„In the long run we are all dead.“
(John Maynard Keynes, Tract on Monetary Reform)
Totentanz mit den Dead Brothers am vergangenen Donnerstag-Abend im Münchner Import/Export, zum pietätvollen Leichenschmaus haben die rührigen und wie immer stilsicheren Veranstalter vom Clubzwei in die Kantine im Zwischennutzungs-Quartier an der Dachauer Straße geladen, die ortsansässige Trauergemeinde folgte dem Aufruf zur Ehrerbietung zahlreich und ließ die Messe zu einer sehr gut besuchten gelingen.
Schauspieler (u.a. of M.A.Littler-Movies-Fame), Sänger und Gitarrist Alain Croubalian und seine höchst lebendigen Genfer Schwestern Andrea und Jane resp. Brüder Leon und Tobi starteten ihr Leichenbegängnis aus dem Off im hinteren Bereich des Zuschauerraums mit einer getragenen alpenländischen Volksweise und ergingen sich sodann auf der Bühne angekommen in den Totengesängen ihres reichhaltigen Schaffens, die Schweizer Funeral Band hat es seit der Jahrtausendwende auf inzwischen respektable acht Tonträger gebracht, Liedgut wie „Ghost Train“, „Baron Samedi“, das nahe liegende „Everything’s Dead“, der beschwingte Soul im „Did We Fail?“-Blues oder die paranoide Robert-Walser-Rezitation im Titelstück des jüngst erschienenen, exzellenten Dead-Brothers-Albums „Angst“ erklangen am offen Grab nebst älteren ergreifenden Weisen wie „Heart Of Stone“, „Black Moose“, „Dark Night“ und dem Folk-Standard-Abschiedsgruß „Fare Thee Well“.
Das Quintett schaute gründlich, eindringlich und vor allem im musikalischen Vortrag höchst ansprechend hinter den schwarzen Spiegel und widmete sich in gebührendem Respekt in Form und Inhalt den letzten Dingen und dem sprichwörtlich letzten Hemd, das bekanntlich keine Taschen hat. Croubalian gab als ausgewiesen erfahrener und mit entsprechenden Talenten gesegneter Bühnenmensch den angeschrägten, geheimnisvollen Jahrmarkts-Conferencier, das melancholische wie virtuose Violinen-Spiel gab Trauer-Hilfe, die Pauken, Trommeln, Becken, das Banjo und die Gitarre schepperten mächtig wie das Knochen-Klappern in der Gruft, die Tuba grollte dem Jüngsten Gericht gleich und erdete im dunklen Brummen den Bass ersetzend die beschwörenden Gesänge.
Stilistisch lässt sich die Schweizer Kapelle seit jeher nicht final kategorisieren, das verleiht dem Tanz auf den Gräbern nach wie vor den spannungsgeladenen Nachdruck und die einzigartige Note. Den Grundtenor stimmt selbstredend der Trauermarsch an, übergreifend erweitert zum düsteren Südstaaten-Swamp-Blues und zur Bühnenbeschallung in Anlehnung an Kurt Weill, geschmückt mit sinisteren Anklängen an die Variete-Kunst des Vaudeville, an morbiden französischen Chanson, experimentierend mit der rohen, wilden Energie des Punk wie mit traurig-schönen, Ohren-schmeichelnden Elementen aller möglichen Folklore vom Alpenland bis in den Balkan, mit Jazz-artiger, leiernder Beschwingtheit, kammermusikalischer Erhabenheit und dem unheimlichen Cajun- und Zydeco-Gesumpfe aus den Feuchtgebieten Louisianas. A schöne Leich‘, Dead & Gone, ins Transglobal-Crossover-Grabtuch gehüllt.
Kein Leichenschmaus ohne ordentliches Besäufnis: Den Trauerzug beschloss die Combo mit einem letzten Gruß von der Bühne herunter durch die Publikums-Scharen in Richtung Tresen ziehend, auf dem die fünf Musikanten sich dann auch prompt prominent exponierten und den Zugabenteil auf der Theke des Import/Export stehend nebst ein paar schwungvollen Gospelnummern aus dem amerikanischen Süden mit einer intensiven „Ramblin‘ Man“-Interpretation beschlossen, einer würdigen Verneigung vor dem großen Melancholiker und Gottvater der amerikanischen Country-Musik Hank Williams, Soul-Brother der Dead Brothers (and Sisters) im Geiste, ein über die Maßen passender Abgesang, wusste doch auch der viel zu früh im zarten Alter von 29 Lenzen dahingeschiedene Hiram aus Butler County/Alabama, dass er aus dieser Welt niemals lebend rauskommen wird…
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Das Totenlieder-Anstimmen der Dead Brothers macht ab heute an folgenden Stations of the Cross Halt, Teilnahme und Erscheinen im Trauerflor ist angezeigt:
19.03.2018 – Münster – LWL Museum
20.03.2018 – Frankfurt – Zoom
21.03.2018 – Köln – Museum
22.03.2018 – Haarlem – Patronaat
23.03.2018 – Middelburg – De Spot
24.03.2018 – Utrecht – DB’s
29.03.2018 – Schaffhausen – Taptab
31.03.2018 – Winterthur – Gaswerk
01.04.2018 – Wädenswil – Theater Ticino / Pâqu’son Festival
06.04.2018 – St.Gallen – Grabenhalle
Einige Bandmitglieder beleben ja seit Ewigkeiten die Schweizer Rock/Folk Szene (Landstrichmusig, Patent Ochsner, Echo, d’Giigemaa), andere wiederum stecken in der Theater-, Comedy- und Film-Szene (Les Trois Suisses, 9 Volt Nelly) – Einige sind Orchesterleiter oder Italienische Sänger. Und bevor die Dead Brothers überhaupt zusammenfanden, spielte Alain Croubalain 17 Jahre bei der Genfer Punk’n’Roll-Band The Maniacs.
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Ja, so ist/war das. Erklärt in jedem Fall die exzellente Bühnenpräsenz der agierenden Musiker_Innen.
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Auf jeden Fall sehr gute Begräbniskapelle: Am Schluss bleibt der Blues.
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So isses…
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