Athens

Reingehört (326): Elf Power

Elf Power – Twitching In Time (2017, Orange Twin)

Was Neues aus der Ecke Elephant 6 Collective: Die bei Bands wie Neutral Milk Hotel, Olivia Tremor Control oder of Montral maßgeblich engagierten Musikanten von Elf Power aus Athens/Georgia kombinieren auf ihrem kürzlich erschienenen Album „Twitching In Time“ ihr ureigenes LoFi-Verständnis mit feinen Beigaben aus der Welt des Sixties Pop, unaufdringlichen, jedoch konstant präsenten Psychedelic-Elementen, Indie-Folk-Rock und Alternative Country. Nach eigenem Dafürhalten sehen sie im neuen Werk ihr „strangest, most cohesive, and most exciting sounding album yet“, beim Gros der Stücke mag man da gerne beipflichten – wenn auch einige wenige Arbeiten nicht über gängiges, längst ausgetretenes Indie-Geplätscher hinausgehen, so ist der weitaus größte Teil der 14 Titel doch mit dem Gütesiegel „Alternative-Ohrwürmer“ zu versehen.
Unter dem Mantel des Indie-Pop scheinen wiederholt ergreifende Prärie-Country-Glückseeligkeit, Reminiszenzen an das melodische, Byrds-geprägte Gitarren-Geschrammel aus der Frühphase der weltberühmten Ortsnachbarn von R.E.M. und melancholische Piano-Balladen-Kunst im Geiste des Kammer-Pop durch, manches erinnert entfernt an die Pop-geprägteren Psycho-Perlen der kalifornischen Kollegen vom Brian Jonestown Massacre, Elf Power reißen geschickt eine Wundertüte an vielfältigen Überraschungen zur Präsentation einer kurzweiligen Alternative-Beschallung auf, im Grundton entspannt, wenn auch der Opener „Halloween Out Walking“ zum Einstieg latent bedrohliche, geisterhafte Beklemmung mitschwingen lässt.
Erfreuliche Arbeit für alle altgedienten Freunde der Band und momentan wahrscheinlich die Platte für diejenigen, die es im Indie-Pop nach wie vor gerne originell, spannend, ergreifend, mit untrüglichem Gespür für unterschwellige Dramatik, beglückende Melodik und halbwegs intelligente Texte präsentiert bekommen wollen – und, quasi als tonales Sanatorium, wahrscheinlich auch die Platte für alle, denen dieses androgyne, bis zum Erbrechen schwerst Mainstream-lastige, über Gebühr gehypte Geseier von Cigarettes After Sex bereits nach ein paar Wochen gehörig auf den Zeiger geht…
(**** ½ – *****)

Elf Power @ Georgia Theatre Rooftop, Athens/Georgia, 2017-05-19 → southernshelter.com

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Maserati + Villages @ Kafe Kult, München, 2017-06-18

Lohnender Sonntagabend-Ausflug nach Oberföhring zum ehemaligen Kulturstation-Gelände, in der lauschigen Alternativ-Chill-Out-Butze Kafe Kult gaben sich zwei versierte Formationen des experimentelleren Indie-Rock ein sommerliches Stelldichein.
Im subkulturell genutzten ehemaligen Lazarett-Gebäude eröffneten bei mehr oder weniger passablem Besuch die drei Musiker der Dresdner Band Villages, das Trio stellte ihr jüngst erschienenes Album „Ill Ages“ vor, indem es sich als Ausbund an überbordender Kreativität präsentierte und mit Nachdruck in einer fast schon irrlichternden Tour de Force im Grenzgang zwischen klassischem Postpunk und Achtziger-Elektro-Pop den richtigen Rhythmus und die passende Melodik suchte und diese oft auch fand. Ein jeweils kurzes Sammeln und Innehalten im Ambient-artigen Flow zwischen den einzelnen Stücken, ansonsten ließen Villages mit harten Beats, flirrenden Gitarren und klirrenden Keyboard-Grooves im Uptempo-Bereich den Geist und die Aufbruchstimmung jener längst vergangenen Jahre der maßgeblich von britischen Combos geprägten New Wave wiederauferstehen, fernab von jeglicher Retro-Romantik gelang gleichwohl das Kunststück der eigenen Handschrift und die Vorwärts-gewandte musikalische Vision. Feiner, vehementer Einstieg in den Konzertabend, beileibe nicht nur für Nostalgiker.
(**** ½ – *****)

Als Headliner des Konzertabends beehrten die Herrschaften von Maserati nach vierjähriger Abstinenz mal wieder die Münchner Postrock-Gemeinde mit ihrer Präsenz, dieses Mal auch wieder in voller Mannschaftsstärke, beim letzten Auftritt 2013 im Orangehouse des Feierwerks musste die Band notgedrungen wegen Virus-Erkrankung auf die Dienste von Bassist Chris McNeill verzichten und die Veranstaltung in ungewohnter Besetzung als Trio bespielen, am Sonntagabend waren alle fit und wohlauf, und so konnte sich die Demonstration der energetischen Klangkunst der Combo aus der R.E.M.-Heimat Athens/Georgia zum ungetrübten Vergnügen gestalten, die Band versteht es nach wie vor wie kaum eine zweite, ihre überwiegend instrumentalen Klangreisen in Richtung Outer Space in perfekt harmonierender Mixtur aus Post-, Kraut-, Psychedelic- und Space-Rock zu präsentieren.
Wo beim letzten Tonträger „Rehumanizer“ hinsichtlich punktuell überreizter Elektronik-Spielereien nicht nur eitel Sonnenschein herrschte, kommt das Quartett im konzertanten Vortrag Gitarren-dominiert im oberen Tempobereich ohne Umschweife auf den Punkt, getrieben vom Schlagwerk-Berserker Mike Albanese knallte die Band ihre druckvoll-wuchtigen Science-Fiction-Soundtracks in die Weiten der Galaxien und glänzte in der Live-Interpretation der jüngsten Werke wie im Vortrag altbewährter Live-Klassiker wie dem berauschenden „Monolith“ eindrücklich.
Warum sich bei einem Maserati-Konzert in München momentan weniger als hundert Besucher einfinden, wird wohl auf ewig eine nicht erklärbare Laune des Schicksals bleiben, eine Combo, die getrost zu den Top Five des amerikanischen Postrock gezählt werden darf, hätte wahrlich größeren Zuspruch verdient, am vergangenen Sonntagabend allemal.
(*****)

Very special thanks an das curt-Team.