„The quartet crushes their cigarettes very hard, dig a hole into the ground, and leave the listeners in ashes.“
Ni – Pantophobie (2019, Dur et Doux)
„I repeat myself when under stress“ singt Adrian Belew im King-Crimson-Klassiker „Indiscipline“, einer nervös-abgehackten Nummer der englischen Progressive-Rock-Institution aus den frühen Achtzigern, in der die erratische Rhythmik des Songs mit polymetrischen Drumbeats und Basslinien den Inhalt der Lyrics unterstreicht.
In ähnlich intensiver Gangart und Technik präsentiert sich das neue, dieser Tage erschienene Album der französischen Band Ni. Polyrhythmische Noise/Math-Rock- und Jazzcore-Gewitter, die Assoziationen zum energischen, komplexen Poltern der kanadischen Hardcore-Götter von NoMeansNo wecken, zu den ersten Würfen des Instrumental-Punk-Trios Gone von Black-Flag-Gitarrist Greg Ginn, entfernt zum Funk-beeinflussten Postpunk der frühen Arbeiten von Gang Of Four, vor allem zu ihrem epochalen „Entertainment!“-Debüt. Und doch treffen diese Vergleiche den Sound der experimentellen Formation aus Bourg-en-Bresse/Département Ain nur im Ungefähren, wie auch der einleitende Querverweis zur Robert-Fripp-Formation.
Das im Kontext der Rockmusik klassisch besetzte Quartett verschmäht weitgehend Soli wie jegliches Melodische im Tempi-wechselnden Instrumental-Zusammenspiel von Bass, Drums und Gitarren-Riff-Stakkato, pflegt dafür umso leidenschaftlicher das Variieren und Überlagern unterschiedlichster Rhythmen und schafft so eine höchst individuelle Spielart aus beinhartem, trockenem wie unvermittelt zuschlagendem Hardcore in einem weiten Feld von Prog- und Math-Freiheitsgraden, den kompromisslosen Ansatz dann und wann mit spontanem Gebrüll aus dem Sludge-Metal-Höllenschlund mit Nachdruck auf die Spitze treibend.
Der unkonventionelle Sound der Band ist von atemberaubender Nervosität wie Ideen-Vielfalt, die den Konsumenten kaum Schritt halten lassen und dem Tonträger damit selbst nach dem x-ten Abhören die spannungsgeladene Energie erhalten.
Man darf wohl von einem Konzept-Album sprechen, alle Titel beschäftigen sich thematisch mit Phobien, mit der Abneigung gegen das Sprechen (nicht weiter verwunderlich bei annähernd rein instrumental umgesetzten Kompositionen), mit seltenen Ausprägungen wie der Angst vor Hühnern, vor dem Sonnenlicht, vor der eigenen Unvollkommenheit, neben etlichen anderen Formen von Zwangsstörungen. Musikalisch ist die Interpretation dieser neurologischen Furcht-Zustände in den aktuellen Arbeiten von Ni exzellent gelungen, wie diese sind sie letztendlich schwer in Worte zu fassen, eine existenzielle und im Extrem erschütternde, an Raserei grenzende Erfahrung, die zum tieferen Verständnis am eigenen Leib erlebt werden muss, via Konserve oder vorzugsweise in der konzertanten Konfrontation, siehe unten .
(***** – ***** ½)
Ni eilt der Ruf einer höchst beeindruckenden, radikal agierenden Live-Band voraus, am 18. März spielen sie im Rahmen der 94. Ausgabe der geschätzten Experimental-/Postrock-Reihe Maj Musical Monday in der Münchner Glockenbachwerkstatt, Blumenstraße 7, 20.00 Uhr.
Weitere Termine der Pantophobie-Promotiontour:
15.03. – Louvain La Neuve – Ferme du Biéreau
16.03. – Hofheim – Jazzkeller
17.03. – Basel – Renee Bar
19.03. – Prag – Bike Jesus
20.03. – Jena – Kassablanca
21.03. – Hamburg – MS Stubnitz
22.03. – Bremen – Tor 9
23.03. – Zeulenroda – Schieszhaus
24.03. – Würzburg – Immerhin
28.03. – Brüssel – Recyclart
29.03. – Paris – Cirque Electrique
30.03. – Tours – Festival Super Flux
12.04. – Baden – Royal
13.04. – Berlin – Hintertreffen Festival
14.04. – Mainz – Haus Mainusch
20.04. – Gerardmer – Geradm’Electric
06.06. – Gibloux – Farvagny
27.07. – Burg Herzberg – Festival Burg Herzberg
14.09. – Montpellier – Black Sheep