Schwerst auf die Ohren gab es am vergangenen Donnerstag im Hansa39 des Münchner Feierwerks, mit den nordamerikanischen Combos Sumac und Oxbow gaben sich zwei Vertreter der gepflegten Noise-Beschallung die Ehre, einmal die anregende, herausragende Variante, einmal die maximalst platt-walzende…
Den lauten Abend eröffneten überpünktlich die vier Mannen von Oxbow, Bassist Dan Adams klebte vorab zeremoniell eine Handvoll Räucherstäbchen an die Monitorboxen, wer aufgrund dieser Duftbenebelung irgendwelchen Hippie-Firlefanz im Klangbild der Kalifornier aus der Blumenkinder-Hochburg San Francisco erwartete, sollte schnell eines Besseren belehrt werden, die Band um Sänger Eugene Robinson gab von Sekunde Eins an kompromisslos eine stramme musikalische Marschrichtung für den bezwingenden Auftritt vor.
Im Klangbild von Oxbow hört jeder was anderes raus, den harten No-Wave-Großstadt-Blues von Birthday Party und den Swans, den Free-Jazz-beeinflussten Hardcore des kanadischen Kult-Trios NoMeansNo, die treibende Direktheit von Black Flag, Rollins und Co, den artifiziell-verqueren Post-Punk von Slovenly, die Protopunk-Experimental-Psychedelic von Red Krayola, die Härte von Post-Metallern wie Neurosis, beim permanent zwischen predigender Durchgeknalltheit, schwerst in Zaum gehaltener Aggression und Anklage schwankenden Sangesvortrag von Eugene Robinson mögen sich Vergleiche zum einzigartigen Punk-/Rap-Outsider Wesley Willis aufdrängen, alle Referenzen sind so richtig wie falsch, Oxbow mögen diese Richtungen aufgesaugt oder während ihrer fast dreißigjährigen Bandgeschichte auch selbst mitgeprägt haben, ihr konzertanter Vortrag indes ist ein einzigartiger und letztendlich unvergleichlicher – in jedem Fall großes Kino hinsichtlich bezwingendem, vorwärts-gewandtem Avantgarde-Rock/-Post-Punk, eine schiere Explosion an neuen Ideen, bei Oxbow haben sich vier Ausnahmemusiker gefunden, diesen nach verkopftem Kunst-Gefrickel klingenden Ansatz in geradezu geniale Bahnen zu lenken, der erratisch-extrovertierte Vortrag von Sänger Robinson und die abgehackten, schneidenden Gitarren-Attacken vom Band-Komponisten Niko Wenner werden geradezu bravourös getragen vom Rhythmus-Duo Greg Davis an den Drums und dem über die Maßen versierten Fretless-Basser Dan Adams, einem im Parallel-Leben renommierten Jazz-Musiker.
Sänger Robinson soll sich zu früheren Gelegenheiten des öfteren rüpelhaftes Publikum handgreiflich zur Brust genommen haben, beim Münchner Auftritt tat dies Gottlob nicht Not, der gut gefüllte Saal honorierte den grandiosen Auftritt gebührend, eine Bonus-Track-Dreingabe auf die knappe Stunde gab’s leider trotzdem nicht…
(***** – ***** ½)
Beim folgenden Sumac-Auftritt verlangte dann nach einer Stunde Höllenritt niemand mehr ernsthaft nach Fortsetzung, das Trio um Hydra-Head-Records-Labelchef, Isis-und-unzählige-andere-Drone-/Post-/Irgendwas-Metal-Bands-Gitarrist und Brüller Aaron Turner und den kanadischen Drummer Nick Yacyshyn musste an dem Abend ohne den etatmäßigen Bassisten auskommen, der hochverehrte Russian-Circles-Musiker Brian Cook tourt derzeit mit der eigenen Post-Metal-Institution in den Staaten, mit Joe Preston, dem Vorsteher seines eigenen Doom-/Experimental-Metal-Projekts Thrones und altgedienten Melvins-/Earth-/Sunn O)))-Veteranen, stand ein würdiger Ersatzmann parat – hinsichtlich Intensiv-Beschallung sollte die Alternativ-Besetzung an dem Abend keine Abstriche machen. Eine konzertante Aufführung von Sumac ist mit herkömmlichem Vokabular nicht zu beschreiben, von vertrauten Songstrukturen nimmt das Trio weitestgehend Abstand, der brachiale, schwere, treibende Rhythmus wird überlagert von den frei fließenden, experimentellen, kompromisslosen Gitarren-Ausbrüchen, -Attacken und Soundwänden Aaron Turners, der überwältigende, an die Schmerzgrenze gehende, Sturmflut-artige Klangrausch wurde in sporadischem, kehligem, verzweifeltem Metaller-Gebrüll wiederholte Male in Richtung tonaler Albtraum, in düstere Klangfarben gegossenen Irrsinn und brachiales Öffnen des sprichwörtlichen Höllentors getrieben, eine atonale Grenzerfahrung, die viele Vertreter der weiten Welt des Metal wie Kindergeburtstags-Kapellen erscheinen lässt.
Nach dieser alle Sinne erschütternden Tour de Force mutete es im Nachgang fast wie ein Wunder an, dass sich Aaron Turner beim geplätteten Publikum mit wohlklingend-fester Sprechstimme bedankte und verabschiedete, der Derwisch aus der Schattenwelt hat offensichtlich Übung im derartig vollumfänglichen, radikalen Verausgaben, wir Normalsterblichen hingegen eher nicht…
(**** – **** ½)
Oh mann, das klingt ja super! Und auch tolle Bilder!
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Vielen Dank !
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Die Musik ist ja nicht die meine, aber klasse Fotos. Viele Grüße, Gérard
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Besten Dank, Gérard – Viele Grüße, Gerhard
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Sumac gefällt mir sehr – danke für den Tipp :)
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Immer gerne ;-)) Oxbow war aber mehr das meine, sind live allerdings um einiges direkter als auf Tonträger – liebe Grüße, Gerhard
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