Die Postrock-Festspiele im Mai wie der Monat selbst neigen sich dem Ende zu, was könnte es Schöneres geben als das Vorhang-Fallen hierzu in der heimeligen Atmosphäre des Glockenbachwerkstatt-Saals, bespielt von zwei ortsansässigen Vorzeige-Bands aus der Sparte der instrumentalen Stromgitarren-Musik?
Das hier bereits des Öfteren in der Vergangenheit gepriesene Münchner Quartett Waves hat sage und schreibe 18 Monate seit ihrem letzten öffentlichen Auftritt in der Heimatstadt ins Land ziehen lassen wie personelle Umbesetzungen in der Rhythmus-Abteilung hinter sich, insofern höchste Zeit und große Freude ob der Rückkehr der Postrocker auf die Konzert-Bühne zum Auftakt des stimmigen Doppelpacks am vergangenen Donnerstagabend im gut besuchten GBW-Saal.
Mit neuem Drummer, neuem Bassisten, einer Handvoll neuer Stücke und Klangbild-erweiternder Ideen gestaltete die Band ihr einstündiges Comeback-Set, zu dem sie Gottlob ihren bis dahin bekannten musikalischen Kosmos nicht grundlegend komplett neu erfanden, die zahlreich erschienenen Fans durften sich nach wie vor weiden an den bewährten Qualitäten der Band – an vehementen Klangwellen, Wall-Of-Sound-Aufschichtungen, sich auftürmenden Gitarrenwänden, die wie in vergangenen Tagen das Gespür der Formation für große tonale Dramatik und packende, nahezu orchestrale Momente überwältigender Melodik offenbarten. Das explosive Element ist die eine Seite der Medaille bei Waves, was die Band zu den Poeten der Münchner Postrock-Szene schlechthin erhebt, ist ihr feines Gespür für dezenten Einsatz von Electronica-Samples und unaufdringliche Loops wie vor allem das Schwelgen zwischen den anstürmenden Postrock-Wogen in nahezu elegischer, entschleunigter Ambient-Schönheit und kontemplativem Gitarren-Trance-Flow, der in einem neuen Werk so von der Band in der Form erstmals gehört mit introvertiertem, Laut-malerischem Duett-Gesang aus dem rein instrumentalen Korsett befreit wurde, wie es etwa auch die schwedischen Postrock/Shoegazer-Kollegen von EF in weitaus ausgedehnterer Form zelebrieren.
Eine mit viel verdientem Applaus bedachte konzertante Rückkehr, die hoffentlich in naher Zukunft weitere Auftritte in heimatlichen Gefilden folgen lässt, wie auch das Dokumentieren der neuen Arbeiten auf Tonträger als Update zu den mittlerweile schon etwas älteren, exzellenten ersten beiden Waves-Alben „Stargazer“ (2015) und „Lights & Colors“ (2012).
Den zweiten Teil des abendlichen Postrock-Rundum-Glücklich-Pakets bestritten die mit Waves befreundeten und sich den Übungsraum teilenden Musikanten der Band Verstärker. Dem Münchner Power-Trio gelang ein exzellenter Start in den Gig mit einer energiegeladenen, schwerst frontal nach vorne gehenden Intensiv-Nummer, die Gitarren hymnisch Glocken- und Gesangs-gleich klingen lassend und die Grenzen zwischen Postrock und Postmetal in stilsicherer und großartiger Manier verwischend, Größen des Genres wie etwa Russian Circles oder Pelican gleich. Im weiteren Verlauf des Konzerts legte die vor Energie strotzende Band eine im Raum greifbare Freude am Experiment an den Tag, weitaus extrovertierter und euphorisierter als die in sich ruhenden Waves-Kollegen loteten die Musiker im modernen Indie-Rock-Kontext die Möglichkeiten des Postrock in ausgedehnten, üppigen Klangskulpturen aus, lange, ergiebige, von polternden Bässen, schnörkellos-treibenden, Tempi-wechselnden Drums und einer exzellenten Gitarren-Technik geprägte Instrumental-Monolithen in den Spielarten Kraut-, Space- und Progressive-Rock – Schlagzeuger Wolf Walter trug sein Retro-Pink-Floyd-Shirt vom 1973er-Carnegie-Hall-Auftritt im Rahmen der „Dark Side Of The Moon“-Tour der Prog-Altvorderen schwer vermutlich nicht aus Jux und Tollerei. Das mochte im Ausprobieren/Einflechten diverser Stile als Gesamt-Konzept zu Teilen latent erratisch aber dahingehend nicht weiter störend wirken, die Stücke für sich betrachtet zeugten jedoch immer von eigenem Charakter, atmeten Ideen-reiche Individualität, wussten somit völlig zu überzeugen und offenbarten wie die vorangegangenen Klangwellen der Übungsraum-Kollegen internationales Postrock-Niveau weitab von Schablonen-haftem Standard-Zitieren. Verstärker nehmen mit ihrem Bandnamen den Mund nicht zu voll, Bezeichnung ist Programm, nicht zuletzt auch hinsichtlich Dezibel-Stärke – so geht Rockmusik heutzutage. Schöne visuelle Bereicherung auch in Form belichternder Videoinstallationen von Tobias Van Der Osten aka Mourning Sun, by the way.