Acid-Rock

Reingehört (504): Träden

Träden – Träden (2018, Subliminal Sounds)

„Träden, formerly known as Träd Gräs och Stenar in different incarnations, but often just called Träden for short“ merkt die Bandcamp-Seite an. „Bäume, Grass und Steine“, 1969 aus diversen Vorgänger-Bands der schwedischen Progressive-Szene hervorgegangen und mit den Jahrzehnten einiges an personeller Fluktuation durchlaufen, im vergangenen Sommer mit neuem Album und Line-Up am Start. Acht experimentelle Exerzitien im Doppel-LP-Format, etliche davon in ausgedehntem Überfluss die 10-Minuten-Grenze reißend.
Schweres Gitarren-Dräuen und klangmalerische Düsternis, wie sie vor allem aus Großwürfen des alten Neil Young wie „Cortez The Killer“ oder „Down By The River“ vertraut und geschätzt sein mögen, trifft auf die Endlos-Schleifen der Minimal Music, schneidende, drängende Fuzz-Psychedelic, atonale Einfärbungen und stoisches Vorantreiben der Rhythmus-Abteilung, in ausgedehnten instrumentalen Improvisations-Passagen zelebriert. Exoten-Bonus allein schon für die schwedischen Lyrics, die außerhalb Skandinaviens höchstwahrscheinlich kaum ein Elch versteht. Nicht weiter schlimm, die Musik spricht für sich, eine fürwahr mächtige Sprache. Zeitloser Schwergewicht-Progressive-Jam in mäandernder Hypnose-Session zum Abdriften in andere Trance-Sphären und sich dort verlieren, zum Runterkommen und sanften Landen die ein oder andere frei fließende, ins Melancholisch-Nachdenkliche neigende Psychedelic-/Free-Folk-Nummer in der Downtempo-Gangart, der Quartett-Besetzung gelingt ein ausgewogenes Spiel mit den Intensitäts-Graden ganz ohne Absenken der Spannung. Prog-Dröhnen und Transzendenz-Blues für das 21. Jahrhundert und die Klangkulisse für ausgedehnte Mitsommer-Feste inklusive eingepfiffenen Substanzen, die auch im Winter und in völlig nüchternem Zustand – ok, wann ist man im Winter schon nüchtern? – gleichsam wunderbar funktioniert und seine ganze lichternde Pracht in aller Ergiebigkeit und Opulenz entfaltet.
Wären die anderweitig sehr geschätzten Musikanten von Grateful Dead nicht mitunter solche verkifften Saftsäcke mit einer partiell ausgeprägten Vorliebe für ins Nirvana ausfransenden Jazzrock und angelaschtes Country-Folk-Geplätscher an der Schmerzgrenze zur einschläfernden Langeweile gewesen, hätte das endlose Jamming der kalifornischen Cosmic-American-Music-Institution bereits in längst vergangenen Dekaden ähnlichen Drive und Vehemenz entwickeln können wie das drängende Wiederholungsschleifen-Driften der alten Schweden.
Bereits vor etlichen Monden im August 2018 erschienen, und damit hätte der Sound-Trip eigentlich in jede vernünftige 2018er-Bestenliste hineinsystematisiert gehört.
(***** – ***** ½)

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Earth Tongue + Ippio Payo @ KAP37, München, 2018-10-04

Auftakt nach der Sommerpause zur musikalischen Herbstsaison im KAP37 mit einer Premiere des Münchner KiwiMusic-Veranstalters Christian Strätz, der erstmals zusammen mit den SchaufensterKonzert-Organisatoren Angelique Viehl und Christian Solleder ein sehens- und hörenswertes München-/Neuseeland-Doppelpack in den Räumlichkeiten der Nachbarschaftshilfe Westermühlbach an den Start brachte.

Den ersten Teil des Konzertabends bespielte der hochgeschätzte, in zahlreichen Münchner Formationen wie The Grexits, Zwinkelman oder Majmoon maßgeblich involvierte Musiker und rührige Maj-Musical-Monday-Organisator Josip Pavlov mit seinem Postrock-Solo-Outfit Ippio Payo, an dieser Stelle wahrlich kein Unbekannter, da bereits des Öfteren verdientermaßen gebührend gewürdigt. Erst vor knapp einem Monat beim „Ois Giasing!“-Stadtteil-Fest zugange und genossen, hat Pavlov seinen One-Man-Gitarren-Postrock in der Zwischenzeit weiter erkennbar mutieren und neue Ideen in das instrumentale Gewerk vom Debütalbum „All Depends On Nature“ wie in neueren Kompositionen einfließen lassen, im Geiste einer permanenten Weiterentwicklung des ureigenen experimentellen Ansatzes driftete das Ippio-Payo-Klangbild am Donnerstagabend in einen gesangsfreien Post-Progressive-/New-Wave-Rock, der mittlerweile auf dem hohen Level der besten King-Crimson-/Robert-Fripp-Arbeiten der frühen Achtziger angelangt ist. Wo der englische Experimental-Rock-Großmeister seit jeher seine Stamm-Combo, versierte Musiker-Kollegen oder das mehrköpfige Gitarristen-Orchester seiner League Of Crafty Guitarists bei der Einspielung der komplexen Kompositionen in Anspruch nahm, gestaltet Josip Pavlov im Do-It-Yourself-Ansatz seine hypnotischen Klangskulpturen alleine aus einer Hand, mit live eingespielten Rhythmus-Gitarren-Loops, übereinander gelegten Klang-Schichten zwischen Ambient-Drones und repetitiven Riffs, begleitenden Melodie-Bögen und experimentellen, schroffen und dissonanten Saiten-Übungen. Sich dem Bann des Trance-haften Gitarren-Flows zu entziehen, war einmal mehr ein so gut wie unmögliches Unterfangen, im Zusammenwirken mit der Klang-erweiternden Behandlung des Gitarren-Pedalboards und gesampelten Sound-Trips, dem erstmals so erlebten Integrieren eines Daumenklaviers und Takt-gebenden Feedback-Erzeugen via Verstärker-Kabel zauberte Ippio Payo nahezu rauschhafte Glückszustände in den Saal, fernab des Gottlob bald überstandenen Oktoberfest-Ausnahmezustands in dieser Stadt, und bei Bedarf sogar völlig Alkohol-frei.
Ein profilierter Ausnahme-Musiker wie Josip Pavlov ist mit diesen ausgewiesenen Fertigkeiten, diesem Talent und Ideen-Reichtum für ein halbstündiges Vorprogramm fast schon verschenkt, nicht wenige im Saal hätten sich zu der Gelegenheit sicher noch gerne länger im steten wie gleichsam stets hochspannenden Post-/Progressive-Rock-Fluss des Münchner Klangforschers verloren.
Die nächste Gelegenheit zu ähnlichen konzertanten Erbauungen steht bereits ins Haus: Ippio Payo tritt am 20. Oktober zusammen mit dem Licht-/Video-Künstler Gene Aichner aka Genelabo im Rahmen des Taxi Salons auf, gemeinsam werden Pavlov und Aichner ihr exzellentes audio-visuelles Projekt NAQ/Nobody Answers Questions aufführen. Import/Export, München, Schwere Reiter Straße 2, Einlass 18.00 Uhr.

Im zweiten Teil des Abends bespielte das junge neuseeländische Indie-Duo Earth Tongue mit einem kurzen und intensiven Auftritt den bis dato wohl lautesten Gig der mittlerweile mehrjährigen KAP37-Konzerthistorie. Gitarristin/Sängerin Gussie Larkin und Drummer/Sänger Ezra Simons gingen vom Start weg unvermittelt in die Vollen, nahmen in den knapp bemessenen 45 Minuten keine Gefangenen und ließen mit dröhnenden Gitarren und wuchtigem Getrommel keinen Zweifel an der eigenen Rock-musikalischen Prägung. Wo sich in den Studio-Aufnahmen der Band aus Wellington nicht zu knapp stilbildende Elemente aus Space-Rock und kosmischem Trance finden, durfte die psychedelische Komponente in der konzertanten Präsentation der beiden allenfalls die zweite Geige spielen, unüberhörbar war die eingehende Auseinandersetzung der blonden Gitarristin mit vermutlich jedem einzelnen dröhenden Gitarren-Riff, das Tony Iommi in seinem halben Jahrhundert auf dem Buckel als Black-Sabbath-Leader jemals durch die Lautsprecher wuchtete – der Tonkunst des Duo würde man mit diesem vehementen Doom-Metal-Ansatz indes nicht vollumfänglich gerecht werden, würde man es als pures Epigonentum abstempeln. Die Band verstand es einnehmend, den Urmeter des Heavy Metal mit geerdeter Stoner-Rock-Härte, sporadisch gezündeten Progressive- und Acid-Rock-Nebelkerzen, den erratischen, kehligen Brüll- und Groll-Attacken von Trommler Simons als Reminiszenz an den Death Metal und Gussie Larkins Sirenen-Gesang zu verweben, einer latent leiernden, verhallten und leicht entrückten Sangeskunst, die dann letztendlich doch über der Soundwand schwebend die Sixties-Psychedelic zum Blühen brachte.
Zur eigenen Kontemplation und Pausen-gewährenden Erholung der Gehörgänge des Publikums schalteten Earth Tongue dann und wann in einen melodischeren Indie- und Grunger-Modus, zu dieser Genre-übergreifenden, flächendeckenden Beschallung war durchaus Staunen angebracht über den dichten und voluminösen Sound, den die beiden jungen Underground-Künstler von Down Under mit ihren gerade mal zwei Instrumenten in den kleinen, feinen KAP-Saal zauberten. Mehr als gelungener Einstand des Duos bei ihrem allerersten München-Gig, zu dem sich Gitarristin Gussie Larkin zur Krönung des Abends obendrein mit Geburtstags-Glückwünschen zum Wiegenfest vom Publikum besingen lassen durfte.
Bedauerlich, dass nach einer dreiviertel Stunde inklusive einer einzigen Zugabe bereits der Feierabend von Earth Tongue im KAP37 eingeläutet wurde, das Repertoire der jungen Formation gab nicht mehr Stoff her für weitere Bedröhnung, die der Hörerschaft gewiss kein Knurren des Missfallens entlockt hätte. So bleibt die freudige Erwartung auf den ersten Longplayer der Band mit geplanter Veröffentlichung Anfang des kommenden Jahres und die Hoffnung auf eine Wiederkehr von Larkin & Simons ins Isardorf zur Live-Promotion des Tonträgers.
Da hat er alles andere als gekleckert, der Christian Strätz, mit dem ersten Streich seiner konzertanten New-Zealand-Oktober-Veranstaltungen, die am 18. Oktober im Münchner Zwischennutzungs-Projekt Köşk fortgesetzt werden, mit Auftritten des Duos Astro Children und der One-Woman-Soloperformance von Millie Lovelock aka Repulsive Woman aus Auckland. Schrenkstraße 8, Einlass 19.00 Uhr, Beginn 20.30 Uhr. Be there!

Earth Tongue sind im Oktober im Rahmen ihrer Europatournee noch zu folgenden Gelegenheiten in unseren Breitengraden zu sehen:

13.10.Kiel – Alte Mu
17.10.Dortmund – Rekorder

Das nächste SchaufensterKonzert im KAP37 steigt am 15. November, kein Geringerer als the beloved, unparalleled and enlightened Wanderprediger und One-Man-Band-Kellergospler Dirk Otten aka The Dad Horse Experience wird sich die Ehre geben, den Gott-gefälligen Pfad beschreiten und Absolution erteilen. München, Kapuzinerstraße 37, 20.00 Uhr.

Konzert-Vormerker: Earth Tongue + Ippio Payo / Astro Children + Repulsive Woman

Neue Musik from Down Under in München, dank KiwiMusic-Konzertveranstalter Christian Strätz, Christian Solleder vom beloved KAP37 und dem ebenfalls sehr geschätzten Zwischennutzungsprojekt Köşk bietet sich im Oktober gleich zweimal die Gelegenheit im Isar-Dorf, in die Nachwuchs-Szene des New-Zealand-Underground reinzuschnuppern.

Earth Tongue sind ein junges Indie-Duo aus Wellington, Gitarristin/Sängerin Gussie Larkin und Drummer Ezra Simons zelebrieren psychedelischen Fuzz- und Space-Rock in einem Wechselbad zwischen heftigen Gitarrenriffs, wuchtiger Stoner-Härte und kosmischen Drop-Out-Trance-Ergüssen, mit dieser Spielart des SciFi-/LoFi-Acid-Rock hat sich das Paar in der neuseeländischen Heimat in den letzten Jahren einen Ruf als exzellente Live-Band erspielt und ist bereits mit Größen des Genres wie Wolfmother oder Ufomammut aufgetreten. 2016 ist ihre Debüt-EP „Portable Shrine“ erschienen, der erste Volle-Länge-Tonträger ist für Anfang des kommenden Jahres geplant.
Das Münchner Konzert des aufstrebenden jungen NZ-Duos Anfang Oktober im KAP-Schaufenster-Saal wird vom ortsansässigen, vielbeschäftigten Multiinstrumentalisten und Maj-Musical-Monday-Veranstalter Josip Pavlov und seinem Ein-Mann-Instrumental-Postrock-Outfit Ippio Payo eröffnet, alleine dieser Gig ist schon Grund genug, die Veranstaltung zum Pflichttermin zu deklarieren.

KiwiMusic und SchaufensterKonzert KAP37 präsentieren: Earth Tongue + Ippio Payo, KAP37, Kapuzinerstraße 37, München, 4. Oktober 2018. 20.00 Uhr.

Die neuseeländischen Combos auf Flying Nun Records und speziell der Dunedin-Sound waren in den Achtzigern dank gebührendem Bepreisen in Fach-Postillen wie Spex und natürlich nicht zuletzt durch fleißiges Touren der Bands auch in unseren Breitengraden bei KennerInnen des gepflegten Indie-Gitarren-Pop schwer angesagt, in dieser Tradition wandelt auch das gemischte Doppel Astro Children aus – es war zu ahnen – Dunedin, dem zweiten Streich der im Oktober in München von KiwiMusic präsentierten NZ-Perlen.
Sängerin Millie Lovelock mit betörendem Gesang und Gitarre und Drummer Isaac Hickey spielen eine einnehmende Mixtur aus Ohren-schmeichelndem Indie-Pop, geheimnisvoller Shoegazer-Entrücktheit und psychedelischen Velvet-Underground-Reminiszenzen, eine Spielart des undergroundigen Musizierens, zu der den Bands aus Neuseeland seit jeher kaum das Wasser gereicht werden konnte.
Die beiden Astro Children kennen sich seit frühesten Schultagen, veröffentlichten seit 2012 mehrere Tonträger in diversen Formaten und planen für Ende diesen Jahres das Release des Longplayers „Turnpike“, aus dem bereits vorab die Single „Beneath The Visible Surface“ zum Antesten der Spaceship-Pop-Herrlichkeit des Duos veröffentlicht wurde.
Das Vorprogramm des Abends gestaltet Millie Lovelock mit ihrem eigenen Solo-LoFi-Pop-Projekt Repulsive Woman. Ob sie zu der Gelegenheit dann auch leicht bekleidet ihre subtile Lolita-Erotik – wie auf Promo-Fotos gezeigt – einsetzt, wird sich zeigen…

KiwiMusic präsentiert: Astro Children + Repulsive Woman, Köşk, Schrenkstraße 8, München, 18. Oktober 2018. 19.00 Uhr.

Freakinout Fest #3 @ Nandlstadt/Zeilhof, 2017-07-07

Zurück in die Zukunft: ein wie für den ersten Tag des 3. Freakinout-Festivals geschaffenes Motto am vergangenen Wochenende im Herzen des bayerischen Hopfenanbau-Gebiets Hallertau, in der entspannten Idylle des Weilers Zeilhof in der Nähe von Nandlstadt, des weltweit ältesten Anbauorts des Humulus-Hanfgewächses, präsentierte Veranstalter Christian Spanheimer im wetterfesten Zeilhofstadl eine Jahrzehnte umspannende Zeitreise durch die Rockhistorie hinsichtlich eindringlichem Psychedelic-/Stoner-/Acid-/Heavy-/Post-Rock.

Den Start in den ersten Festival-Tag in Sachen schwergewichtige Rockmusik zündete das Münchner Quartett Dune Pilot, ein heftiger Einstieg mittels Stoner/Desert/Grunge-Härte/Schmutz, der Sound der frühen Neunziger eben: schneidende Gitarrenriffs, Bass-lastiger, schnörkelloser Rhythmus-Groove und ein stimmgewaltiger Frontmann, der im Bühnen-Gebaren neben wiederholt angedeuteter Onanisten-Gestik zuforderst seine Teilnahme-Bewerbung für die jährlich im finnischen Oulu stattfindende Luftgitarren-Weltmeisterschaft abgab. Körperhaltung, Grifftechnik, Intensität der Aufführung: tip top. Klangliche Untermalung durch die drei Mitmusikanten: das selbige.

The Weight aus Wien, die zweite Band des Abends, haben gewiss eines formvollendet hinbekommen: die Spaltung des Publikums in Punkto Goutieren versus Saal-Flucht. Wer im Jahr 2017 uneingeschränkt-unvermindert maximales Jagger-/Tyler-Gepose, „The Age Of Aquarius“ und das ganze andere Gedöns aus diesem haarigen Musical, schwere Schweineorgel, ausladende Gitarren-Soli und die opulente Bandbreite des völlig aus der Zeit gefallenen Mittsiebziger-Stadien-Rocks zu schätzen wusste, wurde mit der konzertanten Aufführung des Quartetts aus der Donau-Metropole bestens bedient, alle anderen kratzten sich an der Rübe, in der sich zwischen den Ohren das „Like Punk never happend!“-Befremden manifestierte und in einem „Da samma von de Weana Haberer aber an bessern Schmäh g`wohnt!“ artikulierte, die ganze Wahrheit zum Retro-Auftritt wird sich vermutlich in der verbalen Auseinandersetzung der Herren Franz Münchinger und Dr. Edgar Schönferber finden…

Nochmal einen weiteren Meilenstein zurück in der Rockhistorie ging es mit dem Londoner Power-Trio Stubb, das sich im Psychedelic-Hard-Blues von Vorbildern wie Hendrix, den britischen Landsmännern der Edgar Broughton Band, gediegener Black-Sabbath-Härte und Ausflügen in den Endsechziger-/Frühsiebziger-Acid- und Space-Rock im Geiste von Hawkwind aalte, ein rauschhafter Auftritt, der hinsichtlich verzerrter Fuzz-Gitarren, vehementer Schwere in der Rhythmik und Experimentieren mittels wabernden Wah-Wah-Pedals und lärmenden Gitarren-Feedbacks keine Wünsche offen ließ. Stubb haben das Rad in dieser hinlänglich zelebrierten Spielart der harten Klang-Orgien weiß Gott nicht neu erfunden, mit Herzblut und tiefem Verständnis für die tonalen Exzesse der Idole aus der Acid-Rock-Steinzeit vorgetragen war’s nichtsdestotrotz allemal ein bereicherndes Hinhören wert.

Durch die israelische Postrock-Band Tiny Fingers wurde das Publikum weit nach Mitternacht zurück in die Jetzt-Zeit geholt, die vier sympatischen jungen Männer ergingen sich im ersten, kürzeren Teil ihrer Aufführung im klassischen, Gitarren-dominierten Instrumental-Postrock mit der für das Genre bekannten Laut-Leise-Dramatik und den sich im intensiven Saiten-Anschlag auftürmenden Sound-Wällen, um im weiteren Verlauf des Konzerts das Spektrum in Richtung moderner Space-Rock, Triphop und Dubstep zu erweitern, mittels vertrackter Rhythmik und futuristischer Electronica-Exzesse befeuerte die Band die Tanzbereitschaft der zur fortgeschrittenen Stunde leider nicht mehr allzu zahlreich anwesenden Besucher-Schar, der facettenreiche Rave hätte als Headliner des ersten Festival-Abends weitaus mehr Zuspruch verdient. In der Form ein heißer Kandidat für die Stargazer-Bühne des alljährlichen dunk!-Postrock-Gipfeltreffens im belgischen Zottegem, und für die am Freitag spärlich vertretene Fan-Basis der rein instrumentalen Ton-Kunst das Highlight der Veranstaltung.

Am Samstag gab’s noch ein schweres Paket mehr an Stoner-/Desert-Blues-/Prog-/Heavy-/Kraut-Psychedelia, allein die kürzlich beim München-Konzert im Vorprogramm von Kikagaku Moyo 幾何学模様 schwer überzeugenden Pretty Lightning wären abermals einen Besuch wert gewesen, Weedpecker, Dopelord und Da Captain Trips sollen berufenem Munde zufolge auch gute bis sehr gute Auftritte hingelegt haben, allein, es ist sich zeitlich leider nicht mehr ausgegangen…

Very special thanks an Mel und Tim vom curt-Magazin.

Kikagaku Moyo 幾何学模様 + Pretty Lightning @ Milla, München, 2017-06-13

Psychedelic-Rundum-Glücklich-Doppelpack am vergangenen Dienstag im Kellergewölbe des Milla, eröffnen durften die konzertanten Aufführungen des Abends die Saarländer Christian Berghoff und Sebastian Haas vom Duo Pretty Lightning mit ihrem sich ohne Umschweife ins Hirn fräsenden Psycho-Blues, der mit seinem staubtrockenen und im hart-direkten Anschlag nach vorne polternden Rhythmus, den Experimental-befeuerten Verzerrungen an der Gitarre und allerhand Geklimper an Glockenspiel und anderem Klanginstrumentarium Bilder von Schamanen-Geisterbeschwörungen, Mescal-bedingten Halluzinationen in der Wüstenhitze und Assoziationen an die berauschendsten Momente der Trash-Blues-Ausbrüche der Jon Spencer Blues Explosion weckte – eine überzeugende Demonstration in Sachen hypnotischer Psychedelic-Prog-/Desert-/Delta-Blues, Garagen-Trash und düster-roher Drone-/Space-/Kraut-Visionen, deren gefangen nehmende Vehemenz die zahlreich erschienenen Besucher äußerst wohlwollend zu goutieren wussten.
Wer am Dienstag schändlicherweise beim Schweinerock von Guns N‘ Roses im Olympiastadion war oder – im weitaus günstigeren Fall – beim Single-Release-Konzert von Zwinkelman in der Polka Bar oder wo auch immer, hat am 8. Juli erneut Gelegenheit zur mentalen Einverleibung der vehementen Southern-Gothic-Tondichtungen von Pretty Lightning, zu dem Datum spielt das Duo seine trunken machende Spielart des Blues beim Freakinout-Fest im oberbayerischen Nandlstadt.
(**** ½ – *****)

Der Hauptteil des Abends gehörte den fünf Ausnahmemusikern von Kikagaku Moyo 幾何学模様, und jene haben ihn dann auch optimal genutzt für eine Zeitreise zurück zu den Wurzeln der Kraut- und Space-Psychedelic, in Outfit und Haartracht präsentierte sich das Quintett aus Tokio wie eine fünffache Ausgabe des ehemaligen Can-Sängers Damo Suzuki zu seinen Glanzzeiten, nicht nur optisch ein erster Aufhänger für die an dem Abend nachhaltig demonstrierten Referenzen an die seligen Zeiten des Experimental-Rock vergangener Dekaden, die stilechte, verschwurbelte Bunte-Bilder-Lightshow tat ihr Übriges zu dieser irgendwie aus der Zeit gefallenen und doch nach wie vor euphorisierenden Klangexplosion.
Wo die Japaner auf ihren Tonträgern neben ihrer Experimentierfreude und Ideenvielfalt weitestgehend im klassischen Songwriting verhaftet sind, zelebrieren sie im Live-Vortrag ihre Werke in weitaus freierer Form, neben feiner Sitar-Melodik im Geiste des indischen Raga und schweren Keyboard-Drones ergingen sie sich in schier endlos ausufernden Free-Flow-Gitarren-Jams, neben der grundsätzlichen Verhaftung im musikalischen Verständnis von Pionieren des Genres wie Amon Düül, Guru Guru, Faust oder eben den legendären Can verwob die Band geschickt Elemente des Sixties-Pop in Form von „Dark Star“-Zitaten, „Sister Ray“-Anlehnungen, Schlager-Elementen aus der 67er-Psychedelic-Schule und Filmmusik-artigen, feierlich-erhabenen Klanggebilden im Geiste des großen Ennio Morricone.
Die durch die großartigen Einspielungen der Band geweckten Erwartungen wurden konzertant schwerst bestätigt, dem Begehr des beglückten Publikums nach Bonus-Material zum geplanten Bühnenprogramm konnten die Musiker mit der Japanern innewohnenden Höflichkeit selbstredend nicht widerstehen. Ahnherr Damo Suzuki hätte das gewiss auch zu schätzen gewusst.
(*****)

Very special thanks an Mel / curt-Magazin.