Die Münchner Konzertveranstalter vom Tapefruit-Fanzine schnürten am vergangenen Donnerstagabend ein feines Paket an anregender Beschallung für das Eingrooven in den Wochenausklang, die leider nur wenigen Unverzagten, die das Verlassen der heimischen, geheizten Butze hinaus in den Permafrost der Isarmetropole in Richtung subkulturelle Import/Export-Kantine wagten, sollten ihr Kommen nicht bereuen.
Den Auftakt des Abends bespielte der in zahlreichen Münchner Bands wie den Grexits, Majmoon oder Zwinkelman engagierte Musiker und Maj-Musical-Monday-Organisator Josip Pavlov mit seinem Postrock-Outfit Ippio Payo, an dem Abend wie bereits auf seinem exzellenten 2017er-Tonträger „All Depends On Nature“ vom ortsansässigen Meister der Trommelstöcke Tom Wu begleitet. In gut 40 Minuten entwarfen Pavlov und Wu einen betörenden, rauschhaften Instrumental-Klangkosmos aus vehementen Gitarren-Drones und -Loops, einer gewichtigen Progressive-Rock-Psychedelic, die an dem Abend dann und wann mit unerwarteter Härte und Direktheit präsentiert wurde, und hypnotischem Postrock-Flow, die repetitiven Gitarrenwände und experimentellen Klangskulpturen erfuhren selbstredend durch das virtuose Trommeln des kongenialen Kompagnons zusätzlich Finesse, Drive und Volumen.
Zwischen das direkte Zupacken der harten, lärmenden, jedoch stets melodisch ansprechenden Prog-Rock-Dramatik integrierten Ippio Payo geschickt dezente Anklänge an kontemplativen Trance-Space wie auch unterschwellige, in dem Kontext schwer auszumachende Zitate aus der Balkan-Folklore, für die Zuhörerschaft eine Milderung und Erdung des entfesselten Sound-Orkans, wie auch durch das grandios in sanften Wellen und minimalistischen Strukturen schaukelnde „Fisherman“ vom aktuellen Album.
Josip Pavlov, ein Musiker ganz bei sich und seiner Kunst, beschloss solistisch – wie im vergangenen Jahr auch bei seinem Auftritt in der Bergschmiede – mit der anrührenden, schwer ergreifenden, getragenen Loop-Komposition „Another Green World“, die tatsächlich die Eno-typische, schwer greifbare Electronica-/Ambient-Pop-Klangsprache perfekt zu zitieren wusste und damit ohne jeden Zweifel jederzeit neben Klassikern wie „St. Elmo’s Fire“, „In Dark Trees“ oder „Sky Saw“ vom 1975er-Meilenstein des englischen Sound-Pioniers bestehen würden. Ein würdiger Abschluss einer beglückenden, kompakten Tonal-Vollbedienung, die dringendst nach Tonträger-Einspielung und Veröffentlichung verlangt.
(***** – ***** ½)
Gibt’s ja ab und an, diese Konzerte, zu denen man zuvorderst wegen des Support Acts antanzt, umso genehmer, wenn die angekündigte Hauptattraktion des Abends dann auch noch was auf der Pfanne hat. Die fünf in Berlin ansässigen Chilenen von Chicos de Nazca zelebrierten eine gepflegte Spielart ihrer ureigenen Prärie-Psychedelic, die den ein oder anderen Altrocker gefällig mitwippen, das Haupt in der stoischen Rhythmik dezent zucken und vor allem die blonden Schönheiten aus dem hinteren Theken-Bereich des Import/Export endlich in ihrem den konzertanten Vortrag störenden Geschnatter verstummen und in den zugewandten Tanzmodus übergleiten ließ.
Francisco „Kb“ Cabala und seine Mannen aus Santiago de Chile zeigten in ihrem einnehmenden Vortrag ohne große Präliminarien vom Start weg, wo die Space-Out-Reise für den Rest des fortgeschrittenen Abends hingehen sollte. Wo die Südamerikaner auf ihren gefälligen Tonträgern die Länge der Songs im konventionellen Bereich halten und auch Elemente aus Rave, Sixties-Geschrammel und Fuzz-/Jangle-Pop zu ihrem Recht kommen lassen, gestaltet sich der Live-Vortrag des Quartetts weitaus zupackender, die Songs um ein x-faches in die Länge gestreckt, weniger verspielt, schwerst Neo-Psychedelia-/Shoegazer-verhallt und schlichtweg ergreifend härter im Rock’n’Roll-Anschlag inklusive aufjaulender Gitarre, Wah-Wah-Verzerrungen, Casio-Georgel, in die Länge gedehnter Sound-Orgien und einer spukhaften, gespenstischen Desert-Atmosphäre. Ob dieses ausladende, ellenlange Ergehen in prächtiger Gitarrensoli-Herrlichkeit und minutenlange, immer gleiche, hypnotische Rhythmus-Halten vom ausgiebigem, von Substanzen-Konsum begleitetem Starren auf den chilenischen Salar de Atacama inklusive psychedelischem Farbenspiel bei Sonnenuntergang herrührt, von ein paar Bieren im Sommer am Berliner Wannsee oder einfach nur von einer Überdosis Hendrix, Eleventh Dream Day oder Roky Erickson, wir wissen es nicht, das Resultat hat sich in jedem Fall sehen respektive hören lassen, schade nur, dass so wenig Mitreisende diesen heftigen Sound-Trip begleiteten.
(**** 1/2 – *****)
Die nächsten Tapefruit-Konzerte in München:
24.03.2018 – The Underground Youth + Blue Haze – Import/Export
01.04.2018 – Bleib Modern + Paar – Milla
02.04.2018 – Soviet Soviet + Kill Your Boyfriend – Milla
05.05.2018 – G.Rag/Zelig Implosion Deluxxe + Tom Wu – Import/Export
02.06.2018 – Knobs & Wires – Import/Export