Thema Bluegrass auf dem Festival keinen Mangel litten, zu begeistern.
“Before string bands were a “thing” in popular culture, there was the Hackensaw Boys. Before The Avett Brothers were selling out arenas, before Mumford & Sons were becoming the biggest band in music in a given year, before everybody and their brother was growing a beard and wearing suspenders and playing in jug bands, the Hackensaw Boys were mixing bluegrass and old time music with a punk attitude, and reshaping what a modern old school string band could sound like.”
Den finalen Auftritt des Muddy Roots Europe 2016 hätte laut Lineup der großartige Konrad Wert aka Possessed By Paul James bespielen sollen, der begnadete amerikanische Underground-Folker musste leider wegen stimmlicher Probleme seinen Gig absagen, als Ersatz ist der hochverehrte Reverend Deadeye aus Denver/Colorado eingesprungen, und den haben wir selbstredend mit Kusshand genommen, wusste uns der Reverend doch bereits im letzten Jahr bei seinem Münchner Unter-Deck-Konzert zusammen mit Brother Al Hebert schwerst zu begeistern.
Der Reverend selbst hat auch an dem Abend alles mitgebracht, was für ein großes Solo nötig war, seine sichtbar viel bespielte Resonator-Gitarre, diese ultracoole Gospelnummer zum Start, zu deren Klängen er die Krawatte anlegt, seine unvergleichlichen, die Seele durchschüttelnden Blues-Ausbrüche wie „Can’t Take It With You“ oder „Drunk On Jesus“ genau so wie die schwer anrührenden, beseelten Crooner-Balladen „Coldest Heart“ und „Anna Lee“, in denen er sich seinen bevorzugten Themen wie Schuld, Sünde, Vergebung, dem Alkohol und der Spiritualität widmete – am Good Reverend lag es weiß Gott nicht, warum der Abend mit gemischten Gefühlen endete, dafür haben dann der wiederholt völlig überforderte Mann am Soundmixer gesorgt und jener Teil des Publikums, der ums Verrecken nicht zuhören wollte und lieber Konversation betrieb, während der Mann da vorne auf der Bühne großes Prediger-Kino bot.
Auch wenn das Wetter am letzten Tag zu wünschen übrig lies, der Soundmixer wiederholte Male seine Unfähigkeit zelebrierte und das verschüttete, gärende Bier im Zelt ab dem zweiten Tag für getrübte olfaktorische Wahrnehmung sorgte, Muddy Roots Europe 2016 war ganz großer Sport: Eine exzellente Musikanten-Auswahl (ein dickes Lob dafür an Mastermind Jason Galaz), eine gelungene Tattoo-Convention im Sub-Kontext, total entspannt-nette Leute, egal ob Besucher, Veranstalter, Helfer, Musiker – wie hat James Hunnicutt bei seinem Auftritt so schön gesagt: „Real People meet real People, if you see a Rock Star, kick him out – and don’t buy his shit!“
Ein ganz großes Sonderlob selbstredend an die Crew vom Cowboy-Up-Saloon: Die Bierversorgung war perfekt organisiert und kam somit nie zum Erlahmen… ;-))
Und so dürfte dann auch spätestens ab Montagmorgen für so ziemlich jeden Festival-Besucher die alte Rolf-Miller-Frage gegriffen haben: Wie viel muss man trinken, um auf Null Komma Acht Promille zu kommen? Antwort: Zwei Tage nichts… ein Prost auf das Muddy Roots Europe, die Stadt Belgien und den verregneten (aber trotzdem zum Sterben schönen) Ortsteil Brügge, den wir uns im Nachgang noch gegeben haben !! ;-)))
Very Special Thanks to my very good Friend k.ill for Truckin‘, Company, Smirnoff.
„The Lost Can’t Bullshit The Lost.“
(Sean Wheeler)
Ich mag die Version von Darlin‘ Corey. Echt toll Danke fürs Teilen!
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Immer gern ;-)
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:-)
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Klingt nach rundum gelungene drei Tage. So soll das sein. :)
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Absolut. Hat viel Spaß gemacht ;-))
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