„I wanted to make music that can live inside of anywhere one finds themselves: city or country. It’s a series of shifting moods and melodies that through the heart, mind, hands, throat, and tongue sing an outpouring of metaphysical, nuanced psychedelic passing truth.“
(Brian Allen Simon)
Anenon – Tongue (2018, Friends Of Friends)
Saxophon-Gebläse, unter anderem, die Ohren-schmeichelnde Variante. File under Ambient-Jazz, irgendwo in dem Schubladen.
Es muss nicht immer unzusammenhängendes, erratisches Krakeelen und Gelärme im Freigeist-Ansatz sein, oder Nerven-antestendes, ins Nirvana – also quasi zu nichts – führendes Endlos-vor-sich-hindudeln, wie es eben so oft erklingt beim Gejazze – jeder spielt, was er gerade lustig ist, da es sich um Improvisationsgemucke handelt, wird es schon irgendwie passen, selbst wenn der gestressten Nachbarschaft beim Tonleiter-rauf-und-runter-blasen im Übungsmodus irgendwann der Kragen platzt. Das es auch anders geht, hat unter anderem prominent bereits ein Schöngeist wie der norwegische Musiker Jan Garbarek unter Beweis gestellt, am eindrücklichsten wohl in seinen Kollaborationen mit dem klassischen Hilliard Ensemble ab Mitte der Neunziger beim Münchner ECM-Label. Crossover inklusive melodischem, extremst dem Wohlklang frönendem Sax-Spiel zelebriert auch der Kalifornier Brian Allen Simon unter seinem Pseudonym Anenon auf seinem Anfang Februar erschienenen Album „Tongue“, das eingängige, an den skandinavischen Jazz angelehnte Holzgebläse bindet der junge amerikanische Multiinstrumentalist, Tondichter, Produzent und Non-Projects-Labelgründer geschickt wie über die Maßen gelungen ein in sein Geflecht mit weiteren stilistischen Elementen aus dezenter Ambient-Electronica und eleganten, repetitiven Minimal-Music- und neoklassizistischen Kompositionen, die neben dem Blasinstrument vor allem von Orgel, Piano und Cembalo maßgeblich charakterisiert werden.
Fern der Heimat Los Angeles mit all seinen verstörenden Ausprägungen des Megacity-Molochs in einer italienischen Kleinstadt, zwischen Florenz und Livorno gelegen, im Dachboden-Studio einer Villa aus dem 16. Jahrhundert innerhalb weniger Wochen in einem Guss eingespielt, atmet das Werk neben exzellent umgesetzten experimentellen Trance-/Minimal-/Ambient-Ideen aus der Ecke Eno/Reich/Glass den erhabenen Geist der jahrhundertealten, europäisch geprägten Klassik wie das Wogen der sanften toskanischen Hügellandschaften, die unterschwellig den kompositorischen Ansatz des Musikers beflügelt haben mögen. Ein Abtauchen und Dahindriften im steten Klangfluss, ohne böses Erwachen, ansprechend, substanziell, Ambient in seiner berauschendsten Ausprägung, euphorisierend ob seiner klanglichen Schönheit, wie gleichsam melancholisch und nachdenklich im Grundtenor, im besten Sinne zeitlos.
Nach so viel entrücktem Gesäusel zurück zu den harten wie relevanten Fakten: Brunello di Montalcino, Chianti Classico wie auch andere Gallo-Nero-zertifizierte Tropfen süffeln sich zu diesem Sound in jedem Fall weitaus entspannter und vollmundiger als zu jedwedem Hardbop/Bebop/Irgendwas-Endlos-Gewichse. In diesem Sinne: sehr zum Wohle…
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