Die neunte Ausgabe der frameless-Reihe zur experimentellen Musik im digitalen Zeitalter startete am vergangenen Donnerstag mit einer unkonventionellen Aufführung des jungen Australiers Tarquin Manek, der seinen experimentellen Musik-Ansatz in eigenen Worten als „somewhere between folk-tale and science fiction“ beschreibt, in Anlehnung an den Dadaismus eröffnete Manek seinen Vortrag in Grenzen der Musik auslotender Manier durch Erzeugen von Klanggeräuschen, die er durch dezentes Klopfen von Salzgebäck gegen einen Metall-Bügel, Schaben von Gegenständen am Mikrophon oder etwas so Alltäglichem wie Zähneputzen erzeugte.
Im weiteren Verlauf trieb der Australier seine Performance radikal durch Punk-artiges Wälzen am Boden und Minuten-langes, Hunde-artiges, Nerven-zehrendes Jaulen auf die Spitze, unvermittelt gelang ihm der Schwenk in tonalere Gefilde mit einem wunderbaren A-Capella-Vortrag, der sich über Loops zum Kanon auswuchs, und einem bezwingenden Abgang in Form einer Mixtur aus hartem, pochendem, kaltem Elektro-Rhythmen und feinem Synthie-/Digital-Dub/Pop in Anlehnung an frühe Depeche Mode, Cabaret Voltaire oder die Singles der Industrial-Pioniere Throbbing Gristle.
Der/die ein oder andere mochte von Passagen des Auftritts befremdet gewesen sein, die Spannung konnte man diesem Wanderen zwischen atonalen Ausbrüchen und purer Pop-Schönheit kaum absprechen.
(**** – **** ½)
Die isländische Cellistin Hildur Guðnadóttir musste bei ihrem frameless-Auftritt zu Beginn mit den Unbilden der Technik kämpfen, mit tiefenentspannter Engelsgeduld nahm sie den Umstand hin, dass das angedachte Zusammenwirken zwischen digitaler Technik und ihrem „6 string fretted cello“ eingangs nicht funktionieren mochte, der spartanischen Klarheit ihres ätherischen Vokalvortrags, der in uralte Zeiten und die karge Natur-Mystik der nordischen Landschaft entführte, tat dies keinen Abbruch, im weiteren Verlauf des Konzerts mochte sich auch die Technik zur Kooperation bequemen und so konnte Guðnadóttir auch im Zusammenspiel von Streichintrument und Elektronik den Glanz ihrer Eigenkompositionen entfallten, die instrumentalen Werke bestachen durch stilistisch stimmigen Versatz aus isländischer Folklore, Kammermusik-artiger Neo-Klassik, dezent-behutsamen Elektronik-Loops und repetitiver Minimal-Music, die sich auf Augenhöhe der Kompositionen von Größen des Genres wie Philip Glass oder John Adams präsentierten. Hildur Guðnadóttir erwies sich einmal mehr als sattelfeste Grenzgängerin zwischen den Experimental-Welten, wie sie es bereits auf ihren eigenen Arbeiten und in der Kooperation mit so verschiedenen Vertretern der musikalischen Avantgarde wie Hauschka, Throbbing Gristle, Múm, Ben Frost, Jóhann Jóhannsson oder Sunn O))) unter Beweis stellte.
(**** – **** ½)
Fester Bestandteil jeder frameless-Veranstaltung ist die Präsentation einer Videoinstallation, am Donnerstag Abend zeigten die Veranstalter Karin Zwack und Daniel Bürkner Werke des australischen Medienkünstlers Scott Morrison, in denen er Naturbilder seiner Heimat mit digitalen Verfremdungen bearbeitete. Zu sehen war auch die Arbeit „tension sketch 3“, die eine idealisierte Landschaftsaufnahme im Kontrast zu Aussagen des namesgleichen australischen Politikers Morrison im Untertitel stellt, der Minister für Immigration und Grenzschutz ist für seine restriktive, abweisende Flüchtlingspolitik bekannt. Die Videoarbeit mit Karaoke-Spur zeigte: Landschaft gewinnt im Kontext der Globalisierung eine politische Bedeutung, sie wird zum angestrebten Lebens-/Schutzraum.
frameless10 findet am 16. November 2016 statt, wie immer bei freiem Eintritt im Einstein Kultur. Auftreten werden die japanische Band goat(JP), die Minimal Techno ohne Elektronik spielt, und der britische Home-Normal-Labelbetreiber Ian Hawgood, der im Bereich der elektronischen Avantgarde musiziert. Boris Labbé aus Frankreich wird im Nebenraum seine Videoarbeit „Kyrielle“ zeigen, in der er handgefertigte Aquarelle digitalisiert.