„Love has been well worn theme throughout a lot of rock music, but most commonly in terms of love-lost, overly romanticized versions of new love, or as a veil for sexual conquest. It is rarely addressed in its more spiritual and vulnerable aspects.“
(Aaron Turner)
SUMAC – Love In Shadow (2018, Thrill Jockey Records)
Das komplexe, lebendige, unvorhersehbare Geflecht der Liebe, von SUMAC als zentrales Thema des neuesten Outputs mit differenziertem Pinselstrich nicht minder komplex und erratisch in einem denkbar breiten Spektrum an experimentellen Sludge/Noise-Klangfarben auf die Leinwand respektive in die Aufnahme-Gerätschaften geschleudert.
Die Band von ex-Isis-Gitarrist und Hydra-Head-Labelbetreiber Aaron Turner, Russian-Circles-Basser Brian Cook und dem kanadischen Baptists-Trommler Nick Yacyshyn hat sich bereits im Frühling durch die Zusammenarbeit mit dem profilierten Experimental-Pionier Keiji Haino in die Annalen des laufenden Musikjahres eingetragen, mit „American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous To Look At Face On“ ist der japanisch/US-amerikanisch/kanadischen Kooperation ein weder in Worte noch mit allen Sinnen zu fassender Monolith an abstrakten, dissonanten, avantgardistischen Drone-Metal-Free-Jazz-Eindringlichkeiten gelungen, mit den annähernd siebzig Minuten von „Love In Shadow“ legt das Trio knapp sechs Monate später nicht nur einen bewundernswerten Arbeits-Ethos an den Tag, das Werk erstrahlt in einer experimentellen Pracht, die im weiten Feld des Postmetal als singuläres Event gefeiert werden darf.
Jeder der vier ellenlangen, jeweils LP-Seiten-füllenden Titel würde für sich als ausladende EP mit einer überbordenden Vielfalt an Spielarten der Postmetal-Klangforschung funktionieren. Bereits der über 20-minütige Opener „The Task“ offenbart eine kaum überschaubare Bandbreite an stilistischen Mitteln, in der die Band die gesamte Palette an flirrenden, filigranen wie eruptiv hart und aggressiv zupackenden Metal-Riffs, Bass-lastigem Doom, experimentellen Noise-/Sludge-Drones und atemberaubenden Breaks auslebt, bis hin zu gedehnten instrumentalen, minimalistischen Düster-Ambient-Meditationen im Slow-Motion-Downtempo, mäanderndem Fluss im Geiste des Free-Jazz und elementaren No-Wave-Zitaten, die sich wie artifizieller, psychedelischer Großstadt-Blues ausnehmen. Das sporadische, kehlige und wie immer völlig unverständliche Gröhl-Grunzen Aaron Turners, spontan und unvermittelt aus der Kommandozentrale der Unterwelt entsprungen, muss der Hörerschaft in der permanent stattfindenden Mutation im unorthodoxen und absolut inspirierten Chaos zu Zeiten vergegenwärtigen, wo der Barthel den Most im Postmetal-Keller holt.
Im Album-beschließenden, über viertelstündigen „Ecstacy Of Unbecoming“ ergeht sich Turner nach düster-gedämpftem, irrlichterndem Drone-Intro und kurzem gemeinsamem Höllentor-Öffnen als Intermezzo mit den beiden anderen Reitern der Apokalypse im zentralen Mittelteil der Nummer in solistischen Saiten-Übungen, die für SUMAC-Verhältnisse lieblichen Postrock-Klängen gleichkommen und Referenzen zum Werk von Sonic Youth oder dem Freiform-Gitarrenlärmen von Neil Young auf seiner konzertant eingefangenen Feedback-Fragmente-Sammlung „Arc“ zulassen, letztendlich aber nur der Kontemplation und der Sammlung der Kräfte vor dem großen, finalen Aufbäumen dienen, einem reinigenden Klang-Gewitter und tonalen/atonalen Wechsel-/Stahl-Bad, zu dem das SUMAC-Powerhouse mit vereinter energischer Wucht final den Zerberus von der Leine lässt.
Sumac machen mit „Love In Shadow“ einen Riesenschritt nach vorne in der musikalischen Weiterentwicklung der Band-eigenen Experimental-Noise-Philosophie und zementieren damit die Stellung als gestrenger Wächter an der Pforte des Postmetal, an deren Schwelle dem Halbgaren, Unausgereiften und Belanglosen kein Passierschein ausgestellt wird. Das amerikanisch-kanadische Trio geriert sich wie ein Giftsumach aus der namensgebenden Gattung der Anacardiaceae und lässt in den vier fundamentalen Arbeiten keine Gelegenheit aus, die Gehörgänge gründlich und nachhaltig mit großer Improvisationskunst und experimenteller Exzellenz in geschliffener Härte zu betäuben. Komplexeres, die Hörgewohnheiten Erweiternderes und schlichtweg Spannenderes wird man vermutlich in naher Zukunft im Post/Sludge/Doom-Metal kaum zu hören bekommen, ausgenommen, SUMAC kommen bereits wieder in ein paar Monaten mit einer neuen Arbeit ums Eck, bei dem Produktions-Tempo wäre es nicht weiter verwunderlich.
„Love In Shadow“ ist seit einigen Tagen über das Chicagoer Indie-Label Thrill Jockey Records erhältlich.
(***** – ***** ½)
nochmal ich ;-)
jedenfalls dickes merce für diese Besprechung, und ich werde ungeduldig auf das Erscheinen warten.
Unvergessen die Lärmorgie im Hansa 39; denn selbst wenn Herr Turner uns (speziell mir ohne Ohrstöpsel) mit seinen „Spezialeffekten“ eine glatte Woche Ohrensausen und Wilderes verpasst hat, so haut mich der SUMAC-Sound nachwievor gnadenlos um. Ich kann`s mir eh nur im Auto anhören, denn diese dringenden Bässe kann ich meinen Mitbewohnern beim besten Willen ned antun ;-). Hoffe, die lassen sich wieder in Minga sehen. VG Stevie
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Servus Stevie – Die Platte ist schon veröffentlicht, seit Freitag letzter Woche. Ja, das Konzert seinerzeit, war schon ein brachialer Klangrausch, keine Frage. Die neue Scheibe finde ich aber um etliches besser und differenzierter. Trotzdem live gerne wieder. See you, Gerhard
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