And So I Watch You From Afar – The Endless Shimmering (2017, Sargent House)
Im fünften Anlauf dann endlich alles richtig gemacht: Im Gegensatz zu ihren exzellentenLive–Auftritten konnten die Nordiren von And So I Watch You From Afar auf ihren ersten vier Tonträgern selten über weite Strecken überzeugen, zuviel an Ideen wurde in der Vergangenheit in die überbordenden Klangentwürfe gepackt, zu erratisch ist oft innerhalb kürzester Zeit im rhythmischen wie stilistischen Wechsel in den einzelnen Titeln zwischen Post-, Math-, Prog-Rock und Djent zwar technisch brillant, aber ohne ruhendes Auge im Zentrum des Hurrikans durchexerziert worden, die Band konnte sich kaum im Rahmen eines Zuviel-Wollens auf eine gemeinsame, tragfähige Basis festlegen, die Hörerschaft fand sich oft ratlos wie überfordert und vor allem völlig geplättet nach Abhören der sprunghaften und schwer verarbeitbaren Ergüsse wieder.
Auf der aktuellen Einspielung „The Endless Shimmering“ geben sich ASIWYFA nun endlich der gebührenden Muse zum Entwickeln ausgereifter Sound-Architekturen hin, die zahlreichen Einflüsse artverwandter Genres bleiben im intensiven Postrock des Quartetts zwar weiterhin bereichernd erkennbar, in den neun Uptempo-Instrumental-Epen ist jedoch genügend Raum/Zeit zur Entfaltung erkennbarer, durchgängiger Klang-Muster angelegt, das virtuose Gitarren-Crescendo, die Tempi-Breaks und die Kunstgriffe im treibenden Beat dürfen sich indes weiterhin entfalten, ohne das Gesamtbild eines rundum gelungenen Postrock-Orkans zu stören. Bestes Album der Band aus Belfast, soweit, mit richtungsweisendem Ansatz für zukünftige, hoffentlich noch viele nachfolgende Glanztaten.
Und der gähnende Hundling nebst dem Schrei-Kind auf der Tonträger-Verpackung sind auch nicht von schlechten Eltern. Kommt jedenfalls in die engere Wahl für das schrägste Plattencover des Jahres.
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Paderborn. Bistumssitz und somit Katholiken-Hochburg in NRW. Und nicht zu vergessen der SC Paderborn 07, dreimal in den letzten Jahren von Liga 1 bis Liga 3 am Saison-Ende Platz 18 und damit drei Mal in Folge sportlicher Abstieg, im Sommer nur dank 1860-Lizenzentzug der Klassenerhalt, momentan zeigt die Formkurve der Kicker wieder nach oben, aktuell belegt die Mannschaft Platz 1 in Liga 3 und hat damit den Aufstieg fest im Blick.
Den Aufstieg in höhere Ligen visieren auch die vier Paderborner Nachwuchsmusiker von Kid Dad an, das kann durchaus zum aussichtsreichen Unterfangen gedeihen, die jungen Männer der Band verbringen augenscheinlich weitaus mehr Zeit im Übungskeller als im Klamottenladen, und das kann im Sinne der musikalischen Weiterentwicklung nicht genug gelobt werden. Bei ihrem ersten München-Auftritt stieß die Band auf offene Ohren bei der zugewandten Hörerschaft, der lärmende Versatz aus Indie-/Noise-Rock und Postpunk wusste zu gefallen. Die Band hielt sich kaum in ruhigeren Fahrwassern auf, das Tempo war flott, die Gitarren laut, der Rhythmus treibend und das Engagement im energetischen Vortrag groß. Junge Menschen, die sich bei den richtigen Vorbildern bedienen und mit dem am Montagabend gezeigten Einsatz über kurz oder lang beim individuellen Klangbild mit eigenem Charakter landen werden, dahingehend fehlt nicht mehr viel. Ihren Job als Anheizer für ASIWYFA in Sachen Krach und harte Gangart haben sie am Montag im Ampere in jedem Fall ordentlich erledigt.
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Die heimlichen Headliner des 2. Festival-Tages beim diesjährigen Dunk!-Postrock-Gipfeltreffen im belgischen Zottegem nach über 2 Jahren wieder im Ampere, allein das ein Grund zur Freude, zu dem sich noch der Umstand gesellte, dass And So I Watch You From Afar neues Material vom kürzlich erschienenen, mit exorbitant schrägem Cover ausgestatteten Tonträger „The Endless Shimmering“ im Reisegepäck mitführten.
Die vier Musiker aus dem nordirischen Belfast überwältigten das Publikum wie bereits beim zuletzt erlebten Auftritt in Ostflandern vom Start weg mit einer kaum zu greifenden Klangwelle aus permanent wechselnden Tempi, flirrenden Gitarren-Attacken, ineinander greifenden Riffs, Kurz-Soli und Rhythmus-Breaks im Grenzbereich zwischen energischem Postrock/Postmetal, komplexem Math-Rock und einer Uptempo-Variante instrumentaler Progressive-Finessen, mit der die Band ihre exzellenten handwerklichen Fertigkeiten formvollendet zur Geltung brachte – ein nachhaltig beeindruckender Überfluss an Klangfarben und stilistischer Fülle, mit dem die Hirnwindungen noch Stunden später damit beschäftigt waren, die Struktur der gehörten Werke zu ergründen. Wie beim sommerlichen Dunk!-Auftritt folgte auf die erste Welle der Druckbetankung in Form eines irrwitzigen tonalen Überfalls in der zweiten Hälfte des Konzerts die weitaus mehr an den klassischen Postrock angelehnte Gangart der Band mit dezenteren Phrasierungen, mit denen ASIWYFA auch das spannungsgeladene Variieren der Lautstärke zu spielen wussten wie den ausladenden Crescendo-Gitarrenflow.
Mit einer geradezu paritätischen Songauswahl aus allen fünf Longplayern deckte die hochsympathische Band ihre gesamte Schaffensphase ab, beim intensiv-konzertanten Gehörgänge-Reinigen wie Publikums-Plätten kamen Titel vom brandaktuellen Album wie „Dying Giants“ und „Three Triangles“ zum Vortrag wie etwa das quasi wörtlich zu nehmende „Set Guitars To Kill“ vom selbstbetitelten Band-Debüt der nordirischen Instrumental-Heroen aus dem Jahr 2009.
Es gibt wenige Bands, die das aufmerksame Publikum mittels tonaler Wucht dergestalt an die Wand nagelt und im Nachgang eine Packung an Denksportaufgaben zum verwunderten Nachspüren mit auf den Weg gibt, And So I Watch You From Afar haben das am Montagabend im leidlich gut gefüllten Ampere ohne Frage mit engagierter Beherztheit und technischer Kunstfertigkeit hinbekommen.
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#dnk17 / Teil 2: Einstieg in das prall gefüllte Tagesprogramm mit All We Expected, einer belgischen Newcomer-Band aus dem benachbarten Westflandern, eine gelungene Aufführung in Sachen Grenzgang zwischen Laut-/Leise-Postrock-Schema und beherztem Post-Metal. Beim Hardcore der Franzosen-Brüller von Time To Burn dann schnell zu der Erkenntnis gekommen, dass die Nummer am frühen Nachmittag doch noch eine zu Heftige ist. Weitaus mehr Wohlwollen empfunden beim Gig des Trios Kozmotron, die Combo aus dem Arrondissement Aalst erwies sich trotz völlig durchgeknalltem Gebaren und Kraut-Konsum des Drummers als versierte Vertreterin in Sachen Acid-, Space- und Psychedelic-Rock, die darüber hinaus den gepflegten Doom-Einschüben nicht abgeneigt war, großer Freakout-Sport mit hohem Unterhaltungswert.
Schwerpunkt Down Under: Der Nachmittag gehörte am zweiten Festivaltag bis zum Abend hinsichtlich großer Bühne der Sydney-/Australien-Fraktion, Dumbsaint eröffneten den Reigen und spielten auf dem 2017er-Dunk!Fest zum ersten Mal in Europa, die Band kombinierte Soundtrack-artigen Postrock mit Film-Präsentationen, in denen ästhetisch ansprechende, mysteriöse und mitunter abseitig-verstörende Geschichten erzählt wurden, im Multimedia-Projekt lief die Musik etwas Gefahr, zur reinen Beschallung der bewegten Bilder zu verkommen, die Kurzfilme absorbierten nahezu die komplette Aufmerksamkeit der Konzertbesucher, hinsichtlich cineastischer Ideen jedoch ein durchwegs gelungener Auftritt des Quartetts.
Die Formation Meniscus sorgte mit einer exzellenten Aufführung für eines der Top-5-Konzerte beim #dnk17, ein vollmundiges Sahnestück aus einem Guss in Sachen intelligenter, euphorisierender, wuchtiger wie filigraner Grenzgang in den Genres Postrock, Djent, Math-Rock und Post-Metal und ein schlagender Beweis für den Umstand, dass die Möglichkeiten des instrumentalen Experimental-Rock bei weitem nicht ausgereizt sind. Das aktuelle Album „Refractions“ ist im Oktober 2016 erschienen, bei Dunk!Records dieser Tage auch in der Vinyl-Ausgabe, in der Fachpresse wurde das Werk als „mature, varied and massively immersive post-rock album“ gelobt, hierzu sind weitere, vertiefende Studien dringend angeraten, demnächst vermutlich mehr zum Thema.
We Lost The Sea wurden im Vorfeld groß beworben und im Festival-begleitenden Stargazer-Magazin entsprechend mit einem ausführlichen Interview gewürdigt, das australische Sextett zelebrierte ihr aktuelles Album „Departure Songs“ in voller Länge, eine formvollendete Inszenierung und ein dramaturgisch gelungener Aufbau vom getragenen, nahezu Desert-Blues-artigen Gitarren-Ambient hin zur Gewitter-entladenden, Sound-Wand-aufbauenden, euphorisierenden Brachial-Entladung, ein gern genommenes Muster und doch immer wieder faszinierend und beglückend, wenn’s denn wie bei We Lost The Sea entsprechend perfekt umgesetzt wird. Nicht zu viel versprochen hinsichtlich vorauseilender Beweihräucherung, die Damen und Herren Festival-Veranstalter, alles gut.
Die Belgierin Karen Willems war bereits im Vorjahr beim #dnk16 mit ihrem Experimental-Postpunk-Trio In Wolves vertreten, in diesem Jahr teilte sich die Drummerin mit ihrem Freejazz-artigen Improvisations-Trommeln und eingestreuten Klangbeigaben die Stargazer-Bühne mit dem derzeit in Berlin ansässigen Experimental-Musiker Aidan Baker, die abstrakten, entschleunigten Gitarren-Drones des gebürtigen Kanadiers im weiten Feld der Ambient-, Trance- und Neuklassik-Töne harmonierten wunderbar im Duo-Vortrag.
Ein Festival-Highlight bot die Stargazer-Bühne am späten Nachmittag mit The Chapel Of Exquises Ardents Pears, einer Kollabortaion der französischen Postrock-Band Anathème mit den Neoklassik-/Crossover-Kollegen von Stems aus dem britischen Huddersfield (Gratulation zum Aufstieg, speziell auch an Chris Schindler, by the way…) – soll noch jemand behaupten, Franzosen und Briten könnten nicht miteinander, das Musiker-Kollektiv lieferte den schlagenden Gegenbeweis mit einer überwältigenden Performance aus dem um klassische Elemente erweiterten Instrumental-Postrock-Bereich, wer bei den kanadischen Göttern von Silver Mt. Zion und Godspeed You! Black Emperor beglückt in den Klangrausch einzutauchen versteht, durfte auch vermittelt durch die tonalen Gezeiten von The Chapel Of Exquises Ardents Pears zwischen feinen, neoklassisch geschulten Streicher-Drones und stürmischer Gitarren-Ekstase die ein oder andere Freudenträne der Glückseligkeit zerdrückt haben. Eine exzellente erste EP „TorqueMadra“ wurde im Übrigen dieser Tage brandaktuell veröffentlicht, mit 20 Minuten Laufzeit bedauerlicherweise viel zu kurz geraten…
Die Waldbühne wartete in den Abendstunden mit zwei Formationen der heftigeren Gangart auf, das belgische Trio Ilydaen war im mittleren bis oberen Tempo-Bereich irgendwo zwischen Noise, Post-Rock, -Metal und Hardcore unterwegs, nicht minder intensiv gerierten sich die drei Katalanen von Malämmar, die ihre Spielart des Postmetal selbst als „instrumental doom/metal by 3 assholes“ betiteln, über die charakterlichen Defizite der Herrschaften aus Barcelona lässt sich kaum Fundiertes berichten, als stramme Musikanten hinsichtlich brachialer Vollbedienung kann man die Truppe indes kaum genug loben.
Die heimlichen Headliner des zweiten Festival-Tages betraten gegen 21.00 Uhr zur besten Konzertzeit die Bühne, die vier Mannen von And So I Watch You From Afar sind seit geraumer Zeit aus der Postrock-Szene nicht mehr wegzudenken, fast auf den Tag genau vor 2 Jahren haben sie uns zuletzt im Münchner Ampere mit einem überwältigenden Sound-Orkan die Gehörgänge durchflutet, beim diesjährigen Dunk!Fest-Auftritt verfielen die Nordiren eingangs in den Modus ihrer schwer zu konsumierenden Tonträger, zuviel an verschachtelter Rhythmik, zuviel an Breaks und für den Hörer kaum zu verarbeitende Prog-Rock-Beigaben versuchte die Band in ihrem konzertanten Vortrag unterzubringen, nach einer guten halben Stunde besannen sich „The Bearded Dragon“ und Co. Gottlob dann doch auf ihre ausgeprägten und über jeden Zweifel erhabenen Live-Tugenden und lenkten das Schiff in den sicheren Hafen mittels schwer euphorisierendem Gitarren-Flow und instrumentalen Klang-Epen, eine mitreißende Aufführung, die den erneuten Besuch im Ampere im kommenden Herbst am 6. November schwer angezeigt sein lässt.
Zum Finale am Freitag schleppte Dylan Carlson zu vorgerückter Stunde seinen Schmerbauch und seine Formation Earth auf die Haupt-Bühne, der Drone-Metal-Pionier zelebrierte seine instrumentalen Songstrukturen in gewohnt repetitiver, minimalistischer Monotonie, das sich permanent wiederholende, gedehnte Gitarrenriff und die kaum variierende Rhythmik im Schlagzeug-Anschlag von Adrienne Davies ließen wenig differierende Charakteristika in den einzelnen Stücken erkennen, die übertriebene Theatralik der Drummerin beim Verrichten ihrer Arbeit hat’s dahingehend dann auch nicht mehr herausgerissen, eine Nummer, die sich im konzertanten Vortrag schnell tot lief. Wo der von den Melvins und La Monte Young gleichermaßen beeinflusste Slow-Motion-Gitarrenwucht-Drone im stillen Kämmerlein zur kontemplativen Beschallung wunderbar funktioniert, bietet die langsame Getragenheit der düsteren Kompositionen für den Konzertgänger leider erstaunlich wenig Spannung.
Vor dem Zelt, mit der Absacker-Bierbüchse am Start, hat sich die Beschallung als Hintergrund-Soundtrack zum Ausklang des Tages unter klarem Sternenhimmel dann wieder passend ins Gesamtbild gefügt… (Fortsetzung folgt).
(01) And So I Watch You From Afar @ Ampere, 2015-05-23
War bereits im Frühjahr offensichtlich, dass der Auftritt schwer zu toppen sein wird. Die nordirische Band, die auf Tonträgern seltsamerweise eher weniger überzeugt, zog konzertant alle Register des Post- und Prog-Rock. Hat die Nase natürlich auch deshalb hauchdünn vorne, weil der Robert, der Anton, der Wojciech und ich unverhofft in einer Doku von ‚Delayed Cinema!‘ über die Band zu Kurzauftritten kamen. Noch nicht Hollywood, aber immerhin… ;-)
(02) Godspeed You! Black Emperor @ Freiheiz, München, 2015-04-09
Nochmal sechs Sterne für die Gattung Postrock: Weit über 10 Jahre haben wir in München warten müssen, bis die kanadische Speerspitze des Genres sich wieder die Ehre gab, im April wurde die elendigliche Warterei fürstlich belohnt.
(03) Great Lake Swimmers @ Hauskonzerte, München, 2015-10-04
Kanada, die zweite: Mehr Holzveranda-/Lagerfeuer-Seeligkeit geht nicht als in der Live-Präsentation des Rundumglücklich-Folk-Pakets der Great Lake Swimmers aus Toronto/Ontario.
(04) Hochzeitskapelle + Thisell @ Maximiliananlagen, München, 2015-08-03
Mundpropaganda-Konzert, auf die Beine gestellt von innen.aussen.raum: Ein perfekter Sommerabend und vielleicht das schönste Open Air seit Jahren, dank herrlichem Sommerwetter, einem wunderbaren Flecken Grün an der Isar, einigen gekühlten Bieren und zwei Musik-Kapellen der Sonderklasse: der Notwist-/Zwirbeldirn-Ableger Hochzeitskapelle und der schwedische Ausnahme-Folker Peter Thisell mit seinen hochsympathischen Begleitern. Die musikalische Krönung eines Jahrhundert-Sommers, nicht weniger.
(08) Steve Wynn @ Südstadt, München, 2015-02-28
Die Dream-Syndicate-Legende und eine Gitarre, mehr braucht es nicht für einen rundum gelungenen Konzert-Abend im ‚Südstadt‘. Und wenn dann auch noch der Publikumswunsch Gehör findet…
(13) Sleaford Mods @ Hansa39, München, 2015-04-28
Der hingerotzte Elektro-Punk aus Nottingham hat im Vorfeld nicht zuviel versprochen. Andrew Fearn und Jason Williamson halten die Fahne der Arbeiterklasse hoch und das Genre am Leben.
(18) Ryan Lee Crosby + Thisell @ Klienicum Hauskonzerte, Ampfing, 2015-03-16
Eike vom Klienicum-Blog und seine bezaubernde Frau Katrin haben in die gute Stube eingeladen und nebst exzellenter Verköstigung einen feinen musikalischen Doppelpack präsentiert: den schwedischen Folker Thisell, den wir im Sommer nochmals im Freien genießen durften, siehe oben, sowie den amerikanischen Blues-Musiker Ryan Lee Crosby, der den depperten Spruch widerlegte, nach dem der weiße Mann keinen Blues singen könne…
(20) Eric Pfeil @ Südstadt, München, 2015-06-16
Kaum jemand beherrscht die mit feinsinnigen Pointen gewürzte deutsche Liedermacherei lakonisch-relaxter als der Rheinländer Eric Pfeil.
Das Schlusswort zum Konzertjahr 2015 soll dem Mafioso gehören, der vor kurzem seinen 100. Geburtstag feierte (wo auch immer) – „It was a very good year!“:
Den Auftakt zum Pfingst-Konzertmarathon als auch für die nordirischen Post-Rocker ‚And So I Watch You From Afar‘ machte ein 20-jähriger Zappelphillip namens Henry Kohen aus Los Angeles, der unter dem Bühnennamen Mylets bisher zwei Tonträger veröffentlichte, die 2013er-Scheibe „Retcon“ sowie das aktuelle Album „Arizona“ (beide Sargent House). Als One-Man-Band bringt Kohen einen energetischen Mix aus Indie-Rock, Industrial-Grunge, Gitarrenloops, Elektro-Drum-Beats und enthusiastisch-verzweifeltem Emo-/Screamo-Gesang in einer Geschwindigkeit auf die Bühne, die ihresgleichen sucht. Der junge Mann scheint Hummeln im Hintern zu haben, ein gleichzeitiges Herumspringen auf den zahlreichen Pedalen, Einspielen seiner Gitarrenschleifen, Bedienen des Drum-Computers und Herausbrüllen der zornigen Texte ohne jeglichen Stillstand habe ich in der Form bis dato nicht erlebt. Was die Gefahr von argem Verzetteln in sich birgt, beherrscht der Multitasking-fähige Bursche perfekt, dass bei dem schwindelerregenden Gehampel qualitativ durchaus ansprechender Indie-Rock zu Gehör getragen wurde, spricht eindeutig für das Talent des Herrn Kohen. Das Absingen eines spontanen „Happy Birthday“ des Publikums zum Geburtstag des Mylets-Artisten legte eindrucksvoll Zeugnis davon ab, dass der junge Mann mit seiner High-Speed-Performance bei den Konzertbesuchern durchaus auf Gegenliebe stieß.
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Nach einer kurzen Umbaupause setzten dann die Grateful Dead des Post-Rock an zu einem eineinhalbstündigen, atemberaubenden Ritt durch die Gefilde der Stromgitarren-dominierten Soundlandschaften. Wie seinerzeit die kalifornische Hippie-Kult-Kapelle veröffentlichen die vier Mannen von ‚And So I Watch You From Afar‘ tendenziell belanglose Studio-Alben, die an vielen, nicht zu knappen Stellen schwer zu verdauen sind und den Hörer ein ums andere Mal ratlos zurücklassen, konzertant sind sie analog zu Garcia & Co jedoch eine Liga für sich.
Während sich im Freien der Münchner Nachthimmel in einem Monsun-artigen Regenguss entlud, zauberten die vier Post-Rocker aus Belfast ein Erfurcht-gebietendes Soundgewitter in den Saal des Ampere, das nur in absoluten Superlativen beschrieben werden kann. Die Live-Präsentation der Post-Rock-Preziosen ist von allem unnötigen Zierrat und Bombast-Firlefanz entschlackt, der auf den Tonträgern des Quartetts beim Hörer latent für betretenes Unwohlsein sorgt, hier wird gezielt und ohne Umschweife an klaren, geradlinigen Strukturen gefeilt. Lange nicht mehr war ich derart beeindruckt und mitunter ergriffen von einem apokalyptischen, mit geschliffener Härte versehenen, aber in keinster Weise unangenehmen Sound wie den von ASIWYFA größtenteils instrumental vorgetragenen Gitarren-Epen. Ein zu keiner Minute nachlassendes Zusammenwirken der Bandmitglieder auf höchstem Niveau gepaart mit Spielfreude und Hingabe garantierten dem verzückten Publikum im gut gefüllten Club einen grandiosen Abend, in dessen weiterem Verlauf gegen Ende der Mylets-Junior nochmals zappelnd und brüllend zur Unterstützung der beiden Gitarristen Rory Friers und Niall Kennedy, von Drummer Chris Wee und dem Bassisten Jonathan „The Bearded Dragon“ Adger auf die Bühne durfte.
Ein konzertantes Ausnahme-Ereignis, mit dem sich das Quartett aus Nordirland in die erste Liga des Post-Rock neben verdiente Größen wie Mono, Godspeed You! Black Emperor oder Mogwai katapultierte.
Konzert des Jahres, soweit.
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