Bayern 2-Diwan

Franz Dobler @ Bayern 2-Diwan, Gasteig, München, 2016-11-18

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Der Schriftsteller, Journalist, Blogger und DJ Franz Dobler war im Rahmen des aktuell stattfindenden Münchner Literarturfests im Gasteig am vergangenen Freitag auf der B2-Couch Interview-Gast bei Kulturradio-Redakteur Knut Cordsen.
Thematischer Schwerpunkt war der kürzlich erschienene, zweite Dobler-Krimi „Ein Schlag ins Gesicht“ (2016, Tropen), sein erstes Werk mit dem Polizisten Robert Fallner, „Ein Bulle im Zug“, ist 2015 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet worden.
Im neuen Roman bekommt es der mittlerweile Ex-Polizist Fallner als Security-Mann mit einem Stalker zu tun, belästigt wird die ehemalige 70er-Jahre-Sex-Film-Schauspielerin Simone Thomas, das Thema Stalking war für Dobler aufgrund der Medienpräsenz und neuer Gesetzgebung von literarischem Interesse.
Der Krimi hat einen starken München-Bezug, in der Stadt, die Dobler in der Tradition des großen Städte-Beschimpfers Thomas Bernhard im Vorgänger-Roman als „etwas zu groß geratenes Dirndl“ bezeichnete, hallte für den jungen Schongauer Autor 1979, als er in die Isar-Metropole übersiedelte, immer noch das Echo der frühen 70er Jahre und die Atmosphäre der 68er nach, diese Reminiszenzen verarbeitete er im aktuellen Roman, die fiktive Schauspielerin Thomas tummelte sich im Fassbinder-Umkreis, war Statistin bei Werner Herzog und – hier kommt der Musikkenner Dobler ins Spiel – großer Blondie-Fan, in einer Szene, in der alles „up to date“ zu sein hatte, war klar, dass die Protagonistin Fan der ersten Stunde der New Yorker New-Wave-Ikone war. Simone Thomas ist im Roman wie die reale Debbie Harry ein adoptiertes Kind, die Eltern-Kind-Beziehung zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Knut Cordsen sprach die vielen Zitate im Roman an, Kenneth Anger oder auch der vom Autor sehr geschätzte Jörg Fauser kommen unter anderem zu Wort, Franz Dobler selbst erfreut sich süffisant an dem Umstand, dass der Kneipier im Cafe Lessing eben diesen zu zitieren weiß und er den Aphorismus „Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, aber selten etwas Besseres“ von der Leserschaft gutgeschrieben bekommt, ein für Kriminalromane unübliches Quellenverzeichnis im Anhang sorgt indes für Aufklärung und Richtigstellung.
Franz Dobler selbst lebt seit vielen Jahren in Augsburg, „Augsburg ist ja ähnlich wie München, nur dass es etwas kleiner ist.“
Zum Thema Johnny Cash, über den Dobler nebenher erwähnt 2002 eine sehr lesenswerte Biografie verfasst hat, merkte Moderator Cordsen an, dass der Autor in Analogie zum Folsom-Prison-Konzert der Country-Legende viele Jahre kostenlose Lesungen im Jugendgefängnis Augsburg abhielt, die Anstalt gibt es inzwischen nicht mehr, Dobler bedauert dies sehr, zumal die Delinquenten inzwischen zur Verbüßung ihrer Strafen wesentlich weiter reisen müssten und er selbst bei diesen Veranstaltungen am allermeisten gelernt habe.
„Ist Trump der letzte Ausbruch von Pulp Fiction?“ fragte Cordsen Dobler als ausgewiesenen Experten der amerikanischen Sub- und Pop-Kultur, der Schriftsteller meinte, die Wählerklientel Trumps wäre ihm nicht unbekannt, da er den Süden der USA gut kenne, es trifft nicht zu, dass das nur Nazis amerikanischer Prägung wären, letztendlich fehlen ihm zum Wahlergebnis aber die Worte, er könne nur den von ihm sehr verehrten amerikanischen Autor James Lee Burke zitieren, der in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ zum Trump-Wahlsieg anmerkte: „Es ist, als würde man einen Betrunkenen mit einer Kettensäge zum Geburtstag der eigenen Tochter einladen.“

Das gesamte Interview sendet der Bayerische Rundfunk zu einem späteren Zeitpunkt, im Rahmen des Bayern2-Kulturprogramms „Diwan – Das Büchermagazin“, Termine immer samstags um 14.05 Uhr.

Franz Dobler liest in nächster Zeit aus seinen Werken zu folgenden Gelegenheiten:

26.11. – Erdweg – Wirtshaus am Erdweg
30.11. – München – Theater im Fraunhofer / mit Live-Musik von Philip Bradatsch
06.12. – Augsburg – Golden Glimmer Bar
10.12. – München – Optimal Records / mit Karl Bruckmaier
15.12. – Augsburg – City Club / DJ-Set / mit Live-Musik von Doctorella
16.12. – Augsburg – Grand Hotel Cosmopolis / Rusty Roots Roadshow

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Wolfgang Schorlau @ Bayern 2-Diwan, Gasteig, München, 2015-11-30

Am Montag der vergangenen Woche nahm der deutsche Krimi-Autor Wolfgang Schorlau im Rahmen des diesjährigen Münchner Literaturfests auf dem B2-Diwan Platz und stand der Radio-Moderatorin Martina Boette-Sonner Rede und Antwort zu seinem soeben bei Kiepenheuer & Witsch erschienenen neuen Roman „Die schützende Hand“ um den Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler, in dem er sich in gewohnt kritischer Manier mit den Ermittlungen zu den rechtsradikal motivierten NSU-Morden auseinandersetzt.

Schorlau bezeichnete sich eingangs als spätberufenen Krimi-Schriftsteller, erst mit Ende Vierzig sei er zur Schreiberei gekommen, wobei ihn stets nur politische Themen interessierten, er beschäftige sich in der Regel an die achtzehn Monate mit einem Thema für ein neues Buch, und in dem Kontext sei ihm als Krimi-Autor ein Gattenmord thematisch zu wenig, aber, so Schorlau zugutehaltend: „Nichts gegen einen gut durchgeführten Gattenmord!“
Seine Arbeit erlaube es ihm, bei brisanten Themen hinter die Kulissen zu schauen, in Ecken, in die sonst niemand den Blick richtet, Themen wie die Rote-Armee-Fraktion, die Pharmaindustrie oder das außerhalb Münchens kaum mehr gegenwärtige Oktoberfest-Attentat, immerhin eines der brisantesten deutschen Terror-Verbrechen, erfordern journalistische Recherche-Arbeiten, Interviews, Einsicht in Polizei-Akten und ab und an die Bekanntschaft von „jemandem, der jemand kennt, der wiederum jemand kennt“, der dann Zugang zu brisanten Informationen verschaffen kann.
Für den neuen Dengler-Roman über die rechtsradikalen NSU-Morde arbeitete Wolfgang Schorlau erstmals mit einem professionellen Rechercheur, um die nicht offensichtlichen Zusammenhänge zwischen der rechten Szene und dem Verfassungschutz herzustellen. Hierzu merkte Schorlau an, dass selbst die Arbeit der Polizei in Thüringen durch die Geheimdienste massiv behindert und erschwert wurde, Beamte hätten ihm gegenüber geäußert, dass der rechte Untergrund zudem von Staats-Seite großzügig mit Geld und Schutz ausgestattet wurde.
Die Selbstmord-Theorie des Staatsschutzes bezüglich der beiden Hauptverdächtigen im Rahmen der Ermittlungen zu den NSU-Morden, Mundlos und Böhnhardt, zweifelt Schorlau an, zu viele Ungereimtheiten ergäben sich hinsichtlich des dokumentierten Zeitablaufs, überdies werde eine große rechtsradikale Gruppe wie die NSU kaum thematisiert, man gehe nach wie vor vom Täter-Trio Zschäpe/Mundlos/Böhnhardt aus, die Einzeltäter-Theorie sei haltlos wie seinerzeit beim Münchner Oktoberfest-Attentat, die offizielle Version sei, so Schorlau, damals wie heute anzuzweifeln.
Als Skandal bezeichnete in dem Zusammenhang Moderatorin Martina Boette-Sonner die Vernichtung der Dokumente zu entsprechenden Aktionen von V-Leuten des Verfassungsschutzes zu Beginn des NSU-Prozesses.
Wolfgang Schorlau erklärte, dass er im Rahmen seiner Recherchen zum neuen Roman 2014 vom Untersuchungsauschuß des Landes Baden-Württemberg zum NSU-Mord an der Heilbronner Polizeivollzugsbeamtin Michèle Kiesewetter als Zeuge geladen wurde.

Von Publikum-Seite wurde an den Autor unter anderem die Frage gerichtet, ob er wegen seiner Recherchen bzw. kritischen Romane bisher bedroht worden wäre, worauf er anmerkte, nach Veröffentlichung seines ersten Romans „Die blaue Liste“ seien tatsächlich anonyme Morddrohungen bei seinem Verleger und ihm selbst eingegangen, er empfand das als extrem unfair hinsichtlich seiner damaligen Erwartungen nach dem Krimi-Debüt: „Alles was jetzt kommt, ist der Büchner-Preis, und dann das!“

Ausführlichere Rezensionen zu „Die schützende Hand“, dem 8. Fall der Georg-Dengler-Serie von Wolfgang Schorlau, finden sich in der WordPress-Community bei Gérard Otremba/Sounds&Books und Heiko Hoeppener/Zeitklang.

Albert Ostermaier @ Bayern 2-Diwan, Gasteig, München, 2015-11-26

Ursprünglich war am Donnerstag vergangener Woche für das Autoren-Gespräch der Schriftsteller, Orientalist und diesjährige Friedenspreis-Träger des Deutschen Buchhandels Navid Kermani zum B2-Diwan-Autorengespräch im Rahmen des Münchner Literaturfestes geladen gewesen, krankheitsbedingt musste Kermani kurzfristig absagen, Moderator Niels Beintker fand im Theaterautor, Lyriker und Schriftsteller Albert Ostermaier einen würdigen Ersatz.

Ostermaier, der beim diesjährigen Literaturfest das Forum der Autoren „front:text“ kuratiert, berichtete über seine Erfahrungen und Eindrücke im Austausch mit den teilnehmenden Schriftstellern zum Thema Flucht, das in diesem Jahr aufgrund der aktuellen Situation die Diskussionen und Inhalte von Workshops und Projekten beherrschte.
Ziel des Forums ist es, den Dialog mit Flüchtlingen aufzunehmen und ihre Geschichten über Texte und Bilder neu zu vermitteln.
Albert Ostermeier verwies in dem Zusammenhang auch auf seine Reisen in die arabische Welt, dort sei das Thema Flucht längst angekommen und bekannt, im Libanon kämen beispielsweise auf 4 Millionen Einwohner 2 Millionen Flüchtlinge, ein Umstand, den man sich in Deutschland vergegenwärtigen müsse, wenn man über Obergrenzen diskutiert, die Flüchtlingsströme in Richtung Europa seien letztendlich auch die Konsequenz der fehlenden finanziellen Mittel in den libanesischen Camps, dort vor Ort wäre niemand überrascht von den Entwicklungen der letzten Monate.
Literatur könne letztendlich andere Perspektiven schaffen, so Ostermaier, durch ein Projekt auf Lampedusa, wo Flucht seit 25 Jahren ein beherrschendes Thema und Hilfe eine Selbstverständlichkeit ist, sei ihm und anderen Autoren bewusst geworden, dass sich das Schreiben an sich verändert durch andere Blickwinkel.
Er sprach im Interview auch die „Patenschaft der Autoren“ an, einem Münchner Projekt, das Literaten mit geflohenen Menschen zusammenbringt und das nachhaltig auch über den Zeitraum des Autorenforums hinaus Bestand haben soll.
Laut Ostermaier sei die Sprache an sich entscheidend, man müsse sich über deren Wirkungsmacht bewusst sein, wenn Politiker wie Schäuble von „Flüchtlings-Tsunamis“ sprächen, würde der Strom der Asylsuchenden zur Naturkatastrophe in perfider Weise umgedeutet. Für Politiker sei Sprache das tägliche Handwerkszeug, insofern müsse bezüglich Wortwahl vorsichtiger und verantwortungsvoller formuliert werden, den Politikern dürfe von der schreibenden Zunft nicht die Sprach-Hoheit überlassen werden. Die Ursachen der Krise seien auch in der deutschen Politik zu suchen, das Drama habe Echoräume in unserer Gesellschaft.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellte Moderator Niels Beintker den neuen Roman Ostermaiers vor, „Lenz im Libanon“ (2015, Suhrkamp), Büchners gleichnamiger Held wird in die aktuelle Wirklichkeit des nahen Ostens versetzt, wie bei Büchner ein Schriftsteller in der Krise, der am Hedonismus der westlichen Welt zu zerbrechen droht, in Beirut stellt er sich irritierenden Situationen, betrachtet so aus veränderter Perspektive und stellt sich Fragen dahingehend, was Literatur heute darstellt und wie sich der Schriftsteller im Rahmen der aktuellen Probleme definiert.
Der Anspruch Ostermaiers ist es, dass Literatur der Wirklichkeit auf Augenhöhe begegnet, Literatur habe so die Chance zur Wahrhaftigkeit und Radikalität. Er selbst habe den Libanon bereist, Schriftsteller leben dort seit Jahrzehnten mit der Gefahr des Terrors. Das Land ist derzeit aufgrund der Situation in Syrien massivst bedroht, die Politik sei mehr gefordert denn je, zumal die unterschiedlichen Religionen in dem Mittelmeerland immer wieder die Rolle des Spaltens in der Gesellschaft spielen.

Albert Ostermaier wies in seiner Funktion als Torhüter der deutschen Autoren-Nationalmannschaft darauf hin, dass das Forum der Autoren auch den Münchner Verein „Bunt kickt gut“ in seiner Fußball-Förderung für Flüchtlingskinder unterstützt, der Fußball sei eine wunderbare Form, wie Menschen ohne gemeinsame Sprache in Kontakt kommen können, frei nach Schiller sei der Mensch erst dann Mensch, wenn er spielt. Ostermaier hatte die Lacher auf seiner Seite, als er anmerkte, die Bedenken gewisser Politiker hinsichtlich der Gefahren der Unterbringung diverser Nationalitäten auf engstem Raum in den Flüchtlingsunterkünften sei absurd, „25 Bayern in einem Raum sind genauso gefährlich.“

Albert Ostermaier wurde 1967 in München geboren, seine zahlreichen Theaterstücke wurden unter anderem im Bayerischen Staatsschauspiel München, an den Münchner Kammerspielen, im Hamburger Thalia Theater, im Nationaltheater Mannheim und im Wiener Burgtheater aufgeführt. Daneben ist er Autor von zahlreichen Romanen, Gedichtbänden, Radiohörspielen und Musiktheaterstücken. Für seine Arbeiten wurde Ostermeier neben anderen Preisverleihungen mit dem Ernst-Toller-Preis, dem Kleist-Preis und dem Bertolt-Brecht-Preis ausgezeichnet.

Salman Rushdie @ Bayern 2-Diwan, Gasteig, München, 2015-11-19

Zum Auftakt des diesjährigen Münchner Literaturfestes startete der Bayerische Rundfunk seine in dem Rahmen stattfindende werktägliche Talkrunde „Bayern 2 Diwan“ fulminant: B2-radioTexte-Moderatorin Cornelia Zetzsche durfte zur 2015-Premiere der Veranstaltungsreihe mit dem Booker-Preisträger Salman Rushdie einen der weltweit bedeutendsten Vertreter der zeitgenössischen Literatur auf der orangen Couch im Gasteig-Foyer willkommen heißen.

Die zahlreichen Gäste begrüßten den Jahrzehnte lang von der Fatwa bedrohten indisch-britischen Literatur-Weltstar frenetisch. Neben der Vorstellung seines aktuellen, vor kurzem bei Bertelsmann erschienenen Romans „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ war das Gespräch thematisch selbstredend von den jüngsten Terroranschlägen in Paris und dem Phänomen der militanten Islamisten bestimmt.
Rushdie merkte an, dass fundamentalistischem Terror immer auch ein Element des Puritanismus innewohnt, die Fanatiker konnten es nicht ertragen, dass Menschen sich amüsieren, der Anschlag von Paris galt seiner Meinung nach neben der freien Gesellschaft und der westlichen Welt dem Entertainment und der Freude am Leben. Er wies darauf hin, dass man sich vergegenwärtigen solle, wer den IS finanziert, neben der Türkei, die Öl von den Terroristen am Schwarzmarkt kaufe, seien vor allem die Saudis verantwortlich zu machen, das Land habe in den vergangenen Jahren enorme Summen zur Finanzierung des radikalen Islam und zum Aufbau fundamentalistischer Koran-Schulen verwendet. Der Westen sei in seiner politischen Allianz mit Ländern wie Saudi-Arabien und Katar schlecht beraten, zum Dank für die Verschärfung der Lage im Nahen Osten habe man, so Rusdie, letzteren zu allem Überfluss auch noch die Fußball-WM geschenkt.

Zu seinem neuen Roman sagte Salam Rushdie, er lehne sich stark an der Märchentradition aus Tausendundeiner Nacht an, thematisch handle er hauptsächlich von Dschinns, den Flaschengeistern aus der arabischen Welt, „bad, but sympathetic ghosts“, und deren zahlreicher sexueller Aktivitäten, worauf Cornelia Zetzsche einwandte, das Buch wäre wohl nicht die passende Lektüre für die unter Sechzehn-jährigen, Rushdie konterte, speziell für diese Altergruppe wäre es besonders geeignet.

Zur aktuellen Flüchtlings-Thematik gefragt, meinte Rushdie, Chancellor Merkel sei derzeit vor allem dafür zu bewundern, das sie nicht frage, was man tun soll, sondern was man tun kann. Rushdie, der mit 14 Jahren nach England kam, nannte Großbritannien als ein positives Beispiel, wie Immigration ein Land bereichern könne, der Zuzug der Menschen aus Ländern wie Jamaika, Indien, Pakistan und Bangladesh habe dem Land eine kulturelle Vielfalt beschert („better music, better food“), die jeder Gesellschaft auf lange Sicht nur zum Vorteil gereichen könne. Seit dem Jahr 2000 lebe er in New York, einer Stadt, deren Einwohner sich nur aus Einwanderern oder deren Abkömmlingen zusammensetzen, er genieße täglich die Vielfalt der Kulturen auf den Straßen Manhattans, so der Autor der „Satanischen Verse“. Das 21. Jahrhundert sei das Jahrhundert der Migranten, man müsse diese Realität anerkennen.

Eine detaillierte Inhaltsangabe zu Salman Rushdies neuem Roman findet sich seit gestern bei Sabine/bingereader.org in ihrem Beitrag über die Rushdie-Lesung vom selben Tag im Münchner Cuvilliés-Theater.

Literaturfest München / Bayern 2-Diwan / Programm

Eckhard Henscheid @ Bayern 2-Diwan, Gasteig, München, 2014-12-02

Der Schriftsteller und Satiriker Eckhard Henscheid gab dieser Tage Knud Cordsen vom Bayerischen Rundfunk im Rahmen des Münchner Literaturfests ein launiges Live-Interview auf dem „Bayern 2-Diwan“ zu seiner Neuveröffentlichung „Dostojewskis Gelächter: Die Entdeckung eines Großhumoristen“. Das Gespräch drehte sich – wie sollte es anders sein – um die humorige Seite des russischen Großautors, die auf den ersten Blick nicht jedermann ins Auge springt. Henscheid monierte, dass Dostojewski oft von jungen Literaturfreunden verschlungen und dann in späteren Jahren nicht mehr angefasst wird, womit dem späteren (und geübteren) Leser der feine Witz seiner Sprache verborgen bleibt, was Moderator Cordsen (und auch ich für mich) bestätigen konnte. Parallelen wurden hergestellt zu Karl Valentin und Gerhard Polt, der sonst von Henscheid wenig verehrte Thomas Mann wurde hinsichtlich seiner Darstellung Dostojewskis als großen Humoristen ausdrücklich gelobt, wohingegen er für das Dostojewski-Essay Stefan Zweigs nur vernichtende Worte fand. Die verdiente D.-Übersetzerin Swetlana Geier wurde auch gerügt, hat sie doch den unverzeihlichen Fauxpas begangen, das bayerische „Grund- und Boden-Spiel“ Schafkopf mit „Schafskopf“ zu übersetzen.
Im Nachgang zu diesem recht unterhaltsamen Gespräch stellt sich mir die Frage: Soll ich mal wieder „Die Dämonen“ von Dostojewski anpacken oder doch lieber die „Trilogie des laufenden Schwachsinns“ von Henscheid selbst, beides gewichtige Brocken und auf ihre jeweilige Art höchst unterhaltsam?

And now something completely different: Eckhard Henscheid ist unter anderem auch ein ausgewiesener Kenner des deutschen Fußballs, aus Anlass der diesjährigen Weltmeisterschaft hat er dem Magazin 11FREUNDE im Sommer ein lesenswertes Interview gegeben – hier ein kurzer Auszug zum Genießen:

11FREUNDE: Sie bestreiken die Spiele der deutschen Nationalmannschaft seit 1990, warum eigentlich?
Eckhard Henscheid: Es hatten sich damals einige Gründe aufgetürmt. Dazu gehörten eine gewisse Gelangweiltheit mit ihrem Spiel und die völlige strategisch-zerebrale Bescheuertheit des damaligen Nationaltrainers Beckenbauer. Da hat sich im Laufe der Jahre aber schon einiges geändert. Zuletzt wurde ich durch das dämliche Gerede des allseits gelobten Herrn Löw in meiner Haltung bestätigt.

11FREUNDE: Das haben Sie im April dieses Jahres in einem Interview mit der »Süddeutschen Zeitung« auch öffentlich gemacht: »Löw ist zweifellos ein besonders inferiorer Kopf. Wenn man seine Interviews und Ansprachen googelt, kann man erfahren, dass er jeden Tag, ja manchmal pro Satz mindestens zweimal ›Wahnsinn‹ sagt. Ein Sprachschatz wie ein zurückgebliebenes zehnjähriges Kind.« Starker Tobak.
Eckhard Henscheid: Vor der WM hat das sogar zugenommen, da kamen »Wahnsinn« und »unheimlich« noch häufiger vor. Löw hat auch bei der Weltmeisterschaft, wenn man es allein auf der sprachlichen Ebene betrachtet, viel dummes Zeug geredet. So hat er seinen Spielern empfohlen, sich zu »fokussieren«, was immer das heißen mag. Allerdings hat er auch einige passable Sachen gesagt, so etwa, dass wir uns nach dem Spiel gegen Brasilien zur »Demut« entschließen sollten. Es war sehr überraschend, dass ein moderner Fußballtrainer einen solchen altchristlichen Begriff benutzt. Ich muss mein strenges Urteil über Löw also etwas modifizieren.
(Aus: Er hat viel dummes Zeug gequasselt, Eckhard Henscheid über die DFB-Elf und Jogi Löw, 11FREUNDE, September 2014)

Eckhard Henscheid / wikipedia