Schwere, phasenweise düstere Kost gab es zum Auftakt des Postrock-Konzertabends am vergangenen Sonntag im Münchner Backstage Club: Die getragenen Klangmeditationen, die Jo Quail aus London auf dem elektronischen Cello darbot, riefen weit mehr Assoziationen an raue, windige Seeküsten, Herbstnebel-verhangene Landschaften und verschneite Wälder wach, die Sauna-artigen Hochsommer-Temperaturen im gefüllten Saal mochten klimatisch nicht unbedingt den entsprechenden Rahmen bilden für die experimentellen Drones, den neoklassischen, melodischen Cello-Wohlklang und die finster pochende Sampling-Rhythmik, die die sympathische junge Engländerin in ihrer extravaganten Gewandung orchestral Schicht für Schicht übereinander zu legen wusste. Das Publikum scherte dieser Umstand nicht weiter, behalf sich mit kühlenden Getränken und würdigte den anmutigen, kraftvollen, ausgewogenen Ausflug in die Experimentalklassik-Gefilde verdientermaßen mit beherztem Applaus.
(****)
Für die fällige Gewitterentladung in der aufgestauten Hitze im zur Zeit des Hauptgigs dann proppevollen Club sorgten die fünf US-Postrocker von Caspian aus Beverly/Massachusetts mit schwersten Gitarrenattacken und vorwärts treibendem Rhythmik-Donnern. Wo die Band auf ihrem letzten Album „Dust And Disquiet“ (2015, Big Scary Monsters) vermehrt auch die ruhigen, entschleunigten Töne anschlug, experimentiert sie konzertant punktuell mit Electronica und lebt auf der Bühne über lange Strecken weitaus mehr ihren ursprünglichen Hang zum energetisch-melodischen, instrumentalen Postmetal aus, als die Arbeiten auf den aktuellen Tonträgern vermuten lassen. Das Quintett hatte sichtlich Freude am Vortrag in der überhitzten Örtlichkeit, bei Konzertbesuchern und Band floss und perlte der Schweiß gleichermaßen in Strömen, man kann vor einer Combo wie Caspian nur den Hut ziehen, die unter derartig tropischen Rahmenbedingungen über einhundert Minuten das Energielevel im Musizieren wie in der physischen Hingabe am oberen Anschlag hielt, geduldig immer wieder das Arbeitsgerät per Handtuch trocknete und es meisterhaft verstand, ein versiertes Postrock-Publikum an dem Abend mit ihren wuchtigen Klanglandschaften zu wahren Begeisterungsstürmen hinzureißen. Konzertsommerloch muss woanders sein, in München war Caspian.
(*****)
Caspian live @ nyctaper.
Very special thanks an CURT München.
*heul* streu nur Salz in meine Wunde. Da habe ich wirklich was verpasst, oder ? Ich frustkaufe jetzt CDs, Jo Quail ist ja auch unglaublich. Die kauf ich gleich mit. Und wehe die kommen nicht bald wieder.
Schöne Rezension und tolle Bilder – danke dafür ! Gibt mir ein wenig das Gefühl dabei gewesen zu sein.
LikeGefällt 2 Personen
Ja, schade, Sabine, das hätte Dir gefallen, davon gehe ich schwer aus. Beim nächsten Mal !
Liebe Grüße,
Gerhard
LikeGefällt 1 Person