Reingehört (445): Gulfer

Gulfer – Dog Bless (2018, Big Scary Monsters)

Vier aufgeweckte junge Burschen aus Montreal/Quebec, die wissen, wo der Indie-Hammer hängt. Großmauliges Auftreten im Sangesvortrag, wie er im Rock ’n‘ Roll seit vielen Dekaden bestens funktioniert mittels Herauskehren der jugendlichen Unbeschwertheit und Hinausposaunen der unverstellten Gedankengänge, orchestriert mit einer simplen, unkomplizierten wie effektiven und griffigen Melodik aus dem Alternative Rock, die heutzutage in der Sparte weitestgehend mit der Lupe zu suchen ist, und einer Präsenz an flotten, sprunghaften, die Rhythmik bestimmenden Tempi-Wechsel in allen möglichen nervösen Math-Rock-, Prog- und Emo-Spielarten, die die technischen Fingerübungen dankenswerter Weise nicht als sterile Demonstration der individuellen Fertigkeiten über Gebühr strapazieren, Tappings und Riffs führen eine gleichberechtigte Beziehung, sozusagen die friedliche Koexistenz der Math-Nummer neben den Emotionen, Herz und Hirn werden gleichermaßen stimuliert, die Hörerschaft darf sich neben intellektuellem Nachspüren des erratischen Sounds auch den großen Gefühlen hingeben, nicht wenig, was der zweite Longplayer „Dog Bless“ des kanadischen, seit 2011 aktiven Quartetts Gulfer in einer guten halben Stunde alles an Eindrücken parat hält.
Auf das erste Hören wie es scheint ein Album aus einem Guss, und doch stehen die Songtexte, die mit einer dem Punk der frühen Jahre entlehnten, quasi-euphorisierten Frische und Energie präsentiert werden, im krassen Gegensatz zur nicht minder druckvollen Beschallung, Sänger Vincent Ford lässt sich ergiebig über die Langeweile beim Abhängen in den eigenen vier Wänden und die Aspekte des Älterwerdens aus, wie über den bedauerlichen Umstand, dass Song-schreiben über Langweile und Älterwerden die Menschheit auch nicht groß vorwärts schmeißt.
Die Nummer hat seine große Zeit letztendlich auch schon wieder etliche Monde hinter sich und wird insofern in der Form heutzutage viel zu selten zum Vortrag gebracht, dabei hat es nichts Verwerfliches, wenn eine Band wie Gulfer mit diesem angereicherten Emo-Ansatz in einer Mischung aus Unverfrorenheit, Trotz und unbeugsamem Glauben an die eigene Sache munter vor sich hinschwadronieren und damit zwangsläufig selbst in die Jahre kommen, es ist schon so mancher Musikant aus der Steinzeit der Rockmusik mit weitaus schwindligerem Zeug Saison für Saison über die Runden gekommen, hat Literaturnobelpreise eingesackt oder Stadien mit dem immer gleichen Gedöns gefüllt…
(**** ½ – *****)

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