Sunn O))) + Big | Brave @ Hansa39, München, 2016-09-01

2016-09-01 BIG I BRAVE hansa39 münchen ---DSC07980

„Die Stimmung? So hoffnungsfroh wie ein Spaziergang mit Michael Gira durch ein geplündertes Dorf im Dreißigjährigen Krieg“ hat die Spex im letzten Jahr zum Album „Au De La“ des kanadischen Trios Big | Brave geschrieben, die Assoziation kommt ungefähr auch hin für das Eröffnungskonzert des Abends im Hansa39 des Münchner Feierwerks am vergangenen Donnerstag, welches die Band aus Toronto für eine gute halbe Stunde zum Besten gab, und doch sollte sich der über weite Strecken gelungene Mix aus No Wave Hardcore, Sludge-Metal, zäh-stoischem Noiserock und Lydia-Lunch-verwandtem Geschrei im Vergleich zu dem, was da im Nachgang noch kommen sollte, wie der reinste Ponyhof-Kindergeburtstag ausnehmen. Wie auch immer, das im Tempo reduzierte, vor allem auf brachialen E-Gitarren gestützte Herummäandern auf Nerven und Gehörgängen der bereits zahlreich anwesenden Zuhörerschaft wusste im ersten Eindruck durchaus zu überzeugen, Efrim Menuck von den kanadischen Postrock-Göttern Godspeed You! Black Emperor hat sich als Produzent oben genannten Tonträgers auch schon um die Combo angenommen, wird also schon was dran sein, an dem Krach…
(****)

Kuttenbrunzer-Drone-Metal, mystisch verbrämter Mönch-Firlefanz oder doch die ganz große Kunst-Offenbarung in Sachen grenzensprengendes Musiktheater? Kalt gelassen hat’s wohl niemanden, was die Experimental-Experten Stephen O’Malley und Greg Anderson aus Seattle/Washington mit ihrem Drone-Metal-Projekt Sunn O))) unter Mithilfe ihrer Wegbegleiter Attila Csihar, Tos Nieuwenhuizen und des zeitweiligen Earth-Keyboarders Steve Moore im vollbesetzten, Trockeneis-durchwehten Hansa39 veranstalteten. Der mittelalterliche, Sektierer-hafte Kuttenaufzug und das theatralische Zeitlupen-Herumgestikulieren mag manchen peinlich berührt an Metal-Residents denken lassen, im musikalischen Bereich hatten die fünf Musiker jedoch ohne Zweifel absolut Unkonventionelles zu bieten. Schwere, düstere, von den schleifend-dröhnenden Gitarren-Feedbacks dominierte, sich permanent wiederholende Experimental-Drones beschallten aus dem massiven Verstärker-Halbrund den Raum, oft nur rudimentär durchbrochen von Krautrock-artigen Minimal-Music-Anschlägen am Fender-Rhodes-Keyboard, elektronischen Samplings, finsteren Höllengesängen und kurzem, wohltönendem, erlösendem Posaunengetröte. Klanglandschaften und Soundgebilde, die die Grenzen jeglicher gängiger (Rock-)Musik weit hinter sich lassen, Töne statt Songstrukturen, Verharren und Meditieren in permanent wiederholten, finsteren Stromgitarren-Verzerrungen, Ganzkörper-erschütternde Bässe, Ambient trifft Black Metal, die hoffnungslose, abstrakte, Hörgewohnheiten zerrüttende Krach-/Klangorgie gepaart mit den optischen Eindrücken hat Bilder von Hexen-/Ketzerverbrennungen und Exorzismen im Kopf entstehen lassen. Gebannt-hypnotisiert nimmt man Anteil an der Aufführung und fragt sich nach hundert Minuten tonal-atonalem Stahlbad doch: Braucht’s das?
Eines jedoch ist unstrittig: wuchtiger, vollumfänglicher, lauter, bildgewaltiger hat lange niemand mehr so irritiert (und ihre Jünger begeistert) wie Sunn O))).
Dass diese Drone-Metal-Nummer auch ohne das Kostümierungs-Brimborium perfekt funktioniert, hat der Wahl-Isländer Ben Frost beim diesjährigen Münchner Frameworks-Festival im vergangenen Frühjahr eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
(****)

Sunn O))) live @ nyctaper.com / southernshelter.com

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8 Kommentare

  1. Noch ein Konzert bei dem ich eigentlich unbedingt auftauchen wollte. Damn – aber ich werde Energie tanken, bissl weniger arbeiten und dann klappts auch wieder mit den Konzerten. Wenigstens kann ich über Dich immer ein bisserl teilhaben, wenn auch nur virtuell. Wirklich ganz tolle Fotos.

    Gefällt 2 Personen

    1. Immer gern – Ja, finde ich auch. Ich hab mir nach dem Konzert gedacht, das reicht jetzt erst mal wieder für eine Weile, nur um am nächsten Tag als erstes die „Monoliths & Dimensions“ aufzulegen ;-))) Dem Sunn-O)))-Sog kann man sich schwer entziehen.
      Viele Grüße,
      Gerhard

      Gefällt 1 Person

    1. Absolut. Liebe ich schon seit Jahrzehnten, bin in der Nähe eines Klosters aufgewachsen ;-))))) Darum delektiere ich mich ja auch immer so an der Verwendung artverwandter Bezeichnungen Deinerseits ;-)))
      Viele Grüße + einen schönen Sonntag,
      Gerhard

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