Die Erinnerungen an das vergangene Raut Oak Fest am schönen Riegsee wehen noch angenehmst nach, die 2018er-Neuauflage wirft bereits ihre Schatten voraus, damit sich das Warten auf den kommenden Sommer angenehmer gestaltet, lud Festival-Betreiber und AWay-Konzert-Booker Christian Steidl für vergangenen Freitag-Abend ein Hochkaräter-Doppelpack in die Garage Deluxe auf dem demnächst weggentrifizierten Optimol-Gelände hinter dem Münchner Ostbahnhof, das Deep-Blues-Volk pilgerte zahlreich wie dankbar und sorgte für eine volle Lokalität beim Vorgeschmack auf das nächstjährige Raw-Underground-Open-Air vor grandioser oberbayerischer Berglandschaft.
Den stimmigen Abend eröffnete das Trio Donkeyhonk Company mit ihrem Hallertau-Blues, der einen weiten Bogen spannte von den Schwarzbrenner-Hütten der US-Südstaaten-Swamplands bis zum lamentierenden Sinnieren vor dem dritten oder achten Bier im bayerischen Wirtshaus, der Uptempo-Bluegrass und Muddy-Roots-Hardcore-Countryfolk der Band aus den Badlands zwischen Ingolstadt und München funktioniert in der Muttersprache wie im Englischen gleichermaßen prächtig, die bayerischen Song-Texte im balladenhaften Moritaten-Blues sind Gottlob weit von Söllner’scher Brachial-Kraftausdruck-Lautmalerei wie von absurd-befremdlichem Kofel-Gschroa entfernt, vielmehr im Nachdenken, kritischen Hinterfragen und im Nachspüren düsterer Gedanken verhaftet, was die „Honkrock“-Nummern weit aus dem Sumpf der neu-bayerischen (Volks-)Musiziererei herausragen lässt, in der sich immer mehr die Blindheit vor dem Umstand breitmacht, dass Deppen-Texte aus der bayerischen Indie-Ecke trotzdem nur Deppen-Texte bleiben, aber das ist dankenswerter Weise eine Thematik, um die sich die Company keine Gedanken machen muss.
Den internationalen Vergleich muss die Formation auch nicht scheuen, nur wenigen ist es gegeben, das Material des großen Tom Waits zu adaptieren, ohne dabei peinliche Berührtheit auszulösen, der Donkeyhonk Company gelang dieses Kunststück an dem Abend mehrfach, Frontmann Lametto brachte sein rauhes, voluminöses Blues-Organ wie seine beseelt-gespenstischen Akkorde auf Banjo und Wandergitarre optimal zur Geltung in einer Speed-Flamenco-Version von „Jockey Full Of Bourbon“ sowie weitaus originalgetreueren Interpretationen von „Way Down In The Hole“ und dem „Blood Money“-Stück „Starving In The Belly Of A Whale“, eine intensive Neuauflage der Leadbelly-Nummer „Where Did You Sleep Last Night“ rundete den Fremdkompositionen-Block ab.
Den rhythmischen Rahmen für die Polter-Blues-Klassiker wie das eigene Werk steckten gekonnt mit variabel-inspiriertem Getrommel Wig Drumbeat und Basser Don Pedro mit knarzendem Kontrabass-Schnalzen inklusive vehementer Bühnenshow in Richtung wilder Rockabilly-Hund, ein tragfähiges wie solides Fundament für die knurrenden, kompromisslosen Blues-Howler aus der Kehle des Grimassen-schneidenden Entertainers Lametto.
Das begeisterte Publikum wäre zur dankbaren Entgegennahme von mehr rohem Donkeyhonk-Blues bereit gewesen, Gelegenheit hierzu wird sich spätestens beim Raut Oak 2018 finden, das Trio ist bereits fest für das Lineup von 8. bis 10. Juni gebucht.
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Wie zu erwarten schraubten Gitarrist/Knurrhahn Fredrick „Joe“ Evans IV und Drummer Pete Dio nach der kurzen Umbaupause das Level hinsichtlich Trash und Intensität um etliche Stufen hoch, Left Lane Cruiser aus Fort Wayne/Indiana gelten bei der sachkundigen Hörerschaft als Bank schlechthin in Sachen Trailerpark-Blues, Rasiermesser-scharfe Slide-Gitarren-Glissandi und -Vibrato, stoischem Nach-vorne-Treiben der Rhythmik und wütendem Herauspressen der Verzweiflung über prekäre Lebensumstände und dem Verlangen nach dem nächsten Glas Hochprozentigem, diesem Ruf wurde das Duo vom Start weg gerecht. Der Heavy-Blues-Rock nahm im ersten Teil der ergiebigen Garagen-Messe derart Fahrt auf beim mentalen Seelen-reinigen und dem Zelebrieren des Schmutzigen, Geerdeten, Lauten wie unnachgiebig Zupackenden, womit dem Experimentieren mit einer kurzen Rap-Einlage und der Darbietung einiger geradliniger, für Band-Verhältnisse nahezu stumpfer Hardrock-Nummern kurzfristig die Luft auszugehen drohte, dem rabaukenden Tanzvolk war’s einerlei, sollte eine vom Start weg in allen Belangen auf Anschlag aufdrehende Formation wie Left Lane Cruiser kurzzeitig ein paar Minuten den Gang herunterschalten, trägt eben das Publikum das Feuer bis zum nächsten brachial-lärmenden Flächenbrand weiter.
Wenn ein Angus Young nicht schon vor Dekaden ein Schulranzen-schwingender Stadienrock-Kasperl, die Black Keys mit den Jahren nicht solche Langweiler geworden wären und Rose Tattoo mit der ersten, sehr guten Scheibe vor gefühlt hundert Jahren nicht ihr gesamtes Pulver verschossen hätten, dann hätten Left Lane Cruiser heutzutage vielleicht noch ein paar weitere ernst zu nehmende Mitstreiter in Sachen unverstellter Heavy-Slide-Vollbedienung an ihrer Seite, so darf man dem Herrgott zu jeder Gelegenheit für diese Combo als einzigartiges Ereignis auf Knien danken, wie auch dem Veranstalter Christian Steidl für wiederholtes Organisieren solcher Festivitäten.
Ob Left Lane Cruiser bei der nächsten Riegsee-Sause vertreten sein werden, wird sich beizeiten finden, immerhin am beidseitigen Willen wie optimistischen Hoffen mangelt es dahingehend derzeit nicht.
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