Reingehört (422): Television Personalities

„If I could write poetry I would write a thousand poems to tell the world that I love you.“
(Television Personalities, If I Could Write Poetry)

Television Personalities – Beautiful Despair (2018, Fire Records)

Die guten alten Television Personalities: Sie haben sich seinerzeit über Teilzeit-Punks lustig gemacht, wussten, wo Syd Barrett wohnt, und grübelten über die Frage, wo Bill Grundy abgeblieben ist – Ihr wisst schon, der Moderator, der 1976 in der britischen TV-Show „Today“ die Pistols-Rotzlöffel dazu animierte, ihn übelst mit Verbal-Unflat zu überhäufen und damit einen landesweiten Skandal auslöste und, der Legende nach, etliche kreuzbrave Familienväter auf der Insel dazu brachte, kurzerhand zu der Gelegenheit in einem Anfall von Tobsucht die Mattscheibe der heimischen Glotze einzutreten, aber das ist dann eine andere Geschichte, zurück zu Dan Treacy und seinen Fernseh-Persönlichkeiten, die laut eigenem Tonträger-Titel „Bigger Than The Beatles“ hätten werden können, in einer besseren Welt als der unseren wäre das allemal so gekommen, in einem Pop-Paradies, in dem Song-Perlen wie „King And Country“, „Smashing Time“ oder „Look Back In Anger“, mindestens aber die überirdische Herz-Schmerz-Hymne „If I Could Write Poetry“ (einer der ganz wenigen Love-Songs für die Ewigkeit) wochen-, gar monatelang die Spitzenpositionen jeglicher Hitparaden belagert hätten anstelle von irgendwelchem urfaden McCartney-Gewäsch.
Reguläre Alben gab’s schon eine ganze Weile nicht mehr von den Psychedelic-/Indie-Pop-Kulthelden zu vermelden, Dan Treacy laborierte die letzen Jahre an den Folgen einer Gehirn-Operation, was ihn hinsichtlich Musizieren und Komponieren komplett aus der Bahn schmiss. Das englische Fire-Records-Label kommt dieser Tage mit Demo-Aufnahmen ums Eck, die Treacy Anfang der Neunziger gemeinsam mit seinem damaligen Kollaborateur Jowe Head (of Swell Maps/Palookas-Fame) in dessen Butze mithilfe ihrer Gitarren, einer simplen Drum-Maschine und eines Vier-Spuren-Aufnahmegeräts in heimischer Bastelarbeit zusammenschusterte, eine Sammlung von 15 Duo-Aufnahmen im unbedarften LoFi-Outfit, die zum Teil in fertigproduzierter Form auf dem 1992-TVP-Album „Closer To God“ auftauchten oder eine Weile das Live-Repertoire der Band bereicherten, zu Teilen aber auch für die nächsten Dekaden in den Tiefen irgendeines Archivs verschwanden.
Die Song-Skizzen bieten das erwartete LoFi-Indie-Geschrammel mit diesem typisch unschuldig-naiven Treacy-Gesang, griffige, großartige Musik zwischen Gitarren-Scheppern und einem untrüglichen Gespür für einnehmende Melodien, unterlegt mit einem rudimentären Beat aus der heimischen Do-It-Yourself-Box. Charmante, euphorische Alternative-Pop-Hymnen, dazwischen spinnertes Geträller in gefährlicher Monty-Python-Nähe und Neo-Psychedelic-Spielereien, die sich gerne auch bei orientalistischer Folklore und Reminiszenzen an die Pink-Floyd-Frühphase bedienen (also der letztendlich einzig brauchbaren, womit wir wieder bei Syd Barrett wären).
Rohentwürfe, die bei entsprechender Nachbehandlung und Ausarbeitung im Studio das ein oder andere Kleinod abgeworfen hätten/haben und damit die ganze Pracht der Personalities offenbarten, so aber in ihrem unfertigen Ansatz als Sinnbild für die jahrzehntelang nie richtig in Gang gekommene Karriere der Band stehen.
Beileibe nichts, was die heimische Plattensammlung um Lichtjahre nach vorne schmeißt, aber was soll man sagen, der altgediente TVP-Fan braucht die Zusammenstellung trotzdem zum persönlichen Glück, eh klar.
Bill Grundy ist im Übrigen heute auf den Tag genau vor 25 Jahren im zarten Rentner-Alter von 69 in Stockport an einem Herzinfarkt verstorben, schätzungsweise als Spätfolge der ganzen Schweinereien, die ihm Rotten, Matlock und Co seinerzeit im Fernsehstudio an den Kopf geschmissen haben – den „Part Time Punks“ war’s einerlei, sie haben das Sex-Pistols-Album damals im Nachgang zur TV-Pöbelei gekauft wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, dafür aber dummerweise die feinen TV-Personalities-Scheiben im Plattenladen vergammeln lassen wie schimmliges Brot, ewig schade eigentlich…
(**** – **** ½)

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