Ben Frost

Reingehört (347): Ben Frost

Ben Frost – Threshold Of Faith EP (2017, Mute)

In Australien geboren, in Reykjavík ansässig, in den Grenzbereichen der experimentellen Musik beheimatet: Der Komponist und Musiker Ben Frost, hier bereits mit seiner exzellenten, in jeder Hinsicht rabenschwarzen Aufführung beim 2016er Münchner Frameworks-Festival sowie seiner letztjährigen Opern-Vertonung des Iain-Banks-Romans „The Wasp Factory“ bepriesen, hat sich mit dem Chicagoer Noise-Gott Steve Albini eine geistesverwandte Seele an seine Seite geholt und mit „Threshold Of Faith“ ein knapp halbstündiges, gewaltiges Brachial-Krach-/Elektro-Ambient-Epos produziert.
Abstrakte Instrumental-Drones, Samples, Verzerrungen, weißes Rauschen und pochende Finsterklänge lassen mystische Klanglandschaften zwischen artifizieller Schönheit und verstörender Beklemmung entstehen, im kristallklaren Flow im einen und Black-Metal-/Industrial-artiger Elektro-Atonalität im nächsten Moment, scheinbar sich verselbstständigende Synthies und Bass-lastige, schwergewichtige Elektrobeats beschwören Assoziationen an kalte, unwirtliche, menschenleere isländische Schnee- und Eisfelder vor dem inneren Auge herauf. Trotz düsterer Grundstimmung etwas mehr Licht und sporadisch freundlichere Klangfarben als in den letzten Begegnungen mit Meister Ben, immerhin. Hinsichtlich kunstvoll inszeniertem Lärm, tonalem Wahnsinn und vor nichts zurückschreckender Auslotung der klanglichen Möglichkeiten trifft für die Kombi Frost/Albini das alte bayerische Sprichwort voll ins Schwarze: „Die hätten die Tauben nicht schöner zusammentragen können“ – darauf 2 cl Black Death… ;-)))
(**** 1/2)

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Reingehört (253): Ben Frost

FRAMEWORKS FESTIVAL Ben Frost - Einstein Kultur München 2016-03-11 ---DSC00828

Ben Frost – The Wasp Factory (2016, Bedroom Community)
Der Mann ist immer wieder für eine Überraschung gut. Im vergangenen Frühjahr hat er in München eine berückende Vorstellung hinsichtlich atonalem Grenzgang zwischen Black-Metal-Exzess, Minimal Music und abstrakten Noise-Drones im Rahmen des diesjährigen Frameworks-Festivals für experimentelle Musik und Multimedia-Projekte gegeben, aus der Vergangenheit stehen Kollaborationen unter anderem mit Brian Eno und Tim Hecker zu Buche, dieser Tage veröffentlicht der in Reykjavík residierende Australier Ben Frost die Tonträger-Fassung seiner ersten Oper über das isländische Bedroom-Community-Kollektiv, basierend auf dem gleichnamigen Debüt-Roman des schottischen Science-Fiction-Autors Iain Banks über den siebzehnjährigen Psychopathen Frank Cauldhame entwirft Frost in dem 2013 erstmals bei den Bregenzer Festspielen live aufgeführten Bühnenwerk eine minimalistisch-neoklassische Wunderwelt, die hinsichtlich tonalem Klangerlebnis weitaus zugänglicher ist als der Großteil seines umfassenden Werks.
Die Geschichte des isolierten Jungen auf der Insel (in den Achtzigern zum Kultbuch avanciert), der traumatisiert und von Obsessionen beherrscht in seiner eigenen Psyche verloren geht und in ausgelebter Boshaftigkeit seine Umwelt manipuliert bis hin zu leidenschaftslosen Menschenopfern, wird präsentiert in einer an die Minimal Music angelehnten, Streicher-dominierten Orchestrierung, die Monologe des jungen Frank und der Fortgang der Geschichte im Libretto von David Pountney werden erzählt durch die schönen, geradezu lieblichen, weiblichen Singstimmen von Lieselot De Wilde, Jördis Richter und Mariam Wallentin, die im krassen Gegensatz zu den gesungenen Texten stehen, welche eine Horror-hafte, extreme Brutalität transportieren.
(**** – **** ½)

Ben Frost + Origamibiro @ Frameworks Festival, Einstein Kultur, München, 2016-03-11

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Tag 2 des Frameworks Festivals für experimentelle Musik war der Tag der extremen Gegensätze, Freunde des gepflegten Ambient wurden ebenso beglückt wie die hartgesottenen Hörer finsterer Drones.
Den Abend eröffnete das audio-visuelle Künstlerkollektiv Origamibiro, gepaart mit ausgesucht britischer Höflichkeit zelebrierten der Gitarrist Tom Hill und der Kontrabassist Andy Tytherleigh (aka Shmoov/Hubtone/Debaser Boy) ihre analog-akustisch vorgetragenen, sich genügend Zeit zur Entfaltung nehmenden musikalischen Meditationen, die mit elektronischen Beigaben in Form von Field Recordings, Ambient-Soundlandschaften und gesampelten Geräuschen wie dem Zerknüllen von Filmrollen und dem Schütteln einer Wasserflasche ergänzt wurden, zwischen abstraktem Trance und wunderschönen Melodien/Rhythmen wandernd bot das Klangbild wohltuende musikalische Entspannung, die das Publikum trotz bedächtig-harmonischem Grundton immer forderte und genügend Wendungen parat hielt, um die Grundspannung auf hohem Niveau zu halten.
Exzellent bereichert wurde der akustische Wohlklang durch die zu Teilen live vor Ort produzierte visuelle Installation von Jim Boxall (aka The Joy Of Box), der sympathische Brite legte über vorhandenes Videomaterial seine parallel zum Konzert abgescannten Bilder aus Büchern und Dia-Fotos, dezent in der Darstellung verzerrt bot sich den Besuchern ein optischer Rausch, der den akustischen Gehalt der Multimedia-Aufführung ideal unterstützte.
(**** ½ – *****)

Nachdem Festival-Kurator Daniel Bürkner an all jene, die diesbezüglich nicht gerüstet waren, den nötigen Gehörschutz für die folgende Aufführung verteilt hatte – Bürkner auch dahingehend ein vorbildlicher, nicht genug zu lobender Kümmerer um die Veranstaltung und das Wohl der Besucher – stand mit der Aufführung des aus Melbourne stammenden und im isländischen Reykjavik ansässigen Experimental-Künstlers Ben Frost das Highlight der diesjährigen Veranstaltungsreihe an. Frost ist im Bereich der abstrakten Musik kein unbeschriebenes Blatt, er hat unter anderem bereits mit Größen wie Brian Eno und Tim Hecker in Kooperation produziert und gilt als Ikone des experimentellen Noise.
Das knapp einstündig aufgeführte Werk des gebürtigen Australiers lotete am Freitagabend die Grenzbereiche zwischen Minimal-Klassik, abstraktem Drone und den Härten des Black Metal aus, kontemplative, Melodien erkennen lassende Ambient-Verzerrungen gaben sich mit einem weißem Rauschen die Hand, welches sämtliche gängigen Soundstrukturen zersetzte und auflöste, im Verbund mit der angedeuteten, Schmerz-erzeugenden Intensität des Metal formte sich ein gleichermaßen verstörendes und faszinierendes Soundgebilde, dessen Sog sich der Zuhörer schwer entziehen konnte, die unfassbare Schönheit des markerschütternden, kompromisslosen Lärms der Swans in ihrem konzertanten Rausch oder die finalen, atonalen Auflösungen der ellenlangen Ton-Meditationen von J. R. Robinsons Ambient-Metal-Projekt Wrekmeister Harmonies mögen als Anhaltspunkte dienen.
Die düstere Grundstimmung wurde durch den abgedunkelten, vom Trockeneis durchfluteten Raum und den sporadisch aufblitzenden Lichtimpulsen optimalst verstärkt, so könnten sich postmortale Zustände anfühlen, eine vom Grundrauschen durchwirkte Düsternis, in dem das Zucken des Lichts den Weg aus der Finsternis weist.
(***** – ***** ½)