Swans – The Glowing Man (2016, Young God/Mute)
Unter Doppel-CD-Format tun sie es nicht mehr, der Zeremonien-Meister Michael Gira und seine Mannen: Acht Stücke in knapp 120 Minuten auf dem vierzehnten Studio-Album der Swans verlangen dem geneigten Musik-Konsumenten wieder einiges ab – auch wenn es partiell weitaus Song-lastiger/entspannter hergeht als auf den Vorgänger-Werken, ein intensives Hörerlebnis garantiert „The Glowing Man“ einmal mehr.
Zum letzten Mal im Studio mit Gitarrist Norman Westberg, bieten die neuen Einspielungen der Swans wie auf den jüngsten Ergüssen „To Be Kind“ (2013), „The Seer“ (2012) und „My Father Will Guide Me Up A Rope To The Sky“ (2010, alle Young God/Mute) höchstes Niveau in Sachen hypnotische Klang-Beschwörungen.
Das fast 13-minütige „Cloud Of Forgetting“ ist für Swans-Verhältnisse ein denkbar einfacher Einstieg in das neue Werk, der beschwörend-atmosphärische Prärie-Western erinnert an entspanntere Folk-Ausflüge der Band in den End-Achtzigern, circa „Children Of God“- bis „White Light From The Mouth Of Infinity“-Phase.
Das sich in 25 Minuten in seiner ganzen Pracht entfaltende „Cloud Of Unknowing“ zeigt die Swans der Jetztzeit in einem düsteren, ins Brachiale ausufernden Drone-Gewitter, so wie wir die Band in den letzten Jahren vermehrt auch wieder in konzertanten Stahlbädern erleben durften, im fast halbstündigen Titelsong des Albums wird sich gegen Ende der zweistündigen Intensiv-Beschallung diese rituelle Hypnose-via-atonaler-Zermürbung-Übung noch einmal wiederholen.
„People Like Us“ ist im Swans-Kontext von Chanson-hafter Leichtigkeit und das von Michael Gira’s Frau Jennifer gesungene „When Will I Return“ offenbart nahezu konventionelle Indie-Rock-Qualitäten.
Die von Gira stammenden Textzeilen aus „The World Looks Red/The World Looks Black“ haben Sonic Youth bereits auf ihrem 1983er-Album „Confusion Is Sex“ verbraten, der jeweils musikalische Ansatz ist nicht vergleichbar.
„The Glowing Man“ enthält alles, was eine exzellente Swans-Platte ausmacht: Den ureigenen hypnotischen Trance-via-Noise-Ansatz, die rituelle Energie in den mäandernden, mitunter brachialen und dunklen Sound-Eruptionen, die Brüche und den freien Fluss, im Atonalen wie im Wohlklang, das charakteristische Songwriting Michael Giras und nicht zuletzt seine Stimme, die die schneidende Anklage des Inquisitors mit dem leidend-verzweifelnden, schmerzverzerrten Aufschrei der Folteropfer Janus-gleich in sich vereint.
Die New Yorker No-Wave-Institution wird im Herbst in einer ausgedehnten Europatournee unterwegs sein, unter anderem gastieren die Swans am 11. November im Münchner Feierwerk. Lärmschutz-Ohrenstöpsel nicht vergessen.
(*****)
schöne Rezension!
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Besten Dank ! ;-))
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Na, Herbst ist wohl genau die richtige Zeit für Swans-Konzerte ;)
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Scheint so ;-) Ein paar nasskalte Nebelschwaden draußen vor der Tür wären schon ok hinsichtlich passender Stimmung ;-))
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Ja – eindeutig passender, als an so’nem goldenen Sommerabend mit zwitschernden Vögelchen direkt in die musikalische Apokalypse zu stolpern :)
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Gruslige Vorstellung – manchmal passt Sonne einfach nicht ;-)))
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