Laut und heftig im Doppelpack from down under: Die australischen Bands sleepmakeswaves und Cog machten am vergangenen Donnerstagabend im Rahmen der gemeinsamen „Distant Lands Tour 2019“ zum letzten Termin ihrer Deutschland-Gigs in der Kranhalle des Feierwerks Halt. Während die Postrocker aus Sydney zum wiederholten Male als gern gesehene Gäste über Münchens Bühnenbrettern hinwegfegten, waren Cog seit ihrer Band-Gründung vor über 20 Jahren hierzulande zum ersten Mal auf Konzertreise unterwegs.
Die erste Halbzeit der zweistündigen Co-Headliner-Veranstaltung bespielten die vier Bewegungsdrang-Fanatiker von sleepmakeswaves mit ihrer vehement offensiven „Crescendo Core“-Spielart des instrumentalen Gitarren-Flows. Wie bereits einige Male zu früheren Gelegenheiten eindrucksvoll demonstriert, kennt das Quartett in seiner klassischen Postrock-Gangart nach wie vor nur eine Richtung: immer straight forward, permanent intensiv in vorderster Front aus der Masse der gängigen Laut-Leise-Klangmalereien ausbrechend. Zuweilen bedient sich die Band zur Erweiterung des Sound-Spektrums beim brachialen Post-Core/Metal und bei komplexeren Prog-Rock-Elementen, die für den Postrock typischen Kontemplations-Passagen, die Tempo-zurückgenommenen Intermezzi und Ambient-verwandten Ruhephasen zum Kräftesammeln und Anlauf-Nehmen für den nächsten Ausbruch sparen sleepmakeswaves in ihrer Bühnenpräsentation hingegen nach wie vor nahezu komplett aus. Downtempo: völlig überschätzt und in dem Kontext weitgehend obsolet. Ein vierköpfiger Unruheherd, eine sich permanent – physisch wie musikalisch – in Bewegung befindliche Formation, die den dröhnenden Bass-Druck von Frontmann Alex Wilson, die befreit und überschwänglich aufspielenden Gitarren von Otto Wicks-Green und dem seit mehreren Jahren Tour-begleitenden Lachlan Marks mit den losgelöst entfesselten, permanent antreibenden Uptempo-Rhythmen von Drum-Berserker Tim Adderley zu einem rasant donnernden Klang-Orkan bündelte. Den sporadisch von Alex Wilson platzierten Keyboard-Wohlklang in progressivem Kraut- und Space-Format konterkarierte der Schlagwerker kompromisslos, ein mittlerweile optisch wie in der ausgeübten Profession würdiger Nachfolger des Muppetshow-Animals wie dessen rabiat wütenden Motörhead-Widergängers Philthy Taylor.
Für das kurze Anbiedern beim Mitläufer-Volk des FCBää in der Anmoderation von Gitarrist Wicks-Green gibt’s ein paar Abzüge in den Haltungsnoten – das Auditorium reagierte indes erfreulich souverän auf diese befremdliche Anwandlung: hat eh niemand applaudiert, Charakter- und Geistesmenschen, ausnahmslos.
Mehr Laune machte da neben einer breiten Auswahl an eigenen Werken aus allen Schaffensphasen der Band die Coverversion der Nummer „Children“, im Original ein Electronica-Trance-Hit des 2017 verstorbenen Musikers, DJs und Produzenten Robert Miles, der sich in der Postrock-Bearbeitung nahtlos in den sleepmakeswaves-Kosmos einfügte.
Trotz intensiv enthemmter Gangart mit abrupten Breaks und lärmendem Grundtenor kommt das Melodische in den instrumentalen Kompositionen der Band aus Sydney nicht zu kurz, quasi ein Sound zum Schwelgen und Durchschütteln gleichermaßen, darin sind die Australier nach wie vor Meister in ihrer eigenen Liga, mit ihrer hyperaktiven, mitreißenden Bühnenshow im Postrock nur von wenigen Bands erreicht, die erst kürzlich vor Ort aufspielenden Madrilenen von Toundra mögen sich da noch am ehesten als Mitbewerber auf Augenhöhe hervortun.
Einmal mehr: Ein ordentliches Postrock/Prog-Crossover-Brett aus New South Wales, ohne Zweifel. Und das FC-Bayern-Geschmarre sparen wir uns beim nächsten Mal, dann gibt’s auch wieder die vollen hundert Punkte…
München-Premiere in Runde zwei der Aussi-Parade: Zum ersten Mal auf hiesiger Bühne präsentierte sich das wie sleepmakeswaves in Sydney beheimatete Trio Cog. Die Band wurde 1998 von Gitarrist/Sänger Flynn Gower und Drummer Lucius Borich aus der Taufe gehoben, zur Jahrtausendwende reihte sich Gowers jüngerer Bruder Luke zunächst als Tour-Bassist und später als festes Bandmitglied ein. Cog zählen zu den erfolgreichsten und exzessivst tourenden Indie-Bands des australischen Kontinents, 2016 nahmen die Musiker nach einer fünfjährigen Auszeit zwecks diversen Engagements in anderen Formationen den gemeinsamen Betrieb wieder auf, in der Heimat haben sie seitdem bereits wieder drei ausgedehntere Tourneen bespielt, in der Kranhalle waren nicht wenige erwartungsvolle Fans nur aus Anlass des hiesigen Premiere-Gigs zugegen. Enttäuscht sollte den Saal kaum jemand verlassen, Cog zündeten ein exzellentes wie ausnehmend individuelles Crossover-Feuerwerk in einer weit ausholenden Bandbreite an Spielarten des Progressive Rock. Die Band selbst benennt ihre Einflüsse mit dem Soul, Jazz und Blues der großen Nina Simone über den Reggae von Bob Marley und den artifiziellen Prog-Rock von Tool bis hin zur Postmetal-, Sludge- und Noise-Härte von Combos wie Isis und Helmet, Einflüsse, die in mancherlei Form auch Widerhall im fulminanten Sound des Trios finden, somit eine eindeutige Kategorisierung der Cog-Klangwelt schwierig bis unmöglich machen.
Flynn Gower als finster feixender Sänger könnte mit seinem in den Tonlagen kunstvoll variierenden, zunächst gewöhnungsbedürftig extrovertierten Gesang jeder hart groovenden Soul- und Funk-Combo vorstehen, dazu entlockt er schneidend scharfe, lärmend angeschlagene, mithin erratische Stoner- und Grunge-Riffs, die Drummer Borich mit seinem groß angelegten, reichhaltigen Instrumentarium virtuos, wuchtig wie filigran mit komplexer Mathrock- und Progressive-Polyrhythmik auszukontern und facettenreich zu ergänzen weiß. Zusätzliche Gitarren-Samples und das ein oder andere eingeflochtene Gelichter an Electronica-Space und -Beats treiben das vertrackte Crossover-Hardrocken an die Grenze der Reizüberflutung. Der dritte Mann im Bunde glänzt mit einer Kompetenz, die man ihm auf den ersten Blick nicht zutraut: Der hyperaktive Luke Gower kennt in der Stunde des konzertanten Vortrags scheint’s kein In-sich-Ruhen, hält aber das in viele Richtungen drängende Gewerk mit seinen stoischen, druckvoll antreibenden, dunklen Bass-Tönen zusammen, ein klar strukturiertes Erden, dass der oft kaum zu fassenden stilistischen Vielfalt Form und Rahmen gibt und für die Hörerschaft in eine konsumierbare Textur bringt.
Die Band beherrscht auch die Eleganz der einfachen Linien: Im mittleren Teil ergingen sich Cog mit einer ausladenden Instrumental-Jam-Passage in klar definierter, schnörkelloser Postrock-Hymnik, mit der sie die Brücke zum Konzert der Tour-begleitenden Landsmänner von sleepmakeswaves bauten – wenn auch der weitaus größte Teil ihrer imposanten, Genre-übergreifenden Progressive-Demonstration das spannungsgeladene Kontrast-Programm zum ersten Auftritt des Abends bot.
Durch permanente, Jahrzehnte-lange Abstinenz macht man jeder Gefolgschaft die Zähne lang, darum kaum verwunderlich, dass der Applaus für den ersten München-Gig der drei Cog-Musikanten besonders dankbar ausfiel.
Wollte eigentlich auch zum Konzert, war dann aber soooo müde. Hab aber anscheinend einen tollen Abend verpasst :(
Sehen wir uns Mittwoch bei Sharon Van Etten?
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Ja, schade, hätte Dir sicher gefallen. Am Mittwoch werde ich passen, ist nicht so ganz meins.
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