Blind Boy Fuller

Reingehört (174)

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Muddy Waters – Hoochie Coochie Man: Live At The Rising Sun Celebrity Jazz Club (2016, Justin Time Records)
Falls im Plattenschrank gähnende Leere herrscht hinsichtlich Muddy-Waters-Konzertmitschnitten: hiermit wäre Abhilfe zu schaffen. Der Meister des Chicago-Blues spielt sich mit Unterstützung seiner Band in einem Jazzclub in Montreal zu Zeiten der Veröffentlichung seines hochgelobten, Grammy-prämierten Albums „Hard Again“ (1977, Blue Sky / Legacy) durch zehn Klassiker seiner langen Karriere, relaxt, ohne Pathos und unnötiges Blendwerk, auf das Wesentliche konzentriert, in exzellenter, remasterter Aufnahmequalität dargereicht. Allein schon die herausragende, elfminütige Interpretation der Leiber/Stoller-Nummer „Kansas City“, in der sich Muddy Waters den Gesangspart mit seinem altgedienten Pianisten Pinetop Perkins teilt, nötigt jeden Blues-Fan zur Anschaffung des Tonträgers.
(*****)

V.A. – Rough Guide To Gospel Blues (2016, Harmonia Mundi)
Wie von der renommierten Rough-Guide-Reihe nicht anders zu erwarten: Eine sorgfältig zusammengestellte, umfassende Übersicht zum Thema „Bluesgitarre trifft Heilige Schrift“.
Bekanntere Vertreter des Genres wie Reverend Gary Davis, Blind Lemon Jefferson, Charley Patton, Blind Boy Fuller, Bukka White, Skip James und Blind Willie McTell finden sich auf dem Sampler neben Country-Blues-Gott Mississippi John Hurt und unbekannteren Interpreten, der bereits 1931 in jungen Jahren verschiedene Barbecue Bob etwa, die Blues-Frau Mother McCollum, über die das Online-Magazin goldminemag.com schreibt: „Nothing is known about her. Nothing! It’s as if she materialized, fully-formed, in the recording studio that day, belted out the kind of blues that makes a listener’s jaw drop in appreciation, and then stole away into the night — no forwarding address, never to be heard from again“ oder ein Mann namens Bo Weavil Jackson, der in den zwanziger Jahren auch als Sam Butler Tonträger einspielte, auch über ihn sind ansonsten weder Zeit und Ort seiner Geburt noch das Datum seines Dahinscheidens und seine letzte Ruhestätte bekannt, möglicherweise ist er einst in den Himmel aufgefahren, sein Beitrag „I’m On My Way To The Kingdom Land“ lässt die Vermutung zu.
Gottgefällige musikalische Wohlkläng aus den Bereichen Folk-Blues und Spirituals schmücken den Tonträger ebenso wie rohe, den Zorn Gottes heraufbeschwörende Ausbrüche im Hard-Blues-Rumpler „I Know His Blood Can Make Me Whole“ des einflussreichen und bibelfesten Blues-Predigers Blind Willie Johnson.
Gospel und Blues, zwei Seiten der gleichen Medaille, hinsichtlich Themen wie dem Verlangen nach einem besseren Leben und der Hoffnung nach Erlösung, mustergültig dokumentiert auf dieser umfangreichen 25-Stücke-Sammlung. Amen.
(**** ½ – *****)

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Reingehört (71)

cephaswiggins

 

Warren Haynes feat. Railroad Earth – Ashes & Dust (2015, Mascot / Rough Trade)
Bei dem hat der Tag mehr als 24 Stunden, anders kann ich mir den Output nicht erklären, den der Ausnahmemusiker Warren Haynes seit Jahren, und das in gleichbleibend hoher Qualität, unters Volk bringt. Gitarrist bei der Allman Brothers Band, Vorsteher der eigenen Hard-Blues-/Jam-Band Gov’t Mule, Mitstreiter der überlebenden Toten bei diversen Grateful-Dead-Nachfolgeprojekten wie The Dead oder Phil Lesh & Friends, und dann findet sich auch noch Zeit für Soloarbeiten wie das hier vorliegende Album, bei dem sich der Meister der Bluesrock-Gitarre mit der Jam-Band Railroad Earth aus Stillwater/New Jersey, zusammentat, ihres Zeichens versierte Könner des Bluegrass-/Americana-/Folk-Fachs und somit kongeniale Begleiter bei diesem Blues-Bluegrass-Crossover-Fest.
Wo Haynes bei seinen diversen Jobs gerne mal beherzt-heftig-hart in die Saiten der Stromgitarre greift, kommt auf dieser Kollaboration verstärkt die organische, akustische, entspannte Variante seiner Kunst zum Tragen.
Die Texte befassen sich größtenteils einfühlsam und ohne sentimentales Geschwurbel mit der United States Working Class und so gefällt das Werk auch hinsichtlich Dichtkunst ganz vorzüglich.
Der stämmige Warren aus Asheville/North Carolina untermauert mit diesem neuen Album einmal mehr, dass er neben dem erdig-harten Improvisieren auch die leisen, filigran-ausdifferenzierten Töne perfekt beherrscht. Ich setze an der Stelle schnell meinen Hut auf, damit ich ihn ziehen kann…
(*****)

Buddy Guy – Born To Play Guitar (2015, RCA / Sony)
28. Studioalbum der lebenden Chicago-Blues-Legende Buddy Guy, der mit seinem elektrischen Gitarren-Blues Größen wie Jimmy Page, Jeff Beck und vor allem Stevie Ray Vaughan maßgeblich beeinflusste und in den sechziger Jahren an diversen Aufnahmen des „Godfathers of Modern Chicago Blues“ Muddy Waters beteiligt war – und um es kurz zu machen, es ist eine recht erfreuliche Sammlung aus traditionellem Blues der reinen Lehre, Bluesrock im weitesten Sinne und bläserunterstützten Soul-Blues-Aufnahmen entstanden, die nur in Richtung Rock-’n‘-Roll-Ausflüge etwas weniger konveniert und selbstredend vor allem vom begnadeten, unvergleichlichen Saitenspiel Buddy Guys lebt, den Eric Clapton einst als „the best guitar player alive“ bezeichnete.
Bei „Wear You Out“, ein Stück unter maßgeblicher Beteiligung von ZZ Top’s Billy Gibbons, stellt sich die Polt’sche Frage „Braucht’s des?“ und ich würde sagen „Nö, eher nicht“, dafür darf bei der B. B. King-Hommage „Flesh & Bone“ Van Morrison als Duett-Partner glänzen, der Belfast Cowboy unterstreicht hier eindrucksvoll, dass er nach wie vor zu den ganz großen Sangeskünstlern gezählt werden muss und mit „Come Back Muddy“, einer wehmütigen, getragenen Würdigung des Meisters aller Klassen – der entweder heuer oder bereits vor 2 Jahren seinen Hundertsten gefeiert hätte, da gehen die Meinungen auseinander – setzt Buddy Guy einen würdigen Schlusspunkt eines Albums, dass man Blues-Feinschmeckern nahezu uneingeschränkt ans Herz legen kann.
(**** ½)

Blind Boy Fuller – The Rough Guide To Blues Legends (2015, World M.N. / Harmonia Mundi)
Diese ‚Rough Guide‘-Serie war schon immer ein weites Feld für Entdeckungen, vom Obertongesang der tibetischen Mönche von Gyütö bis zu Verdauungsgeräuschen der Atlantik-Buckelwale gibt es da viel Hörenswertes, diese Ausgabe widmet sich dem amerikanischen Musiker Blind Boy Fuller, der in seinem Werk unterschiedliche Stile wie Ragtime, Gospel und traditionellen Country Blues vereinte und neben der großartigen Elizabeth Cotton sowie Blind Willie McTell, Reverend Gary Davis, Sonny Terry und Brownie McGhee als wichtiger Vertreter des sogenannten „Piedmont Blues“, einer speziellen Variante des Akustikgitarren-Fingerpickings, gilt, welche spätere Könner wie Ry Cooder, Doc Watson, Mark Knopfler oder Nick Drake immens beeinflusste.
Die hier vorliegende 25-Song-Sammlung gibt einen guten Überblick über das Schaffen des im Teenager-Alter erblindeten Bluesmusikers mit der sandigen Stimme, dem charakteristischen, rhythmischen Spiel auf der National Steel Guitar und dem oft rohen, zupackenden Vortrag, der vor allem das unterprivilegierte Dasein als Schwarzer im Amerika der dreißiger Jahre in seinen Songs thematisierte und der bereits 1941 mit 33 Lenzen wegen der Folgen einer nicht behandelten Syphilis und aufgrund seines exzessiven Alkoholkonsums in Durham/North Carolina das Zeitliche segnete.
Der Klang dieser Aufnahmen ist aufgrund des Alters und trotz Remastering/Restaurierung selbstverständlich antiquiert, mindert aber in keinster Weise die Güte des Songmaterials.
Wann erscheint eigentlich im Rahmen dieser Serie „The Rough Guide To Fan-Gesänge Of Obergiesing“, hat ja auch irgendwie was mit Blues zu tun…?
(**** ½)