Er hatte fünf Ringe an zehn Fingern. In
vielen Städten der Welt wäre er in Gefahr
gewesen, dass man ihm seine Hände abgehackt
hätte. Im Glauben, damit für den Rest des
Lebens ein reicher Mann zu sein.
„Die Menschen sind nicht immer, was sie
scheinen, aber selten etwas Besseres“, sagte er.
Als hätte er lange darüber nachgedacht. Im
Bewusstsein, dass niemand von ihm derartige
Weisheiten erwartete.
(Franz Dobler, Reicher Mann, Sargasso Nummer 1)
M. A. Littler & D. H. Ottn (Hrsg.) – Sargasso Nummer 1 (2017, Sacred Flu Publishing)
Der Regisseur und Slowboat-Films-Maestro Marc Littler und der Kellergospler Dirk Otten, immer für eine Überraschung gut, weil das Schreiben und Drehen von grandiosen Filmen wie zuletzt der herausragenden „Armenia“-Roadmovie-Meditation beim Ersten und das Tonträger-Produzieren und permanente Wanderpredigen und Sünder-Bekehren im Namen des Herrn als Dad Horse Experience im Fall des zweiten Beteiligten und obendrauf das gemeinsame Kiev-Stingl-Filmprojekt noch nicht Arbeitstag-ausfüllend genug sind, darf’s jetzt auch noch ein „non-cultural“ Literatur- und Kunstmagazin im fein aufgemachten Fanzine-Format sein.
Auf 88 Seiten geben die beiden Herausgeber dem literarischen Experiment und der Fotokunst in dunklen Zeiten wider Gier, Angst und Dummheit Forum und Raum, in Zeiten der kulturellen Beliebigkeit und der politischen Vereinfacher bietet das Sargasso-Magazin den sicheren Hafen für die Freibeuter der Subkultur. Die geistige Insel und Heimat in der Brandung der atlantischen Sargasso-See, Schutzraum für alle Wahrsager und Flüchtenden vor der Belanglosigkeit des literarischen Mainstreams.
Naheliegende Autoren wie der hochgeschätze Krimischreiber, Journalist, DJ, Blogger, Johnny-Cash-Biograf und Rezitator Franz Dobler finden sich unter den Schreibern, Littler und Otten selbstredend & sowieso, der bei den Magazin-Machern derzeit unvermeidliche Kiev Stingl unter anderem mit einem bis dato unveröffentlichten Rausrotz-Gedicht mit dem herrlichen Titel „Kritischer Idealismus oder abgefuckte Scharlatanerie?“, und weil wir gerade bei den MusikantInnen sind, die begnadete US-No-Wave-Punk-Jazz-Blueserin Sandy Dillon, die ein Musik-Kritiker mal ziemlich unoriginell als „weiblichen Tom Wais“ beschrieben hat, kommt auch des Öfteren zu Wort – der gedankliche Widerhacken und der passende Anlass, um mal wieder ihre Perlen wie das tolle Sister-Euclid-Album oder ihre aus dem Underground herausragenden Soloalben wie „East Overshoe“ (2001) oder „Pull The Strings“ (2006, beide One Little Indian) aus dem Plattenschrank zu kramen.
Hinter dem Autor Daniel Grandbois versteckt sich schwervermutlich der ehemalige Slim-Cessna-Musiker Danny Pents mit einer Kurzgeschichte über den letzten Cowboy im Eskimodorf und weiteren Auslassungen zum alten, unheimlichen Amerika, als literarische Brücke zur von Littler ausgiebigst-wunderbar beackerten Muddy-Roots-Welt.
Wem die unverstellte, handfeste Von-Unten-Dichtung eines Jörg Fauser oder Charles Bukowski auch abseits des literarischen Einerlei der letzten Jahre komplett fehlte, halte sich bei dieser wunderbaren Poem-, Songtexte- und Kurzgeschichten-Sammlung schadlos. Radikal und Grenzen sprengend wie beispielsweise seinerzeit die „ACID“-Sammlung von Brinkmann/Rygulla, dabei mit wesentlich mehr Ästhetik hinsichtlich Schwarz-Weiß-Fotografien und zeichnerischer Kunst versehen, und thematisch eindeutig abgegrenzt im geistigen Southern-Gothic-Swampblues unterwegs.
Weitere Autoren und Illustratoren der ersten Sargasso-Nummer sind Richard W. Deia, der Bremer Musiker Alan Ehrensache, Littlers Alter Ego El Commandante, Charles Fischer, Jay Halsey, der rheinländische Dichter Sven Heuchert, John Keats, Django Knoth, Christian C. Kruse, der südfranzösische Schriftsteller, Schaupieler und Anarchist Serge Livrozet, der ehedem bei der Dad Horse Experience und den Puta Madre Brothers musizierende Anto Macaroni, Christoph Mueller, Bob Reuter, Thomas Schaefer, Jarrod Starling, Gabi Swiatkowska, der texanische Sons-Of-Perdition-Songwriter Zebulon Whatley und der Fotograf Miron Zownir, der zudem mit exzellenten Fotos das Magazin optisch bereichert.
The pirate’s Weltanschauung can be described as “spiritual anarchism”.
(El Commandante, The Transcendental Pirate Manifest, II.)
Beim total sozialverträglichen Preis von fünf Öre günstiger als eine Packung Kippen, also quasi geschenkt, gut angelegtes Geld, limitierte und durchnummerierte Auflage, Versand ab Anfang April, Bestellformular: guckst Du hier.
Dann schaung ma amoi.
Ahoi :-)
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Mast- und Schotbruch oder so ähnlich ;-)))
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Da hast Du mal wieder einen echten Emmer ausgegraben :-)
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Mitnichten, liebe Birgit, vielmehr ein echter Littler/Otten ;-))
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Schon klar. Aber ein echter Emmer-Schnüffelnasen-Fund :-)
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War nicht schwer zu finden, wenn man das pdf vorab zur Einsicht zugeschickt bekommt ;-))))
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Ich lass Dir mal das letzte Wort :-)
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Hmpf…. ;-)
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Gut gemachte Zeitschrift! Erinnert mich aber an die Publikationen der Underground- oder Alternativpresse der 60er und 70er Jahre, wo vieles in den eigenen Konfusionen steckengeblieben und nicht deshalb auch mangels Leser ohne gesellschaftliche Relevanz geblieben ist.
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Darum auch der „ACID“-Verweis. Gesellschaftliche Relevanz hin oder her, ich bin froh, dass es noch Medien/Plattformen für diese Art von Literatur gibt. „Eigene Konfusion“ sehe ich hier eigentlich nicht, im Gegenteil, das ist ein ziemlich straightes Konzept., wie es Littler und Otten auch in ihrer ureigenen Kunst verfolgen.
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Mag sein, dass es in der heutigen Zeit günstiger ist, Medien/Plattformen dieser Art auf die Beine zu stellen. Aber ich sehe da weit und breit keine Avantgarde-Funktion der Literatur im Zusammenhang mit globalen historischen Bewegungen. „Acid“ von Brinkmann/Rygulla das war ja ein Modell im deutschsprachigen Raum, dass sich nur mit der amerikanischen oder englischen Underground-Szene der 60er und 70er Jahre messen lässt. Die Autorinnen und Autoren dieser Szene hatten sich bewusst gegen den „offiziellen Literaturbetrieb“ abgegrenzt. Diese Abgrenzung konnte sich aber auf die Dauer nur erlauben, wer genug Kohle hatte oder ein unkonventionelles Berufsleben. Das galt übrigens auch für Jörg Schröder; er konnte damals den März Verlag nur machen, weil er in der Reihe „Olympia Press“ pornografische Literatur vertrieb. Anyway – I wish all the best for Sargasso“!
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Für’n Fünfer? Perfekt!
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Yo, kann man nicht meckern.
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