„Ein Traum in Moll“ stand an dieser Stelle im Mai 2015 zur anstehenden Veröffentlichung des Binoculers-Albums „Adapted To Both Shade And Sun“ als staunende Schwärmerei über den Zauberwald-Pop der Hanseaten zu lesen, verbunden mit der Hoffnung auf ein baldiges konzertantes Aufführen der feinen Tonkunst des Hamburger Duos in Münchner Gefilden, die IsarstädterInnen mussten sich dann doch noch etliche Monde gedulden bis zur Erfüllung dieses Begehrs, Blogger-Freund Eike Klien vom Klienicum-Blog hat’s nun möglich gemacht und das ursprünglich angedachte Wohnzimmerkonzert in seinem Ampfinger Refugium spontan als Wild Honey Concert umgewidmet und die Veranstaltung in der wunderbaren Örtlichkeit des Sendlinger Bienenordens (ehemals Atelier gUT) angesiedelt.
Nadja Rüdebusch und ihr musikalischer Wegbegleiter Daniel Gädicke haben seit einem Monat ein neues Album am Start, dementsprechend reichhaltig war der Anteil der einzelnen Werke aus „Sun Sounds“ (Insular) beim gut besuchten Konzertabend im Sendlinger Künstleratelier von Denis Stepanovic am vergangenen Sonntagabend, das Duo verstand es auf entspannte und äußerst charmante Art, den herrlichen Sonnentag angenehmst mit ihrer individuellen Spielart der Indie-Pop-Harmonien zu krönen.
Die Binoculers-Klangwelt erstreckte sich in einem äußerst stimmigen Gesamtbild von melancholischen, Chanson-haften Kleinoden hin zu nonchalanten Kammer- und Dream-Pop-Kostbarkeiten, Rüdebusch und Gädicke glänzten mit dezent platzierten Beigaben aus dem Desert Blues und der experimentellen Psychedelic, die im Grundton entschleunigte, zurückgenommene, oft dezente Tondichtung erfuhr mit Perlen wie „The Cities“ oder „Same Sun“ punktuelle Uptempo-Einschübe, die in frisch-unverkrampftem Nach-Vorne-Abgehen gar Hit-Potential offenbarten.
Herausragende Charakteristika im Vortrag der beiden hochsympathischen Hanseaten sind neben dem Einsatz zurückgenommener Electronica, dem reduzierten Gitarrenanschlag und der in homöopathischen Dosen zur Krautrock-Progressive-Psychedelia neigende Keyboard-Klang vor allem anderen die Gebirgswasser-klare, gleichsam verträumt-erotisch wie rein klingende Singstimme von Nadja Rüdebusch, die von Konzertbeginn weg in den Bann schlug, und das virtuose Schlagwerk-Spiel Daniel Gädickes, das trotz zurückhaltender Unaufdringlichkeit jederzeit ausgeprägte Könnerschaft erkennen lässt und mit seiner Rhythmik dem ureigenen Sound der Band den stimmigen Rahmen gibt.
So, wie das aufmerksame, kundige Publikum vom Vortrag des Duos ergriffen wurde, so begeistert waren die beiden Künstler von der schmucken Lokalität in Sendling, gerne kommen wir beizeiten auf das Ansinnen und das Versprechen der Band zurück, hier bei Gelegenheit ein Freiluft-Konzert im schönen Bienenorden-Hof zu spielen, time will tell…
(*****)
Very special thanks an Katrin Klien für das feine Catering, das wie immer einem rundum gelungenen Abend die spezielle Note verlieh.
Das nächste Wild Honey Concert im Bienenorden findet am 19. Mai statt, auftreten wird das Duo Wayne Graham aus Whitesburg/Kentucky mit äußerst gepflegtem US-Indie-Folk und Alternative Country, wir freuen uns schon wie Bolle.
Binoculers treten heute im Zing in Saarbrücken auf, weitere Termine der laufenden Tour:
„When I said you’re strange It was a compliment, you know“ (Langhorne Slim & The Law, Airplane)
Irgendwie ein typisches „Es-war-schon-alles-da-in-der-Musik-darum-schon-wieder-kein-neues-‚Astral-Weeks‘-‚Zen-Arcade‘-‚Exile-On-Main-St‘-Wunderwerk“-Jahr, dafür aber ein Musik-Jahr mit überraschenden Comebacks, würdigen Alterswerken, spannenden Mixturen, ein paar erwarteten und etlichen unerwarteten Highlights, einigen gewichtigen Ausgrabungen aus den Archiven und einem ersten Platz, der das in der Gesamtheit nicht sonderlich rosige Jahr 2015 in seiner Grundstimmung einfängt.
(01) Steve Von Till – A Life Unto Itself (2015, Neurot)
Das düstere Songwriting des Neurosis-Sängers/-Gitarristen: die Platte des Jahres 2015 im Kulturforum. Der passende Soundtrack für ein Jahr, von dem Bilder/Eindrücke unter anderem von gekenterten Flüchtlings-Booten, dem Terror-Anschlag auf einen Live-Club und allerhand politischen Verwerfungen bleiben werden, leider.
(02) Pops Staples – Don’t Lose This (2015, Anti)
Würdiges Alterswerk der Gospel-/Soul-Ikone, aus Rohfassungen von Tochter Mavis Staples und Wilco-Vorturner Jeff Tweedy behutsam zu einem guten Ende gebracht.
(11) Die Buben im Pelz & Freundinnen – Die Buben im Pelz & Freundinnen (2015, Konkord)
Den Violinen-Drone aus „The Black Angel’s Death Song“ haben sie nicht hingekriegt, sowas bleibt natürlich nur Musikern wie dem Gott-ähnlichen John Cale vorbehalten, ansonsten haben sie wirklich alles richtig gemacht, die Buben im Pelz und ihre Schicksen, mit ihrer Wiener Adaption eines der wichtigsten Alben der Pop-Historie. Total leiwand, eh kloa…
(17) Waves – Stargazer (2015, Waves)
Mit das Interessanteste in Sachen Post-Rock kam heuer aus München. Meine Hardcopy fange ich mir beim Konzert am 14. Januar im Backstage ein und dann folgt auch eine ausführliche Besprechung. Versprochen.
Das soll’s gewesen sein von meiner Seite für 2015. Rutscht gut rüber ins neue Jahr, ich wünsche Euch alles Gute, Glück und vor allem Gesundheit für 2016, uns wird es vermutlich auch im neuen Jahr im Großen und Ganzen wieder besser ergehen als 99% vom Rest der Welt, in diesem Sinne, weil Sylvester ist und weil gleich die Böller und Sektkorken knallen, soll das letzte Wort im alten Jahr an dieser Stelle Nathaniel Rateliff gehören: „Son of a Bitch, give me a Drink !!!!“ ;-)
Binoculers – Adapted To Both Shade And Sun (erscheint im Juni 2015, Insular)
Es gibt Musikkonsumenten, und da will ich mich nicht ausnehmen, die finden den Umstand beklagenswert, dass von der wunderbaren amerikanischen Songwriterin Hope Sandoval und ihrer Dream-Folk/-Pop-Combo Mazzy Star grundsätzlich wenig und schon eine ganze Weile kein aktuelles Material verfügbar ist, aber ich kann an dieser Stelle die Darbenden beruhigen: Andere Mütter haben auch schöne Töchter und so möchte ich auf die kommende, dritte Langspielplatte der Hamburgerin Nadja Rüdebusch und ihrem Projekt Binoculers hinweisen, dass sie 2007 ins Leben rief und bei dem sie auf ihrem neuen Album, dass sie zusammen mit Daniel Gädicke produzierte, von eben jenem am Schlagzeug unterstützt sowie auf der anstehenden Tour – die, wie ich hoffe, auch nach München führt – begleitet wird.
Die kommende Veröffentlichung wird eine wunderschöne, psychedelisch angehauchte und behutsam instrumentierte und arrangierte Songsammlung sein, die die leisen Töne pflegt und die neben verhuscht-zauberhaftem Indie-Pop auch vermehrt an anspruchsvollen Chanson denken lässt. Und hinsichtlich sinnlicher Stimm-Ausstrahlung kann es die Hanseatin Nadja Rüdebusch mit Mrs Sandoval aus L.A., California, allemal aufnehmen. Ein Traum in Moll.
(**** ½)
Vielen Dank an Lennart Thiem von www.Niedervolthoudini.com für die nette Postkarte und den Download-Code.
Pale Honey – Pale Honey (2015, Bolero Recordings)
Alter Schwede, von wegen! Junge Schweden! Mit feminin/lasziv/erotischem Gesang und rhythmischem Schepperrock. Der Sound, der beim kürzlich lautstärkenmäßig leider sehr gedämpften Konzert der Combo in der Südstadt noch recht schrammlig-melodisch in C86-Manier rüberkam, wird auf dem ersten Longplayer des Quartetts aus Göteborg von Rhythmusgitarren-Stakkato und technisch-elektronischen Beigaben dominiert, Vergleiche zu Sleater-Kinney, PJ Harvey aus deren wilder Zeit und dem Alternative-Rock-/Blues-Punk-Projekt Boss Hog um Cristina Martinez und ihren Göttergatten Jon Spencer seien ausdrücklich erlaubt. Schöne Platte für den Frühling, die groovig-munter mitzucken und das Tanzbein befreit schwingen lässt.
(****)
Giant Sand – Heartbreak Pass (2015, Rykodisc)
Die gefühlt 328. Veröffentlichung der Combo um Howe Gelb aus Tucson, Arizona. Wer den Überblick über die Veröffentlichungen aus dem Giant-Sand-Universum behalten hat und sie fehlerfrei herunterbeten kann, kriegt von mir als Belobigung ein Heiligenbild ;-)))
Qualitativ recht hochwertig schrubbt sich hier der alte Howe mit seinen zahlreichen Gefährten durch gewohnt lakonische Alternative-Country-Crooner-Nummern, launige Piano-Western-Swing-Balladen und – man höre und staune – für seine Verhältnisse recht mainstreamiges Folkrock-Liedgut. So straight forward und eingängig hörbar war’s bei Giant Sand jedenfalls lange nicht mehr, liegt wohl auch an der Mitarbeit von KT Tunstall, den Jungs von Desoto Caucus, John Parish (der det janze auch gemixt hat) und Grant-Lee Phillips.
Giant Sand spielen am 17. Mai live im Münchner Feierwerk / Hansa39. Hope to see you.
(****)