#dnk18, Tag 3. Nach dem inzwischen traditionellen Biervorräte-Auffüllen mit Trappisten- und anderem höher-prozentigem belgischem Gebräu wartete der Festival-Tag zum Einstieg mit ordentlich Sludge- und Doom-Metaller-Gepolter auf. Die Belgier von Huracán vermochten zum Auftakt nicht zum längeren Verweilen im großen Zelt einladen, zwingendere Argumente dahingehend hatte die Würzburger Kapelle Cranial zu bieten, die unterfränkische Band überzeugte mit einem stringenten, zupackenden Postmetal-Konzept, in dem sie ihr gutturales Kehlgebrüll gnadenlos durchzog. Typische „Love it or leave it“-Nummer, in dem Fall hat es für beifälliges Wohlwollen gereicht, und zum letzten Kick in Richtung Wach-werden war’s allemal schwer tauglich.
Speziell die Münchner Interessenten können sich davon demnächst einen eigenen Eindruck vor Ort verschaffen, Cranial spielen nebst Bands wie Converge und Dark Buddah Rising am 16. Juni beim Saint Helena Festival 2018 im Feierwerk. Gehörgänge-schonende Ohrenstöpsel nicht vergessen…
Das Hamburger Drone-Doom-Duo Father Sky Mother Earth hat beim allerersten außerdeutschen Auftritt der noch jungen Bandgeschichte mit der Waldbühne des dunk!Festival selbstredend bei weitem nicht den schlechtesten Start in Richtung Auslandseinsätze erwischt, wie auch das Publikum kaum genehmer in die Open-Air-Runde im Grünen hätte einsteigen können. Bei angenehmsten frühsommerlichen Temperaturen ließ es sich gut vor die Waldbühne lümmeln und gebannt den Klängen der jungen Männer Seel und Gerull lauschen, die – das mochte die latent irritierende Salafisten-Gewandung erklären – eingangs mit orientalischen Elementen in ihren meditativen Kraut/Space/Psychedelic-Drones aufwarteten und die gedehnte Klangreise mit gesampelten Drums, gelooptem Noise-Gelichter und vor allem ihren analogen, fräsend-wummernden Gitarren/Bass-Läufen zu einer sich steigernden, zähen Doom-Metal-Intensität trieben, die Trance-artig in kontemplative Zustände zu versetzten wie begeistern wusste. Die bundesrepublikanischen Vertreter waren in diesem Jahr in Velzeke generell mit sicherer Hand verlesen, mit den beiden jungen Doom-Hanseaten ist dem Planungskomitee ein besonderer Griff gelungen. In der Form hoffentlich irgendwann auch in unseren südlichen Breitengraden zu genießen…
„One guitarist anchors a rock band’s sound. Two guitarists open space for the second to grow and expand a limited foundation, allowing for more freedom and experimentation. But the addition of a third guitarist makes a band really interesting – crazy, cataclysmic, soul-shaking interesting“. Die Kanadier von Appalaches haben sich für letztere Variante entschieden und kreieren damit wunderschönen, hymnischen Postrock nach allen Regeln der Kunst, eine verspielte und vielschichtige Instrumental-Kunst, mit der die Band aus Montreal höchsten Ansprüchen in der Liga von Mogwai, Explosions In the Sky oder Caspian gerecht wird. Von den „klassischen“ Postrock-Bands beim diesjährigen dunk! eine der angenehmsten und erhebendsten, was kann es an Lob mehr geben?
Appalaches spielen am kommenden Pfingstmontag, 21. Mai, im Rahmen des 8. Noise Mobility Festivals in der Münchner Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7, die Konzerte beginnen ab 21.00 Uhr – dicker Tipp!
jeffk aus Leipzig setzten den in den fraglichen drei Tagen sich permanent verstetigenden #dnk18-Trend exzellenter „Forest“-Stage-Auftritte mit treibender Instrumental-Postrock-Energie fort, das Powertrio überzeugte völlig mit einem Bass-lastigen Drive, hartem wie filigranem Drängen in die vorderen Linien und heftigen, nervös-flirrenden Gitarren, speziell der pulsierende Saiten-Groove weckte Erinnerungen an Glanztaten der US-Kollegen von Maserati, was in dem Genre beileibe nicht die schlechteste Referenz ist. Dabei hingen jeffk keineswegs im Epigonentum fest, die Band paart ihre ausgewiesenen technischen Finessen mit einer eigenen PR/PM-Vision, die Härte, Seele und Gespür für die ausgewogene Balance zwischen Melodie und Rhythmik erkennen lässt.
Die südkoreanischen Kollegen von Jambinai 잠비나이 mussten im Vorjahr bedauerlicherweise ihren geplanten dunk!-Auftritt kurzfristig absagen, so war die chinesische Band Zhaoze 沼泽 nach den #dnk15-Auftritten der Landsmänner von Wang Wen 惘闻 und der japanischen Postrock-Götter Mono erst die dritte asiatische Formation in der dreizehn-jährigen Historie des Festivals. Das Quartett aus der südchinesischen Millionenstadt Guangzhou hat seit der Jahrtausendwende zahlreiche Tonträger veröffentlicht und zählt wie die kürzlich in München aufgetretenen Wang Wen 惘闻 zu den bekanntesten und besten Postrock-Bands im Reich der Mitte. Hoyliang, der Bandleader mit der Intellektuellen-Brille, war weltweit der Erste, der die Guqin, eine Griffbrett-Zither aus der jahrtausendealten chinesischen Musiktradition, als ein elektrisch verstärktes Instrument bespielte, dementsprechend ist der Hybrid-Sound von Zhaoze 沼泽 aus Ambient, westlichem Postrock, cineastischen Kompositionen im Geiste von Zamfir und Morricone und Prog-Psychedelic vor allem durch den Klang dieses Saiten-Instruments dominiert, was dem elegischen, beseelten Klangbild auf der Hand liegend den ureigenen asiatischen Charakter und einen hohen Wiedererkennungswert verleiht. Wunderschöne Musik und der wahre Soundtrack für Tarantinos „Kill Bill“-Doppelpack.
„Wir haben auch Wälder in der Slowakei, da gehen wir ab und an hin, pfeifen uns was ein, sinnieren über das Leben und warten, bis die Ideen zu unseren Nummern kommen“, meinten die Mannen von The Ills, damit passte das Quartett aus der Hauptstadt Bratislava wohl wie kaum eine andere ins satte Grün des Unterholzes, wie auch ihr romantischer Shoegaze-Math-Rock, mit dem die Combo so manch technische Trümpfe ausspielte und ihre organischen Klangwellen um die verharzten Baumstämme schmeicheln ließ.
Kurz nach der ersten chinesischen gab sich die erste indische Band beim dunk! ihr Stelldichein, nach eigenen Worten trachteten aswekeepsearching seit zwei Jahren nach einer Berücksichtigung im Festival-Lineup (daher rührend vielleicht der Bandname?), in der 2018er-Ausgabe hat es für die junge Band aus der Nähe von Bombay endlich geklappt, zur offensichtlich beidseitigen Freude von Musikanten wie Publikum. Wo sich eingangs noch dezenter Zweifel einschlich bei Gesangs-begleiteten, ätherischen Songs, die wiederholte Male in 80er-Wave-Belanglosigkeiten wegzukippen drohten, trieb das indische Quartett ihren emotionalen Vortrag schnell weitaus mehr überzeugend im Uptempo-Drive in Richtung Djent, Math-, und Postrock-Hymnen, die sich vor keinen großen Namen verstecken mussten. Das stetig sich steigernde Zutreiben auf eine finale Klimax entlud sich in frenetischem Applaus seitens der Zuhörerschaft, den sich die Band letztendlich redlich verdiente.
Schreit nach Wiederholung, und die gibt es beispielsweise am 1. Juni im Orangehouse des Münchner Feierwerks, asweekeepsearching werden an dem Abend zusammen mit den schwedischen Postrockern und letztjährigen dunk!-Teilnehmern pg.lost auftreten.
Eine Handvoll Bands vom 3. Festivaltag fehlt hier in der ausführlichen Würdigung: Die Amis von Tides Of Man konnten mit austauschbarem Postrock-Durchschnitt im großen Zelt nicht fesseln, zu Les Discrets als seinerzeit letzte für das #dnk18 angekündigte, lange zurückgehaltene, im Vorfeld mit viel Geheimnistuerei begleitete Band gab es bereits einige Woche zuvor nur ratloses Schulterzucken (im Vorjahr zauberte man über die Schiene mit den Swans einen echten Kracher zum Zungenschnalzen aus dem Hut!), live mochte die Shoegazer-Indie-Spielart des Genres aus dem Alcest-Umfeld auch nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen, und für den letzten Waldbühnen-Auftritt der UK-Synthetiker von Worriedaboutsatan aus Yorkshire fehlte im Vorfeld zum heraufziehenden Russian-Circles-Orkan schlichtweg der Nerv, obwohl das Electronica-Techno-Treiben der beiden Briten zu anderer Gelegenheit vermutlich viel Freude beim Abzappeln bereitet hätte.
„Love is not a Victory March“ hat Leonard Cohen einst in seiner später von John Cale veredelten Hymne „Hallelujah“ angemerkt, das mag so sein in den komplizierten Liebesbanden, ein Konzert der US-amerikanischen Postmetal-Götter von Russian Circles hingegen ist in der Regel stets ein einziger tonaler Siegeszug, so nicht anders beim großen dunk!-Finale in der Samstagnacht im großen, vollbepackten Festival-Zelt.
Zwei Jahre nach ihrem erschütternden, auch auf Tonträger konservierten Auftritt an selbem Ort unterstrichen die Herren Sullivan, Turncrantz und Cook einmal mehr, warum sie sich wie kaum eine andere Formation bei den Headlinern dieses Festivals quasi als Primus inter pares förmlich aufdrängten.
Wo die Band vor zwei Jahren atonale Interludien en masse zwischen die einzelnen Nummern packte und sich immer wieder den Weg freispielte in erkennbare Melodiebögen und Strukturen, stimmte das Trio am Samstag für individuelle Verhältnisse geradezu luftige Space-Intermezzi an, der Wucht, Virtuosität, den zentnerschweren Bass-Drones und der Erhabenheit der exzellenten Gitarrenwände Mike Sullivans in Instrumental-Preziosen wie „Vorel“, „309“, „Mota“ oder „Afrika“ tat dies keinen Abbruch. Russian Circles bleiben die Götter im Olymp des Postmetal, wenn auch in vergangenen Jahren in der konzertanten Vollbedienung ab und an eine Spur mehr Schärfe, Härte, kompromissloserer Zugriff, rauschhaftes Überwältigen war. Wer weiß, vielleicht muss der vielbeschäftigte Basser Paul Cook nach seinen jüngsten Attacken auf die Hörgewohnheiten im Verbund mit den Experimental-Metallern Sumac und dem japanischen Ausnahme-Experimentierer Keiji Haino einen Gang zurückschalten, wird ja keiner jünger…
Als quasi Schwanengesang auf die 2018er-Ausgabe des belgischen Postrock-Hochamts stimmten Russian Circles das großartige „Mládek“ vom rundum sehr großartigen Band-Meilenstein „Empros“ an, treffender hätte die Band nicht wählen können mit einem Stück, das den Flow des Postrock mit der Energie der instrumentalen Metal-Spielart wie kaum ein anders in Einklang bringt, und dann war Schluss, ein ungläubiges Staunen machte sich breit, bedauernd ob dem Umstand, dass Russian Circles nach einer begeisternden Aufführung zu keiner Zugabe mehr zu bewegen waren, leicht wehmütig aber vor allem dahingehend, dass drei wunderbare Festival-Tage unwiederbringlich wie im Flug dahinschwanden und der Konzert-Reigen tatsächlich an dem Punkt zu seinem Ende fand.
Wie oben erwähnt, die drei Tage dunk! 2018 vergingen viel zu schnell, ein untrügliches Zeichen dafür, dass einmal mehr wieder so ziemlich alles auf den Punkt gepasst hat am Platz und in den Räumlichkeiten des Jeugdheem der Populier in Velzeke/Zottegem. Von der exzellenten Organisation, den freundlichen und stets zuvorkommenden freiwilligen Helfern, dem leckeren Catering, der idyllischen Camping-Umgebung und dem sauberen Zustand der sanitären Anlagen ist man nach einigen dunk!-Runden nicht mehr überrascht, weiß es aber nach wie vor in höchstem Maße zu schätzen.
Die Rückkehr zum Zwei-Bühnen-Konzept kann nur gelobt werden, die zeitlichen Überschneidungen im Vorjahr führten zwangsläufig zu nicht gewollten Streichungen in der Konzertplanung. Ein Hoch auch auf die Beibehaltung der im letzten Jahr erstmals bespielten und bewährten Waldbühne, relaxter und in entspannterem Ambiente kann man experimentelle Musik kaum genießen als am Waldhügel vor der Naturkulisse.
Gleiches Lob gilt für die Umwandlung des ehemaligen „Stargazer“-Zelts als Merchandising-Butze, mit dem wunderbaren Stand der supernetten Leute vom Bielefelder Kapitän-Platte-Label neben dem dunk!Records-Verkaufsangebot an prominentester Stelle.
Kulturforum-Betriebsausflug-Begleitung und angetroffene Bekannte vor Ort: ohne Euch wär’s nur der halbe Spaß gewesen. Publikum: vorbildlich. Preise: gibt’s nix zu knurren. Wetter: Schauer erst in der letzten Nacht, damit alles im grünen Bereich.
Gefehlt haben: das heuer eingesparte Festival-Programmheft im Pocket-Format. Und die exzessiven, Semi-Luftgitarren-Auftritte vom Festival-Man, den haben sie scheint’s schwerst eingebremst, Waldbühne war augenscheinlich No-Go-Area für den Guten, und im großen Zelt hat man ihn bei vergangenen Veranstaltungen auch schon weitaus mehr in seinem Element gesehen.
Wunsch für’s nächste Jahr: Etwas mehr experimentelleres Wagnis auf der großen Bühne. Oder Godspeed You!Black Emperor. Oder Wrekmeister Harmonies. Oder… oder einfach jetzt hier das Jammern auf hohem Niveau einfach gut sein lassen ;-))))
#dnk18 – es wird – so Gott will – wohl nicht das letzte Mal gewesen sein – Ostflandern / Velzeke / Jeugheem De Populier – Postrock home is where the heart is ♥
Hola Gerhard,
drei Tage am Stück derart viele Gigs; ich bewundere Dein Durchhaltevermögen einerseits und vor allem, dass Du aus allen Beiträgen immer noch das eine oder andere Besondere heraushören magst :-)
Weiß ned, ich würde höchstwahrscheinlich einfach irgendwann abschalten und es an mir vorübergehen lassen, egal wer da noch kommt und wie gut/schlecht er/sie dann auch sein mag. Von daher um es mit Jogi zu sagen: högschden Respekt :-)
VG
Stevie
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Servus Stevie,
besten Dank! Bei drei Tagen komm ich auch an meine Grenzen, keine Angst. Heuer war ja mal kurzfristig die Überlegung im Raum gestanden, anstelle vom dunk! nach Holland zum Roadburn zu fahren, das dauert 4 Tage und nach der letzten Woche merke ich, das mir das dann auch too much wäre…
Viele Grüße,
Gerhard
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Ich höre mich noch immer langsam und sehr genussvoll durch deine DUNK-Konzertberichte und bin am schwelgen. Hab wieder tolle neue Musik entdeckt – danke :)
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Das freut mich, Sabine! Wie gesagt, nächstes Jahr ;-))
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Ich glaub echt, ich komm mit :)
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Da rate ich dringend zu – und würde mich natürlich sehr freuen :-)
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