Jet Plane – Falls Feather (2018, Ricco Label)
Es wird zunehmend nicht einfacher, was Vernünftiges oder gar Neues über aktuelle Postrock-Veröffentlichungen zu schreiben, vieles hat sich da an Gleichklang in den letzten Jahren eingeschlichen, etliches ist nicht mehr vom Output jeweils stilistisch verwandter Interpreten zu unterscheiden, die Soundwände zeugen alle von mehr oder weniger identischer Architektur und Fassade, darüber hinaus stößt das Spiel mit der Intensität mangels neuer Ideen zusehends mehr an seine Grenzen.
Umso erstaunlicher, wenn hin und wieder doch die ein oder andere Arbeit aus dem Gros der austauschbaren Instrumental-Entwürfe herausragt, im vorliegenden Fall das mittlerweile vierte Album des Quartetts Jet Plane aus dem russischen Bryansk, auf dem die seit 2009 aktive Band zwar auch das gängige Programm an feiner Klinge wie des brachialen Knüppel, an filigranen, verspielten Harmonien wie eruptiven, lärmenden und übersteuerten Lautmalereien auffährt, wuchtige Klangmauern errichtet, destruktiv wieder einreißt und die Stromgitarre in den hypnotischen Flow bringt, daneben aber eben auch mit unkonventionellen Zutaten fernab der Oldschool-Postrock-Lehre aufwartet und damit erfreut aufhorchen lässt.
Gitarren-Flüsse schwellen zu mitreißenden Strömen an durch virtuos begleitendes Violinen- und Dudelsack-Spiel, werden mittels schroffer, dissonanter Electronica-Feedback-Wellenbrecher ausgebremst und nehmen im harten Anschlag neue Fahrt auf, ein entfesseltes Toben und Wogen der Elemente wie im Titel-gebenden „Ocean“. Der typische Drive des Postrock mutiert in den psychedelischen „Wildflowers“ mehrdimensional zu Progressive- und Krautrock-Ausbrüchen, „Morendo“ ist melancholisches Neoklassik-/Postrock-Crossover inklusive minimalistischer Piano-Elegien und großartiger Tenor-Gesänge von Vladimir Zyuzko aus der tiefen, schwermütigen Seele der russischen Folklore. „Tea“ lässt das Werk über fast zehn Minuten im entspannten Postrock-Driften inklusive Spoken-Word-Einwürfen und entrücktem Klavier-Anschlag dahinschwinden, wie ein milder Herbstregen den Sommer sanft fortspült, eine elegante Landung nach stürmischer Überfahrt.
Sechs ausgedehnte, heterogene Nummern zwischen knapp sechs und knapp zehn Minuten, ein komplexes Konglomerat als anregendes, variantenreiches und vielschichtiges Gesamtwerk, in exzellentem Sound präsentiert.
„Falls Feather“ ist Mitte November beim japanischen Postrock/Electronica/Neoklassik-Label Ricco erschienen.
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