Reingehört (258): Damien Jurado & Richard Swift, The Wedding Present

KULTURFORUM Winter www.gerhardemmerkunst.wordpress.com (16)

The Wedding Present – Marc Riley Sessions, Vol. 1 (2016, Hatch Records Limited)
Schändlicherweise festgestellt, dass die neue „Going, Going…“-Scheibe vom nordenglischen Hochzeitsgeschenk im vergangenen Herbst völlig unbeachtet und ungehört durchgerutscht ist, dabei geht die Combo um Songwriter, Sänger und Gitarrist David Gedge jederzeit und immerwährend gut ins Ohr, seit über 30 Jahren, wie auch diese schöne Radio-Sessions-Zusammenstellung eindrucksvoll unterstreicht. Aufgenommen zwischen 2007 und 2010 in der „BBC Radio 6 Music“-Sendung von Moderator/DJ Marc Riley, der in früheren Jahren selbst als Musikant zugange war, mit seiner eigenen Combo The Creepers und von 1978 bis 1983 als Bassist bei der Postpunk-Institution The Fall, bevor er dort einer der vielen Säuberungsaktionen von Band-Diktator Mark E. Smith zum Opfer fiel. Für den gelungenen Johnny-Cash-Tribute-Sampler „Til Things Are Brighter“ aus dem Jahr 1988 zeichnet er als Co-Produzent zusammen mit Mekons-Chefe Jon Langford im Übrigen auch verantwortlich.
The Wedding Present, die letzten ihrer Art in Sachen C86-Geschrammel, hat Riley hier formvollendet auf die Spur gebracht, die Band entfaltet live im Studio wie bewährt auf Bühne ihre unbändige Spielfreude, hinsichtlich High-Speed-Schepper-Gitarre und diesem einzigartigen Gespür für den großen Gitarren-Pop-Song kann David Gedge und den Seinen niemand auch nur annähernd das Wasser reichen in der weiten Welt der gepflegten Beschallung.
Die Titelauswahl hält zwar keine großen Überraschungen parat, das Präsentierte bietet nichtsdestotrotz eine schöne Übersicht über die Bandgeschichte mit einer Auswahl an feinen Momenten aus der langen WP-Geschichte, ein donnernd-ergreifendes „Palisades“ etwa, „Brassneck“ vom „Bizarro“-Meisterwerk, das unverwüstliche „Everyone Thinks He Looks Daft“ vom immer noch frisch und unverbraucht klingenden „George Best“-Debüt von 1987 oder „Heather“ aus dem auch sehr gelungenen „Seamonsters“-Werk, und wenn sich bei „Don’t Take Me Home Until I’m Drunk“ das Herz nicht allein schon beim begnadeten Songtitel weitet, ist wahrscheinlich die letzte Weihnachtsfeier noch nicht verdaut…
Ein perfekter Einstiegspunkt für Hörer, die bisher von den humorig-intelligenten, aus dem Leben gegriffenen Geschichten und dem einzigartig-zupackenden Prä-Brit-Pop-Gitarrenmelodien der Combo aus Leeds unberührt waren, für langgediente Fans eh ein Fest.
(*****)

Damien Jurado & Richard Swift – Other People’s Songs Vol.1 (2016, Secretly Canadian)
Gab’s schon mal zeitweise als freien Download im Jahr 2010: Seattle-Indie-/Folk-Spezi Damien Jurado und sein Kumpel Richard Swift, seines Zeichens Tastenmann bei der Ami-Indie-Combo The Shins, haben sich vor einigen Jahren für die individuelle Interpretation und Einspielung von Fremdkompositionen im Studio zusammengefunden, im Stil von LoFi-Geschwurbel, verhalltem Sixties-Folk-Pop und charmant angestaubter Uralt-Psychedelic inklusive Ära-typischem, verträumtem, athmosphärisch-schönem Nostalgie-Schmalz, in dem das Duo so weit auseinander liegende Pole wie John Denver, Bill Fay, Chubby Checker, die unsäglichen Bombast-Prog-Heinzen von Yes und die deutschen Elektronik-/Kraut-Pioniere Kraftwerk zusammenbringt, „Radioactivity“ der Letztgenannten gar partiell in holprigem Deutsch vorgetragen und folkloristisch üppig orchestriert, maximal weit entfernt von der technischen Kälte des Originals der Düsseldorfer. Der Easy-Listening-Soundtrack für die Feiertage oder die anstehende Sylvester-Sause.
(**** – **** ½)

9 Kommentare

  1. Lieber Gerhard,
    es kommt nicht oft vor, dass ich alle musikalischen Namen hier kenne. Doch dieses Mal ist es so, einschließlich Marc Riley der nach wie vor bei BBC6 Radio moderiert und dort auch ab uns zu aus diesen Sessions Musik spielt. Mir gefällt es gut. Kann man alles passend zur Weihnachtszeit hören. Damian Durado´s „Radioactivity“ ist zudem ein seltenes und schönes Cover.
    Liebe Grüße,
    Stefan

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      1. Lieber Gerhard,
        das könnte gut möglich sein. Ich höre 6Music meistens am Wochenende und dann sehr gerne. Und dank dem iplayer der BBC kann man jeder Sendung 4 Wochen nachhören…ganz ohne Geo-Blocking. Mein Hörtipp für Dich wäre am Samstag die Huey Morgan (Fun Lovin´Criminals) Morning Show. Die Musik bewegt sich zwischen Rock, Soul, Reggae und neuen Songs. Da kann es durchaus passieren, dass Motörhead gespielt werden und danach ein Reggaestück. Das macht am Samstag meistens Laune. Ich glaube Marc Riley moderiert in der Woche, wo ich weniger BBC höre.
        Du hast Recht. Es gibt kaum noch solche Formate. Es gibt dennoch den Internetsender Byte Fm aus Hamburg (byte.fm) wo es noch viel zu entdecken gibt.
        Liebe Grüße,
        Stefan

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      2. Lieber Gerhard,
        da gehste einfach auf bbc.co.uk/6music und klickst auf „Listen Live“ oder „Schedules“, suchst z.B. die letzte Sendung von Huey Morgan am Samstag und schon kannst Du die Sendung via Internet und dem iplayer hören. Irgendwas extra installieren braucht man nicht. Zudem laufen immer wieder interessante Konzerte und Musik-Specials. Und nachhören kann man 4 Wochen. Gilt auch für die anderen BBC Radioprogramme.
        Liebe Grüße,
        Stefan

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