Various Artists – Antologia de Música Atípica Portuguesa (2017, Discrepant)
Die Musikwelt Portugals besteht aus weit mehr als der über die Landesgrenzen hinaus bekannten Melancholie des Fado oder den Gesängen aus der Fankurve im Estádio zum Loben und Preisen des kickenden Nationalheiligen CR7: Die erste Ausgabe dieser Sammlung mit experimenteller, sich der eigenen landestypisch folkloristischen Wurzeln durchaus bewusster portugiesischer Musik räumt auf mit herkömmlichen Klischees, gibt Einblick in eine spannende Subkultur aus dem Süden Europas und erweitert den musikalischen Horizont nicht unerheblich.
„Vol. 1: o trabalho“ widmet sich der Neuinterpretation von Arbeiter-Liedern der Werktätigen zu Land und in der Seefahrt, die Bandbreite der Arbeiten reicht von reduzierter Ambient-Electronica über den experimentellen Ansatz der Minimal Music bis hin zu gedehnten Saxophon-Free-Jazz-Drones und mutigen Wagnissen im Bereich der Vokalkunst, neu arrangiert, aufgenommen und gesampelt von hierzulande wohl weitgehend unbekannten Künstlern und Bands/Projekten wie Pedro Silva, Live Low oder Negra Branca.
Der Komponist Tiago Morais Morgado lotet in seinem kurzen Gesangsstück die Grenzen zum kehligen Doom-Metal aus, der Installations-/Comic-Künstler und Komponist Filipe Felizardo fokusiert sich in seinem Beitrag „Sede e Morte“ auf die Solo-E-Gitarre und ergeht sich in Postmetal-artigen Drones, den stärksten Eindruck hinterlässt der zweimal auf dem Sampler vertretene Gonçalo F. Cardoso aka Gonzo im Stück „Agara Baixou o Sol“ mit Field-Recording-artigen Gesangs-Samples, Tape-Loops und Electronica-Beigaben, die das Werk in faszinierender Intensität zwischen den Avantgarde-Gesängen einer Diamanda Galás und sakraler Erhabenheit pendeln lassen.
Bei derart anregendem Stoff darf man gespannt seine auf weitere Ausgaben dieser hoffentlich ausbaufähigen Serie.
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