Reingehört (376): UUUU

UUUU – UUUU (2017, Editions M)

This Heat und Throbbing Gristle haben sich Ende der Siebziger des vergangenen Jahrhunderts in der Hochzeit des Postpunk zu einer gemeinsamen Improvisations-Session im Studio getroffen, das Zeug über die Jahrzehnte in den Archiven gut abhängen und reifen lassen, im neuen Jahrtausend mit moderner Technik, zusätzlichen Samples und anderweitigen Electronica-Spielereien aufgemotzt und remastert und dieser Tage unter dem kryptisch-abstrakten Projektnamen UUUU unter das Volk gebracht. Schöne wie spannende Geschichte, die einem da spontan beim Abhören dieser Experimental-Orgie durch die Hirnwindungen spinnt.
Hat nur einen Hacken: Null Wahrheitsgehalt. Obwohl der Bezug zur Hochphase des avantgardistischen Industrial-Postpunk in allen Facetten gegeben ist: UUUU rekrutieren sich aus dem Wire-Gründer und -Bassisten Graham Lewis, dem „neuen“ Wire-Gitarristen Matthew Simms, Coil-/Spiritualized-Multiinstrumentalist Tim Lewis aka Thighpaulsandra und der italienischen Schlagzeugerin Valentina Magaletti, zusammen erschaffen die im weiten Feld der experimentellen Musik bestens bewanderten Musiker_Innen einen breit gefächerten Kosmos aus abstraktem Ambient-Drone, Free-Jazz-artigem Improvisationskrach, sich immer wieder aus dem kakophonen Gewirr herausschälendem, für die Album-Verhältnisse partiell sehr strukturiertem Space-, Kraut- und Noise-Rock und minutenlangen atonalen Verstörungen, die tatsächlich an die Zumutungen der nordenglischen Industrial-Pioniere Throbbing Gristle erinnern, wie auch die einhergehenden Postpunk-Phrasierungen jederzeit Referenzen an die von der charakteristischen Rhythmik eines Charles Hayward getriebenen, minimalistisch-innovativen Prog-/Punk-Gerippe der This-Heat-Meilensteine zulassen.
Auch bei UUUU kommt der Rhythmus-Abteilung eine besondere Rolle zu, in diesem sich in viele gegenläufige Richtungen ausdehnenden Experimental-musikalischen Universum leistet Frau Magaletti ganze Arbeit an Schlagwerk, Cymbals, Glocken und anderweitigem Geklapper, um diesem tonalen wie gleichermaßen atonalem Gebräu einen halbwegs greifbaren Rahmen zu geben. In den wenigen Passagen, in denen Graham Lewis singt, schimmert ein Hauch vom Wire-Avantgarde-Pop durch, weitaus mehr nur eine Ahnung oder homöopathische Dosis als ein verlässlicher Anker zum Festmachen vertraut-konventioneller Popularmusik-Muster.
Pure Schönheit im Auge des chaotischen Klang-Gewitters, die sich für die Schuhe-glotzende, Melodie-affinere Postpunk-Gefolgschaft selbstredend schnell in das schreckliche Gegenteil verkehren kann.
(*****)

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