2005 als kleine Veranstaltung zur Unterstützung des lokalen Basketball-Clubs Helios Zottegem aus der Taufe gehoben, mittlerweile die erste Adresse in Sachen europäisches Postrock-Gipfeltreffen: Das Dunk!-Festival in Ostflandern hat zu Christi Himmelfahrt erneut zum Stelldichein geladen, beim diesjährigen Line-Up war es selbstredend heilige Pflicht, in aller Herrgotts-Frühe den Postrock-Nachwuchs aus den Federn zu werfen, um ab 4 Uhr morgens gemeinsam die Reise ins ferne Belgien anzutreten, wenn auch bedauerlicherweise bereits im Vorfeld die grandiose südkoreanische Formation Jambinai 잠비나이 als auch Krankheits-bedingt sehr kurzfristig die gleichfalls sehr geschätzte Emma Ruth Rundle ihre Teilnahmen absagen mussten.
Nach ausgestandenem Stau bei Lüttich in brütender Mittagshitze mehr oder weniger pünktlich zum Anpfiff eingetrudelt, das Festival-Bensel an die Pfote geheftet und die Zelt-Heringe in den Boden gerammt, und schon ging’s rein in die tagelange Beschallung mittels Postrock, Post-Metal, Experiment, Space, Kraut und Drone.
Die Sause eröffneten die jungen Chilenen von La Cienca Simple aus Santiago, die beim diesjährigen Dunk!Fest ihr erstes Konzert außerhalb der südamerikanischen Heimat gaben, ein gefälliger Einstieg mit dem typisch Gitarren-lastigen Crescendo-Instrumental-Sound des Postrock-Genres, der im weiteren Verlauf des Tages selbstredend vermehrt erklingen sollte: Lost In Kiev aus Paris bereicherten ihren intensiven Vortrag mit einer beeindruckenden Videoshow, die Luxemburger Mutiny On The Bounty mussten im vergangenen Jahr kurzfristig absagen, heuer zelebrierten sie ihre Version des um Math-Rock-Elemente erweiterte Spielart des Genres und konnten vor allem wegen der klirrenden, auf den Nerv bohrenden Keyboard-Einfärbungen im Klangbild nicht vollends überzeugen.
Die tschechische Band Flash The Readies stellte auf der kleinen Showgazer-Bühne eindrucksvoll unter Beweis, dass die Wandlung vom konventionellen Indie-Songwriting hin zu Ambient, Post-, und Psychedelic-Rock ein gangbarer Weg ist, Spurv aus Oslo erweiterten die klassische Postrock-Beschallung um Posaunenklang und Beigaben aus der Neo-Klassik in Richtung Breitband-Format und die mit viel Vorschuss-Lorbeeren bedachten Schweden von pg.lost deckten in der Tat in äußerst respektabler Manier und mit Können in Komposition und Umsetzung die Bandbreite zwischen Ambient-artiger Melancholie und Black-Sabbath-verwandter Post-Metal-Härte ab.
Neben der Hauptattraktion des ersten Festival-Tages brachen vor allem The Black Heart Rebellion auf der Hauptbühne aus dem dominierenden Schema aus, die Band aus dem benachbarten Gent kommt aus dem Umfeld der bei dieser Veranstaltung stets gut repräsentierten Church Of Ra, ist in der momentanen Inkarnation aber völlig losgelöst vom dort dominierenden Post-Metal der Kollektiv-Gründer Amenra, die Formation um den charismatischen Sänger Pieter Uyttenhove zelebrierte einen von asiatischen Einflüssen geprägten und an typischem Instrumentarium wie dem indischen Harmonium umgesetzten Desert-/Düster-Blues, der in seiner ergreifenden Dunkelheit offensichtlich weitaus mehr finstere Mächte und Dämonen als gute Geister beschwor, eine akustische Intensiv-Messe, die atmosphärisch latent verstörende Assoziationen zu Aleister Crowley und seinen hinduistisch-buddhistischen Esoterik-/Okkultismus-Studien weckte.
In Richtung Esoterik in Form von schamanistischen Übungen tendierte auch Ambient-Künstler Peter Verwimp aka Ashtoreth, der aus Antwerpen stammende Solist hat in der Vergangenheit bereits mit Musikern wie Aaron Turner (u.a. Isis, Sumac) zusammengearbeitet, auf der in diesem Jahr erstmals fest installierten Forest-Bühne präsentierte Ashtoreth eine Mixtur aus minimalistischen, meditativen Gitarren-Drones und indianischer Räucherhütte, in freier Improvisations-Form flossen punktuelle, psychedelische Noise-Abstaktionen mit in den Klangteppich, eine wunderbare Gelegenheit zum relaxten Innehalten im dicht gedrängten Festival-Betrieb, in herrlicher Natur-Atmosphäre im lauschigen Dunk!-Wald.
Ein erstes dickes Ausrufe-Zeichen der Veranstaltung setzten am späten Nachmittag die drei Musiker von Terraformer aus dem belgischen Lüttich, das Trio präsentierte auf der kleinen Bühne des Stargazer-Zelts aktuelle Arbeiten aus dem jüngst beim Dunk!-Label erschienenen Album „Mineral“ und unterstrich wie bereits beim München-Auftritt im Jahr 2015 eindrucksvoll, dass es Vergleiche mit den Speerspitzen des instrumentalen Post-Metal-Genres wie den US-Kollegen von Russian Circles oder Pelican nicht scheuen muss, ein druckvoller wie beseelter Vortrag in intensiven 40 Minuten sorgte für schwerste Begeisterung beim anwesenden Publikum, ein euphorisierender Siegeszug in Sachen instrumentaler Noise-, Metal, Doom- und experimenteller Post-Rock.
Der Tunnelblick richtete sich seit einigen Tagen auf den Hauptact des 1. Festival-Tages, wie sollte es anders sein: Als vor einigen Monaten final der letzte Headliner verkündet wurde, war die Freude selbstredend überbordend, handelte es sich doch um die US-Noise-/No-Wave-Institution Swans, die Band um Mastermind Michael Gira befindet sich auf ausgedehnter Abschiedstour, in München wurde vermeintlich bereits im vergangenen November eine Träne hinsichtlich final erlebter Live-Präsentation zerdrückt, umso willkommener war die unverhoffte Bonus-Nummer im Rahmen des Dunk!-Festivals, wenn auch bei einigen Besuchern offensichtlich nicht ungetrübtes Vergnügen bei der Zweieinhalb-Stunden-Intensiv-Beschallung der amerikanischen Experimental-Rock-Legende aufkommen mochte.
Richtung Bühne gefeuerte Bierbecher und nicht wenige im Konzertpublikum, die sich vor Schmerzen die Ohren ob der gebotenen Lautstärke zuhielten, im weiteren Verlauf ein nur noch zu einem Drittel gefülltes Hauptzelt, durchaus nicht das gewohnte Bild zu einem Abend-beschließenden Auftritt beim Dunk!-Fest, Michael Gira und den Seinen war’s einerlei, den altgedienten Swans-Fans sowieso, für sie war die tonale Grenzerfahrung und Glücksseelig-machende Vollbedienung im Große-Kunst-als-Krach-Kontext wie stets eine vollkommene, Keyboarder Paul Wallfisch trieb den bewährt-bezwingenden Klangrausch exzessiv in Richtung Psychedelic, die Bass-lastigen Attacken der Rhythmus-Geber Phil Puleo und Christopher Pravdica gingen nicht nur sprichwörtlich durch Mark und Bein, über die hypnotische Bühnenpräsenz des Schamanen Gira muss bei Swans-Jüngern kein Wort mehr verloren werden, und wenn dann am Merch weit nach Mitternacht das allerletzte Exemplar des limitierten Live-Tonträgers „Deliquescence“ inklusive Signatur vom Meister himself hängenbleibt, dann war allerspätestens zu dem Zeitpunkt klar, dass sich der weite Ritt nach Ostflandern bereits nach dem ersten Drittel des Gesamtprogramms schwerst gelohnt hat. Fortsetzung folgt.
ich muss mich hier am Wochenende mal in Ruhe durchhören, gibt soviel zu entdecken – danke für den spannenden Artikel vom Festival. Wüsche viel Spaß, ich glaube ich muss da auch mal hin ;)
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Viel Spaß beim Durchhören, und ich schätze auch schwer, dass Du da auch mal hin musst ;-))
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guter Artikel :) hast du die beiden anderen Tage auch noch in Planung? da kam ja noch einiges an Highlights ;)
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Nevermind, hab die beiden anderen Tage schlicht übersehen :) hat beim Lesen fast soviel Spaß gemacht wie beim Hören. Freue mich auf nächstes Jahr, wenn ich auch hoffen muss, dass die 2. Maiwoche nicht zu früh ist vom Wetter her :)
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Dankeschön. Das mit dem Wetter ist immer eine Zitterpartie, letztes Jahr war es in der ersten Mai-Woche, und da war das Wetter auch grandios. Hab im Juni und Juli auf Festivals erlebt, die ziemlich verregnet waren,
viele Grüße,
Gerhard
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