„In der dunklen Nacht der Seele ist es immer drei Uhr morgens.“
(F. Scott Fitzgerald)
Tecumseh – For The Night (2018, Consouling Sounds)
Mit der CD-Player-Anzeige von fünf Stücken und einer gesamten Laufzeit des Tonträgers von fast 68 Minuten, davon das letzte Stück „Great Lakes“ allein in einer Ausdehnung über eine knappe halbe Stunde, wird bereits offensichtlich: „For The Night“ ist alles anderes als die flotte One-two-three-Nummer im Radio-tauglichen Pop-Format. Das neue Album des US-Drone/Experimental-Trios Tecumseh ergeht sich in minimalistischem, instrumentalem Doom-Trance, den die aus Portland/Oregon stammenden Klang-Avantgardisten John Krausbauer, Ian Hawk und Jeremy Long im artifiziellen Sound-Tüfteln und Verfremden mittels Loops, Töne-Schichten und Samplings fernab organischer Metall-Wucht ansiedeln, gleichwohl wie die Gitarren-schwingenden Langmattenträger-Kollegen mit finsterem, zäh fließendem Dröhnen im Geiste schwarzer Sabbath-Messen und St.-Vitus-Beschwörungen die Hörerschaft einnorden und mitunter weit hinunter in die finsteren Löcher der eigenen Angstzustände zu ziehen trachten. Tecumseh simulieren wuchtige, tiefer gestimmte Gitarren-Downtempo-Riffs durch bleiernes Electronica-Fließen und entwerfen einen diffusen, rituellen Meditations-Soundtrack durch anhaltend stoisches Dröhnen, finstere, gleichwohl nicht hoffnungslose Ambient-Expeditionen in nebulöse Schattenwelten.
„Towers“ mag mit analogen, sich hinschleppenden Drums, sporadischen, Maschinengewehr-Salven gleichen Stakkato-Beats und gesampelten, Feedback-verzerrten, zäh mäandernden Gitarren-Schichten noch halbwegs als Blaupause für instrumentalen Slow-Postmetal herhalten, der weitaus größte Teil des ausladenden Sound-Trips ist im elektronisch verfremdeten, abstrakten Trance-Flow unterwegs. Das eingangs erwähnte Endlos-Stück „Great Lakes“ beginnt als melancholisches, schwermütig dräuendes Piano-Werk im minimalistischen Klassik-Kontext, um sich im weiteren Verlauf im stilistisch losgelösten Experimental-Nirvana aufzulösen. In der Tecumseh-Klangwelt passiert oft minutenlang nicht viel, aber das Wenige ist völlig ausreichend und auf das Wesentliche fokussiert, um Spannung und Aufmerksamkeit beim Zuhören und Hinein-Versenken am oberen Level zu halten.
Minimal-Ambient-Post/Doom-Metal aus anderen Sphären, mit unkonventionellem Instrumentarium umgesetzt und damit umso faszinierender. Wo sich JR Robinson mit Wrekmeister Harmonies vor etlichen Monden in Fortführung seiner Spielart für den Song-orientierten Ansatz entschied, haben Tecumseh den anderen Abzweiger an der Weggabelung genommen. Die Aufnahmen zu „For The Night“ datieren zu Teilen auf die Jahre 2009 und 2012 zurück, in erweiterter Form erscheinen sie nun endlich nach Bearbeitung durch den kalifornischen Produzenten Billy Anderson (u.a. Amenra, Melvins, Swans, Neurosis) am 23. Juni beim wieder einmal für unternehmerischen Mut nicht genug zu lobenden belgischen Experimental-Label Consouling Sounds, das mit dieser Veröffentlichung erneut der eigenen Überzeugung und dem untrüglichen Gespür für exzellente Tondichtungen Ausdruck gibt: „This album will surely transmit some cool vibes during the long summer nights“.
(***** – ***** ½)
Moinsen lieber Gerhard, das Zitat passt sehr gut zum Sound :-)
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Liebe Annette, freut mich, dass Du das auch so siehst ;-)
Liebe Grüße,
Gerhard
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