Bob der Meister

Lost & Found (7): StevieRay Latham

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StevieRay Latham – Modern Attitudes (2015, At The Helm Records)
Vor kurzem drübergestolpert: Der seit langem beste Dylan-Epigone seit Äonen, ein ganz heißer Kandidat beim Bob-der-Meister-Soundalike-Contest für die mindestens nächsten hundert Jahre.
„Modern Attitudes“ ist bereits Anfang letzten Jahres erschienen, das Erstwerk des jungen Londoners strotzt vor Reminiszenzen an die Frühphase des Columbia Recording Artists, selten hat jemand die Periode vom Bob-Debüt bis circa „Bringing It All Back Home“ (1965) so komplett aufgesaugt und formgerecht wieder von sich gegeben wie Jungspund Latham, inklusive Harmonica-Gebläse und artverwandtem Genöle im Gesang.
Weit mehr Greenwich Village, Phil Ochs oder Woody Guthrie (und meinetwegen auch Leonard Cohen) als irgendwas, dass Musik-historisch an die Themse-Metropole erinnern würde, like Punk never happended, sozusagen.
Wer das aktuelle Sinatra-/American-Songbook-Geseier des Originals nicht zu goutieren weiß, und davon gibt es derer nicht wenige, greife ersatzweise zu dieser alles andere als abgestandenen, charmanten Form des Eklektizismus. Selten war Derivate-Handel unbedenklicher und risikoloser.
Der junge Bursche war schon mit Größen wie Malcolm Holcombe, Michael Chapman und Robert Fisher’s Willard Grant Conspiracy zugange, da darf getrost ein gewisses Qualitätslevel unterstellt werden.
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Reingehört (179)

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V.A. – Mojo Presents: Blonde On Blonde Revisited (2016, Mojo Magazine)
„Blonde On Blonde“ vom Bob einmal von vorne bis hinten durchgecovert, gibt weiß Gott Schlimmeres, sowohl bezogen auf das Objekt der Verehrung als auch hinsichtlich des hier vorliegenden Interpretationsansatzes: Das einmal im Monat erscheinende britische MOJO-Magazin hat in der Juli-Ausgabe die Sammlung mit den Würdigungen des Dylan-Meilensteins aus dem Jahre 1966 als CD-Beilage dazugepackt, vierzehn MusikerInnen und Bands vorwiegend aus dem Indie-Bereich verneigen sich in chronologischer Reihenfolge zur Track-Liste der Original-LP in den jeweiligen Stücken vor His Bobness und einem seiner größten Würfe.
Auch wenn einige, wenige Nummern den Originalen nichts Weiteres an wesentlichen Aspekten hinzufügen, die Spannung überwiegt.
Schottlands Ex-Arab-Strap Malcom Middleton steigt mit einer kryptischen Elektro-Trance-Version von „Rainy Day Women #12 & 35“ in den Reigen ein, in der er in Symbiose zum musikalischen Ansatz vor allem auf der Textzeile „Everybody must get stoned“ herumreitet, My Darling Clementine folgen mit saumseeligem Country in „Pledging My Time“, der den Chicago-Blues des Originals ersetzt.
Steve Gunn glänzt in einer tiefenentspannten, nüchternen, formvollendeten Fassung des Dylan-Meisterwerks „Visions Of Johanna“, der Mann macht derzeit einfach alles richtig.
„One Of Us Must Know (Sooner Or Later)“ in der Version von Altmeister Chip Taylor kommt ohne den Drive der Vorlage aus und klingt so, wie Dylan geklungen hätte, wäre er Bill Fay gewesen (also noch einen Tick besser als er selbst ;-)).
Progressive-Jazz/Folk-Gitarrist Michael Chapman beeindruckt auf „Leopard-Skin Pill-Box Hat“ weit mehr durch seine Saiten-Künste als durch seine Gesangseinlagen und Kevin Morby erinnert in „Temporary Like Achilles“ mit seinem spartanischen Akustikgitarren-Anschlag und seinem reduzierten Gesang an den frühen Kaffeehaus-Dylan und kaum an die schwere, wuchtige Grundstimmung des Blonde-On-Blonde-Originals, sicher nicht der schlechteste Ansatz.
Wer die ultraflotte „Absolutely Sweet Marie“-Cowpunk-Version von Jason & The Scorchers kennt (oder ganz einfach das Bob-Original schätzt), könnte Verdauungsschwierigkeiten bei der Zuckerguss-getränkten, ätherischen Marrisa-Nadler-Version des Klassikers bekommen, nichtsdestotrotz ist der Nummer in ihrem Zuviel an Wohlklang ein gewisser atmosphärischer Glanz nicht abzusprechen.
Der stets sehr gute Riley Walker ist in „4th Time Around“ weit mehr Tim Buckley als Dylan, aber das ist er sowieso immer, und Experimental-Spezialist Jim O’Rourke beschränkt sich in seiner ansonsten wunderschön als Ballade vorgetragenen, weit über 13 Minuten langen Fassung von „Sad Eyed Lady Of The Lowlands“ zum Abschluss auf dezente Elektronik-Grundrauschen-Beigaben, mitnichten ein erwartetes Dylan-goes-Sonic-Youth-Feedback-Massaker.
Wer das MOJO-Magazin nicht am Kiosk seines Vertrauens vorfindet, schaut nach im Netz in Willard’s Wormholes, Beitrag vom 13. Juni 2016. Lohnt.
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