Progressive/Instrumental Deluxe in der Garage Deluxe, vergangenen Freitag-Abend am in naher Zukunft weggentrifizierten Münchner Optimol-Gelände, drei nordamerikanische Spielarten des Prog-Rock, einmal als Zeitreise back to the roots, zweimal aus dem Hier und Jetzt in die Zukunft gerichtet.
Das Paket öffnete der kanadische Gitarrist Nick Johnston zusammen mit seinem grundsoliden wie schwer groovenden Rhythmus-Duo, der Musiker aus Toronto befremdete eingangs mit einer an das Latin-Geschwurbel eines Carlos Santana angelehnten Softrock-Variante seiner Saiten-Kunst, um im weiteren Verlauf seines kurzen Opener-Konzerts dann zwar weiter stilistisch in den frühen Siebzigern verhaftet zu bleiben, dort offenbarte Johnston dann aber weitaus mehr selig entrückt die offensichtlichen Einflüsse von großen Vorbildern wie Ritchie Blackmore oder Jimi Hendrix in einem Spektrum zwischen sattem Blues-Rock und schwerem, melodischem Progressive-Hard-and-Heavy-Berauschen. Ein von Spielfreude und technischer Brillanz befeuerter, Gesangs-freier Auftritt im Geiste der Frühsiebziger-Power-Trios, in dem Bass und Schlagzeug ein tragfähiges Fundament für die ausgefeilten Gitarren-Soli legten – zweifelsohne eine rückwärts gewandte Retro-Nummer, die jedoch eindrücklich unterstrich, dass die Gebühren für die Gitarren-Stunden des jungen Mannes gut investiertes Geld waren, eine Einschätzung, die im Übrigen für alle auftretenden Musiker des Abends galt.
(**** ½)
Das Quartett Polyphia aus Dallas/Texas wartete im zweiten Teil des Abends mit einer energiegeladenen, kurzen Demonstration ihrer versierten Fertigkeiten im Bereich Math-Rock, Djent, Progressive- und Post-Metal auf, die beiden Gitarristen Timothy Henson und Scott LePage arbeiten seit 2010 zusammen und haben seitdem einen ureigenen Mix aus Melodik und Gitarren-dominierten Progressive-Eruptionen entwickelt, der sich zwischen extrem technischen, schwer greifbaren Harmonien und vertrauteren Heavy-Riffs bewegt und bereichernde, unterschwelligere Einflüsse aus dem weiten Electro-, Trance- und Techno-Feld erkennen lässt. Nicht jede Komposition mochte uneingeschränkt auf zugewandte oder aufnahmefähige Ohren stoßen, ein hohes Maß an Perfektion ist der individuellen Instrumental-Intensität der jungen Texaner in keinem Fall abzusprechen, gemeinsame Aufnahmen mit Ausnahme-Könnern wie Jason Richardson oder Intervals-Kopf Aaron Marshall, der den Hauptteil des Abends bestritt, unterstreichen dies nachdrücklich.
(**** – **** ½)
Beim letztjährigen „TAKE OVER DAZE Festival!“ im Rahmen der sommerlichen Backstage-free-&-easy-Veranstaltungen war er „nur“ der gefühlte Headliner, im Zuge der gemeinsamen Progressive-Europa-Tour stand Aaron Marshall dann tatsächlich mit seinem Band-Projekt Intervals dem Feld vor, rührte die Werbetrommel für das Anfang Dezember erscheinende Album „The Way Forward“ und berauschte das zahlreich erschienene Münchner Prog-Metal-Volk einmal mehr mit einem beeindruckenden Sound-Orkan, im Überholspur-Tempo überrollte der kanadische Gitarren-Wizard im Verbund mit den auf gleichem exzellenten Niveau agierenden Mitmusikanten Jacob Umansky am sechs-saitigen Bass und dem in technischen Fertigkeiten in nichts nachstehenden Gitarristen Sam Jacobs die Zuhörerschaft mit intensiven Progressive-Metal-Soli, erratischen Djent-Riffs, ausladender Postmetal-Opulenz und vertrackten Tempi-Wechseln, getrieben von Nathan Bulla an den Drums, der seinen Job Respekt einflößend mit der intuitiven Finesse eines Jazz-Drummers und vollem Körpereinsatz wie druckvoll-wuchtigem Anschlag versah, angenehmste Erinnerungen an lange zurückliegende Aufführungen von Hardcore-Schwergewicht Sim Cain/Rollins Band wurden wach. Ein gewitzter, irrsinniger wie intensiver, Aufmerksamkeit fordernder Auftritt, der vor allem die flinke Fingerfertigkeit der einzelnen Bandmitglieder herauskehrte – und einmal mehr unterstrich, dass der Progressive-Metal-Kenner nichts mit Moshen, Slamen und Headbangen, dagegen viel mit konzentriertem Hören und Beobachten am Hut hat, würde doch ansonsten das akrobatische Agieren am Griffbrett vollends am bewundernden Staunen vorbeilaufen.
Zum Ausklang zitierte Aaron Marshall die Gitarristen Nick Johnston und Scott LePage erneut auf die Bühne, in einer gemeinsamen Jam-Session übertrumpften sich die Saiten-Tüftler in Jazz-Rock-artigen Phrasierungen gegenseitig im filigranen wie beseelten Spiel, ein Konzert-beschließender Abgang, der sichtlich nicht nur den Musikern viel Spaß bereitete.
An Abenden wie diesen schleichen sich massive Zweifel ein über die Sinnhaftigkeit der „Beste-Gitarristen-aller-Zeiten“-Rankings diverser Mainstream-Postillen, „De mortuis nil nisi bene“, keine Frage, den ein oder anderen lebenden Saiten-Gott aus diesen Auflistungen mag man durchaus auch weiter anbeten, jedoch legt die am Freitag gezeigte technische Brillanz von Ausnahme-Musikern wie Marshall und Konsorten den Verdacht nahe, dass der Bartel im Jahr 2017 den Most dahingehend ganz wo anders holt…
(**** ½ – *****)
Klasse! Macht Spaß, dem zuzuhören.
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Ja, absolut. Die Herrschaften können schon was.
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