Bobby „Blue“ Bland

Soul Family Tree (39): Let The Good Times Roll

Der erste Freitag im neuen Jahr startet mit einer weiteren Runde Black Music, am Mischpult zaubert heute wieder Stefan Haase vom Hamburger Freiraum-Blog, here we go:

Das Motto für das neue Jahr könnte auch heißen Let The Good Times Roll. Mit zwei Blues-Legenden, B.B. King und Bobby „Blue“ Bland geht es im neuen Jahr los. Vom Album „Together Again…Live“ von 1976 gibt es „Let The Good Times Roll“. Mehr zu Bobby „Blue“ Bland gibt es hier. Und von Blues Boy B.B. King gab es im Soul Family Tree bereits ein Special.

Bo Diddley hätte am 30. Dezember seinen 89. Geburtstag gefeiert. Er gehört zu den ganz großen Pionieren des Rock and Roll. Im Soul Family Tree hatte ich ihn bereits vorgestellt. Er inspirierte so viele Musiker wie u.a. die Beatles, Elvis Presley und besonders die Rolling Stones oder auch Bands wie The Clash. Nach seinem Tod in 2008 ehrten ihn unzählige Musiker und der damalige US-Präsident George W. Bush. Und Mick Jagger wird mit folgenden Worten zitiert: „He was a wonderful, original musician who was an enormous force in music and was a big influence on the Rolling Stones. He was very generous to us in our early years and we learned a lot from him“. Hier kommt Bo Diddley mit seiner 1961er Single „I’m A Man“.

Robert Parker aus New Orleans/Louisiana begann seine Karriere als Saxophonspieler, u.a. in der Band der New Orleans-Ikone Professor Longhair. Er spielte auch mit Fats Domino oder Irma Thomas zusammen. 1965 schrieb er sich seinen größten Hit mit „Barefootin“, der bei Nola Records erschien und in den R&B-Charts wie auch in den Billlboard-Charts hoch notiert wurde. Es wurden davon über 1 Million Schallplatten verkauft. Leider hatte er keine Folgehits, obwohl er weiter Musik machte.

Der Song „Wade In The Water“, im Original ein Negro-Spiritual aus dem 19. Jahrhundert, wurde u.a. in den 1960er Jahren von Ramsey Lewis als Instrumental recht bekannt. Besonders bemerkenswert ist, dass der Song in verschiedenen Genres, vom Gospel über Folk bis Blues überzeugt. Bekannt sind z.B. Versionen von Marlena Shaw, Odetta, Big Mama Thornton u.v.a. „Wade In The Water“ gehört zu den Songs, mit denen sich Sklaven Anfang 19. Jahrhunderts untereinander verständigten, um ihre Flucht zu organisieren. Sie sind bekannt als die „Songs Of The Underground Railroad“.  „Wade In The Water“ erinnerte die Flüchtenden daran, im Wasser zum Beispiel von Bächen zu laufen, damit die Suchhunde der Sklavenhalter ihre Spur verloren.

Fast beiläufig hörte ich im letzten Jahr die Version von Judy Henske und ich wurde sofort hellhörig. Diese Version kannte ich noch nicht. Was für eine Stimme. Henske klingt zwar Deutsch. Doch sie ist eine amerikanische Folk-Sängerin die auch „Queen of the Beatniks“ genannt wurde. Ihre Aufnahme entstand 1963.

Aaron Willis, besser bekannt als Little Sonny ist ein Meister der elektrischen Blues-Harmonika. Sein Mentor war Sonny Boy Williamson und seinen Spitznamen erhielt er von seiner Mutter, die ihn immer Sonny nannte. Seine Interpretation aus dem Jahr 1970 von „Wade In The Water“ ist ein wunderbarer Funk-Blues und funktioniert auf der Harmonika hervorragend.

Am 1. Januar feierte DJ Grandmaster Flash seinen 60. Geburtstag. Er prägte besonders den Hip Hop und Rap und kreierte daraus eine neue Kunstform. Zudem ist er Erfinder der meisten Techniken im DJing. Neben Größen wie Afrika Bambaataa zählt er zu den Gründungsvätern des Hip Hop und Rap-Genres. Bereits in den 1970er Jahren experimentierte er mit zwei Plattenspielern, um einzelne Tracks zugleich abzuspielen, dem sogenannten „Cutting“. Auch das Rückwärtsdrehen der Schallplatte, um eine bestimmte Stelle mehrmals zu spielen, das „Backspinning“, geht auf das Konto von Grandmaster Flash.

1982 kam sein wichtigster Song heraus: „The Message“. Dieser Song war ein Meilenstein in der Pop-Kultur. Übrigens, seine flinken Finger, mit denen er auf Partys in der South Bronx die Platten drehte, brachten ihm seinen Künstlernamen ein.

Rats in the front room, roaches in the back
Junkies in the alley with the baseball bat
I tried to get away but I couldn’t get far
Cause a man with a tow truck repossessed my car

Und der Chorus wiederholt den Refrain:

It’s like a jungle sometimes
It makes me wonder how I keep from going under.

Der Song wurde geschrieben von Ed „Duke Bootee“ Fletcher und Furious Five MC Melle Mel. Obwohl es sich um einen sozialkritischen Text handelt und vom Leben im Ghetto erzählte, wurde der Song weltweit ein Hit und später diverse Male gecovert oder gesampelt. Seine erfolgreichsten Alben erschienen in den 1980er-Jahren. 2007 wurden er und die Furious Five als erste Rap-Gruppe in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen. Happy Birthday Grandmaster Flash.

Ich wünsche allen ein glückliches, friedliches und zufriedenes neues Jahr.
Habt einen guten Start und bleibt gesund.

Peace and Soul.

Stefan aka Freiraum.

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Soul Family Tree (30): Down & Out – The Sad Soul Of The Black South

„Wer es wagt, den Flauschteppich der radioformatierten Klänge einmal umzudrehen und genauer hinzugucken, der wird bald Brandlöcher entdecken, allerlei interessanten Schmutz und spirituelle Untertöne, die den Kurzschluss zwischen Gosse und Himmel bewerkstelligen. Soul kann auf schmerzhafte Weise süchtig machen. Spätestens dann, wenn die vergessenen Stimmen der Ekstase, der Verzweiflung und der Unvernunft zurückschlagen.“
(Jonathan Fischer, Zwischen Trauer und Traum: Ein Geschmack von Gott, Liner Notes zu „Down & Out“)

Vor knapp 20 Jahren hat der in München geborene und ansässige DJ, Kunstmaler, boxende Journalist und Trikont-Sampler-Kompilierer Jonathan Fischer mit „Down & Out: The Sad Soul Of The Black South“ eine wunderbar stimmige Sammlung von größtenteils unbekannten Soul- und Rhythm-&-Blues-Perlen afro-amerikanischer MusikerInnen aus den amerikanischen Südstaaten zusammengestellt. 24 Songs aus den Sechzigern und Siebzigern, oft unter technisch einfachsten Bedingungen in spartanischen Studios irgendwo zwischen Texas und Tennessee eingespielt und von unabhängigen Kleinstlabels für den lokalen Markt auf den Weg gebracht, die Songs über die Zeit mit angesetzter Patina veredelt, fernab jeglicher Softsoul-Mainstream-Weichspülerei, Philly-Sound-Saumseligkeit und „King of Pop“-Hochglanz-Produktion, der wahre Stoff aus den Juke Joints, thematisch unterwegs zwischen schweißtreibendem Sex in ranzigen Hinterzimmern, häuslichen Dramen, dem Gebet nach Vergebung im Gospel-Gottesdienst der schwarzen Kirchen-Gemeinden und Bürgerprotest wider Rassismus, sozialen Schranken und prekären Lebensumständen – „die Psyche des schwarzen amerikanischen Südens in all seiner Widersprüchlichkeit“, wie Fischer in den CD-Liner-Notes anmerkt, die eine lesenswerte Abhandlung und Musik-historische Würdigung wie Einordnung im weiteren Genre-Kontext über den Southern Soul enthalten.

Die wunderbare Coverversion der Protest-Nummer „Cryin‘ In The Streets“ vom indisch-amerikanischen Newcomer Zeshan B wurde hier vor zwei Monaten in der Rubrik „Soundtrack des Tages“ vorgestellt, die nicht minder berückende 1970er-Originalversion mit Eindrücken vom Trauerzug zu Ehren Martin Luther Kings von Louisiana-Soul-Legende George Perkins findet sich als Eröffnungsstück auf dem „Down & Out“-Sampler, mit durchdringendem Falsett und hypnotischer Vehemenz landete Perkins seinen größten Hit mit der sozialkritischen Hymne aus dem Umfeld der Chitlin‘ Circuits, jenen Orten und Treffpunkten, an denen schwarze Künstler vor allem in den Südstaaten in Zeiten der Rassentrennung sichere Auftrittsmöglichkeiten vorfanden. Mitte der Siebziger verschwand der Deep-Soul- und Gospel-Sänger von der Bildfläche, um 1980 für ein kurzes Comeback ins Rampenlicht zurückzukehren. Sein Job bei einer Versicherung ließ ihm nicht genügend Zeit und Raum für eine größere Karriere, in späteren Jahren ist er weiter in Kirchen als Gospel-Sänger aufgetreten. 2013 ist George Perkins in seiner Heimat Hammond/Louisiana im Alter von 70 Jahren gestorben.
„Cryin‘ In The Streets“ bezeichnete der Sänger als „the right song at the right time“, Songwriter und Perkins-Freund Frank Turner hat ihn unter dem Titel „Let Freedom Ring“ gecovert, einige Zydeco-Musiker haben sich auch daran versucht, unter anderem Geno Delafose und Stanley Joseph Dural aka Buckwheat Zydeco, letzterer in seiner Version mit einem glänzend aufgelegten Ry Cooder an der Slide-Gitarre.

Johnny Copeland ist in Blues-Kreisen kein Unbekannter. Das Spiel des „Texas Twister“ wurde vom Genre-Pionier T-Bone Walker beeinflusst, ab den 50er Jahren machte er sich mit rohem Blues und Soul einen Namen. In den Achtzigern arbeitete er mit Größen wie Albert Collins und Robert Cray zusammen, 1985 trat er beim Montreux Jazz Festival mit Gitarristen-Legende Stevie Ray Vaughan auf, hinsichtlich Tourneen war er ohnehin Kosmopolit, seine Konzertreisen haben ihn unter anderem nach Westafrika und Osteuropa geführt.
Das auf „Down & Out“ enthaltene „Down On Bending Knees“ hat Copeland 1963 für ein regionales Label in Houston/Texas aufgenommen, in dem lokalen Hit treffen schwere Bläsersätze auf das exzessive Heulen des Sängers.
Johnny Copeland ist 1997 in New York City gestorben, er wurde 60 Jahre alt.

Ella Washington hatte 1969 mit „He Called Me Baby“ ihren einzigen Hit, die Nummer aus der Feder des Country-Songwriters Harlan Howard wurde zuvor bereits von Nashville-Stars wie Patsy Cline und Bobby Bare eingespielt, aus dem selben Jahr stammt das Herzschmerz-Stück „Sit Down And Cry“, in der die Sängerin aus Miami den Emotionen in ihrer ausdrucksstarken Stimme freien Lauf lässt.
Ab Mitte der Siebziger wendete sich Ella Washington durch mangelnden Erfolg desillusioniert vom Musikbusiness dem Gospel zu, seit 2009 ist sie als Pastorin der Theos Ministries Church in ihrer Heimat Florida tätig.

Der 1930 in Tennessee geborene Bobby „Blue“ Bland war für seinen ureigenen Mix aus Gospel, Blues und R&B bekannt, Kritiker bezeichneten ihn aufgrund seiner Arien über Liebe, Verrat und Verzweiflung und der dramatischen Inszenierung seiner Stücke als „Sinatra des Blues“. Seinen ersten Hit hatte er 1957 mit „Farther Up The Road“, die Nummer wurde in späteren Jahren unter anderem von Levon Helm, Joe Cocker, Mike Bloomfield und Slowhand-Langweiler Eric Clapton gecovert. Sein 1974er-R&B-Hit „Ain’t No Love In The Heart Of The City“ wurde 1978 von der Deep-Purple-Nachfolgecombo Whitesnake in Richtung Mainstream-Hardrock getrimmt. Einem großen Massenpublikum blieb er unbekannt, trotz Interpretation etlicher seiner Songs in den Siebzigern von Größen wie Van Morrison, The Band oder den Grateful Dead.
„Road Of Broken Hearted Men“ stammt aus dem Jahr 1967, die gebrochenen Herzen waren BBBs ureigenstes Thema, 2013 hat sein eigenes den letzten Schlag getan, Bland wurde 83 Jahre alt. Von sich selbst sagte der Mann mit dem „Squall“, dem Gurgellaut als charakteristischem Merkmal seiner Sangeskunst: „Ich würde gerne als ein guter alter Junge vom Land in Erinnerung bleiben, der sein Bestes gegeben hat, um uns etwas zu hören zu geben, das uns durch traurige und durch glückliche Momente begleitet“ – das sollte ihm mit dem ein oder anderen seiner zahlreichen Songs auch gelungen sein.

Die CD-Compilation „Down & Out: The Sad Soul Of The Black South“ ist 1998 beim Ur-Independent-Label Trikont im schönen Münchner Stadtteil Giesing erschienen, leider seit einiger Zeit vergriffen und somit nur noch in Second-Hand-Läden oder bei ausgewählten Versendern erhältlich, das heuer zu feiernde 50-jährige Firmenjubiläum von Trikont wäre ein willkommener wie gegebener Anlass zur Neuauflage dieser schönen Sammlung.
Aus Anlass des Label-Jubiläums wird im Übrigen im kommenden Oktober ein Buch von Christof Meueler und Franz Dobler mit dem Titel „Die Trikont-Story – Musik, Krawall & andere schöne Künste“ im Heyne-Hardcore-Programm erscheinen, aber das ist dann eine andere Geschichte, wie auch das Jubiläumskonzert am 30. November im Münchner Feierwerk, unter anderem mit den Trikont-Künstlern Attwenger, Mrs. Zwirbl und Eric Pfeil.