Captain Beefheart

Reingehört (389): Nona Hendryx & Gary Lucas

Nona Hendryx & Gary Lucas – The World Of Captain Beefheart (2017, Knitting Factory Records)

Sowas kann schwer schiefgehen, das Interpretieren der Werke von singulären Ausnahme-Genies wie etwa jene des Experimental-Blues-Exzentrikers und Zappa-Kumpels Don Van Vliet aka Captain Beefheart, zu einzigartig, Erfurcht gebietend und herausragend ist der musikalische Kosmos und das Schaffen des von Kollegen wie Kritikern gleichermaßen hochverehrten kalifornischen Multi-Instrumentalisten, Songwriters, Komponisten und Kunstmalers, als dass sich jeder x-beliebige Bettelmusikant daran versuchen sollte.
Anders verhält sich das selbstredend beim New Yorker Gitarren-Virtuosen Gary Lucas, der sich seine Meriten in jungen Jahren Anfang der 1980er als Mitglied der Magic Band erwarb mit seiner Beteiligung an den letzten beiden regulären Studio-Alben des Captain, „Doc At the Radar Station“ und dem finalen Meisterwerk „Ice Cream For Crow“.
Gary Lucas, seit der Zeit mit Beefheart in unzähligen Projekten und Kollaborationen mit prominenten Musikern von Jeff Buckley über John Cale, Lou Reed, Peter Hammill bis John Zorn zugange, spielt auf dem neuen Tribute-Werk noch genau so, wie es der Meister zu Zeiten der letzten Jahre seiner Stammcombo forderte, vertrackte Blues- und Progressive-Riffs, geerdet wie gleichzeitig hochgradig filigran und experimentell, die, laut Lucas, einen sechsten Finger an der Griffhand beim Gitarrenspiel erfordern würden. Damit baut er das tragfähige und dem Beefheart-Werk gerecht werdende Grundgerüst für die Sangeskünste von Nona Hendryx, die zwar dem Stimmumfang Van Vliets über mehrere Oktaven nicht die komplette Bandbreite entgegensetzen kann, mit ihrem charakteristischen Soul-Organ aber über genügend Volumen verfügt, um das Kind im eigenen Interpretations-Ansatz in Würde zu schaukeln. Der interessierten Hörerschaft dürfte die entfernte Jimi-Verwandte Nona Hendryx aus der Vergangenheit neben ihren solistischen Black-Music-Alben vor allem als Mitglied des Gesangstrios Labelle und durch ihre Background Vocals bei den Talking Heads in der „Remain In Light“-Hochphase bekannt sein.
Mit der Songauswahl spannt das Paar einen weiten Bogen von Blues-lastigeren Frühwerken aus dem „Safe As Milk“-Debüt und dem nahe liegenden, Soul-infizierten „Clear Spot“-Album bis hin zu experimentelleren Ausflügen in die „Shiny Beast“-Phase und macht auch vor „When Big Joan Sets Up“ und „Sugar ’n Spikes“ aus dem 1969er „Trout Mask Replica“-Superwichtig-Monolithen nicht halt, ein Wagnis, das als weitgehend gelungen bezeichnet werden darf.
In Sachen Tribut-Zollen für den legendären Captain in allen Belangen dem grandios gescheiterten, mit Pauken und Trompeten an die Wand gefahrenen Versuch „Fast ’n‘ Bulbous – A Tribute To Captain Beefheart“ des englischen Indie-Labels Imaginary Records aus dem Jahr 1988 vorzuziehen, auf dem sich seinerzeit renommierte Bands wie Sonic Youth, XTC, die Membranes oder die Scientists völlig vergebens abmühten, der Magie des abgedrehten Van-Vliet-Cosmic-Blues nahe zu kommen.
(**** ½ – *****)

Spitzenprodukte der Popularmusik (8)

Motor Boys Motor – Motor Boys Motor (1982, Albion Records)
Der geniale Experimental-Blueser und Zappa-Spezi Don Van Vliet aka Captain Beefheart hat zusammen mit seiner Magic Band einige der wichtigsten Platten in der Historie der Rockmusik eingespielt, im Gegensatz zu seinen oft mit dem Werk von Franz Kline verglichenen Gemälden spülte sein avantgardistischer Bluesrock-Ansatz nicht das große Geld in die Kassen, der Einfluss seiner Musik war/ist indes nicht zu unterschätzen, und so reichte er in den frühen achtziger Jahren unter anderem vom fernen Kalifornien ins United Kingdom nach London.
Die englische Pubrock-/Hardblues-Band Motor Boys Motor nahm den Stab auf, kurioserweise im selben Jahr, in dem der Captain mit dem exzellenten Tonträger ‚Ice Cream For Crow‘ (Virgin Records) seine letzte reguläre LP veröffentlichte. Über das Albion-Label brachte das Quartett 1982 ihr schwer vom Beefheart-Blues geprägtes Debütalbum unter die Leute, dass unter diesem Bandnamen das einzige bleiben sollte.
Den Namen der Band entliehen die Musiker einem Song von Joe Strummers erster Pub-Rock-Combo The 101ers.

Mit „Drive Friendly“ eröffnet der gewichtige Hardblues-Brocken, Gitarrist Bill Carter lässt hier unvermittelt seinen rhythmischen, harten, Feedback-durchwirkten Bluesrock auf den Hörer einprasseln, die zupackende elektrische Slide-Gitarre, gepaart mit dem Stakkato-artigen, mitunter an gebellte Parolen erinnernden Sprechgesang Tony Moons gibt von der ersten Sekunde die intensive Gangart vor, mit der sich das Album im weiteren Verlauf durch die insgesamt zehn Hard-Blues-Perlen rumpeln/mäandern wird.
Mit der Maultrommel kommt sporadisch ein Instrument zum Einsatz, dass nicht nur im Bluesrock sehr selten angestimmt wird, den Hörgenuss steigert das Blechteil in Punkto anregende Irritation durchaus.
Wie auf dem Stück „Hooves“ hören wir vermehrt schwer stampfende Gitarrenrock-Riffs, die auch den frühen Blues-/Hardrock-Bastarden Led Zeppelins zur Ehre gereicht hätten.
Der später von einem Teil der Combo unter dem neuen Band-Namen The Screaming Blue Messiah aufgenommene Indie-Hit „I Wanna Be a Flintstone“ erklingt hier in einer ersten Roh-Fassung unter dem Titel „Here Come The Flintstones“, das Potential zum Indie-Kneipen-Gassenhauer ist auch in der ersten Version unüberhörbar.
Den Schlusspunkt von Seite 1 setzt das abgebrühte „Clean Shirt And A Shave“, das Stück ist der letzte Freund, der Dir am Morgen nach einer durchzechten Nacht verbleibt.
Seite 2 beginnt mit „Sacred Pie“, einer Art Akustik-Skiffle-/Schepper-Blues zum Durchatmen, „Little Boy And Fat Man“ ist reiner Beefheart in seiner Gitarren-Wah-Wah-Kakophonie, mit Sinn für das große Drama und garniert mit abgehackten Gitarren-Stakkatos und Sirenen-artigen Soli, „One Down, One Down“ und „Claw Boys Claw“ bieten erneut hart nach vorne preschenden Blues-Rock und den Schlusspunkt setzt „Freeze Up the Truth“ mit einem experimentellen Psychedelic-Blues-Ritt, der dem Hörer final nochmal alles an Konzentration abverlangt.

Das offensichtlich nicht durch Photoshop oder ähnliches Software-Geraffel (gab’s damals noch nicht) nachbearbeitete Coverfoto vom Snakeman löste bei Veröffentlichung des Brachial-Blues-Meisterwerks einiges an angewidertem Entsetzen aus, in heutigen Zeiten, in denen via Prekariats-Fernsehen nahezu täglich grenzdebile C-, D- und E-Promis beim Schüssel-weisen Vertilgen von Maden, Würmern, Küchenschaben und anderem Ungeziefer gezeigt werden, dürfte die Aufnahme nicht mehr als ein müdes Gähnen hervorrufen.

Die Band löste sich sich nicht lange nach Veröffentlichung der Debüt-LP auf, Bill Carter und Chris Thompson gründeten 1983 zusammen mit Kenny Harris die – vermutlich nach einem Charles-Bukowski-Gedicht benannte – Band The Screaming Blue Messiahs und trimmten den Motor-Boys-Motor-Sound in Richtung massenkompatiblere Rhythm and Blues-/Punk-/Rockabilly-Mixtur, die Band veröffentlichte mit Good and Gone (1984) eine EP und drei sehr respektable LPs – Gun-Shy (1986), Bikini Red (1987) und Totally Religious (1989, alle: Warner/Elektra) – auf ‚Bikini Red‘ findet sich der bereits erwähnte Single-Hit ‚I Wanna Be A Flintstone‘, der im Januar 1988 immerhin Platz 28 der UK-Single-Charts erreichte.
Die Geschäftsbeziehung der Band zum Plattenlabel WEA war zerrüttet, nachdem die Firma die LP „Totally Religious“ einen Monat nach Veröffentlichung aus dem Vertrieb nahm und zuvor auch keine Singles aus dem Album veröffentlichen wollte, die Band wurde vom WEA/Elektra-Label letztendlich fallen gelassen und löste sich nach einem letzten Gig im Juni 1990 im Londoner Stadtteil Notting Hill auf.
2009 brachte das New Yorker Plattenlabel ‚Wounded Bird Records‘ die beiden Alben ‚Gun Shy‘ und ‚Bikini Red‘ als Wiederveröffentlichungen auf den Markt, nachdem sie seit den frühen neunziger Jahren vergriffen waren.
Das einzige, selbstbetitelte Album von Motor Boys Motor ist nach wie vor via Line/DA Music als Compact Disc erhältlich.
Im deutschen Wochenmagazin ‚Stern‘ gab’s ganz hinten immer die Rubrik „Was macht eigentlich…?“, sollten die mal abchecken, was Bill Carter so treibt dieser Tage, kauf ich mir die Postille vielleicht auch mal wieder….
(******)

Nominiert für den Liebster Award (3)

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Schau an, diese Kettenbrief-Gaudi gibt’s auch noch. Friedl vom „TRIVIAL / Friedl von Grimm – fast eklig polygam„-Blog, auf dem sie unterschiedlichste Seiten des Kulturbetriebs auf unnachahmlich-witzige Art reflektiert, hat mich dankenswerter Weise nominiert – dann wollen wir mal:

(01) Was war der surrealste Moment in deinem Leben?
Irgendwie ist ja alles real, so seltsam das manchmal ist, aber zweiter Klasse mit der indischen Bahn durch ein Slum in New Delhi, ein Schwätzchen und Händeschütteln mit Patti Smith vor ein paar Jahren oder vorgestern mit meinem persönlichen musikalischen Gott John Cale, das Butthole-Surfers-Konzert Ende der achtziger Jahre in der Münchener Theaterfabrik inklusive taubstummer Nackttänzerin, Magen-erschütternder Videos über Verkehrsopfer der amerikanischen Highways und abschließendes Abfackeln der Bühne durch Gibby Haynes oder am 11.06.1994 im Meppener Emslandstadion im Gästeblock unter unzähligen, übereinander herfallenden Löwen-Fans um circa 15:34 Uhr begraben zu werden, nachdem unmittelbar vorher Peter Pacult zum 1:0 einnetzte und damit das Tor zur ersten Liga sperrangelweit aufriss, das alles kommt dem Kern der Frage wohl sehr nahe…

(02) Worüber ärgerst du dich bei dir selbst am meisten?
Hab ich schon lange aufgegeben. Nobody’s perfekt. Oder wie ein altes bayerisches Sprichwort so schön sagt: „Scheiß Dir nix, dann fehlt Dir nix!“ ;-))

(03) Was willst du dieses Jahr unbedingt noch realisieren?
Coco Schumanns Mutter hat immer gesagt: „Nimm Dir nüscht vor, Junge, dann geht Dir nüscht schief!“ Nun gut, das ein oder andere wär schon noch ok heuer: Fünfzig werden (geht von selbst, hoffentlich), meinen „Times Of The Gypsies“-Zyklus fertigmalen und vielleicht noch ein paar Interviews mit interessanten Leuten für den Blog führen (eins ist schon im Kasten, aber leider noch nicht komplett finalisiert).

(05) Wärst du gern in einer anderen Zeit geboren?
Ein paar Jahre früher hätten ausgereicht, hab die Frage schon mal so ähnlich beantwortet, insofern Copy & Paste: 1977. Ich hab da zwar schon gelebt, war aber noch zu jung, um mir die ganzen Punk- und Post-Punk-Konzerte reinzupfeifen (Pistols, Clash, Dead Kennedys, Joy Division, Throbbing Gristle…)

(06) Warum bist DU besser als Bono?
Ich weiß nicht, ob ich besser bin, aber ich glaube zumindest, ich bin anders ;-))) Jedenfalls fordere ich nicht den irischen Staat zu mehr Entwicklungshilfe auf, während ich die grüne Insel mit einem niederländischen Steuermodell um die fälligen Einnahmen bescheiße, ich zähle Gott sei Dank auch keine grenzdebilen Kriegsverbrecher wie George W. Bush zu meinen Freunden, das US-amerikanische Kult-Indie-Label SST hab ich auch nicht wegen irgendeines belanglosen U2-Zitats auf einem Album-Cover in den Ruin prozessiert, ich hab mich nicht bei Captain Beefheart auf widerlichste Weise angebiedert, nur um mir die Abfuhr „Dear Bongo, I don’t know who you are or what you want from me but please don’t call me again“ abzuholen, und ich bin auch noch nie im Münchner Olympiastadion mit einem Pigfucker-Dress auf der Bühne gestanden, um mich beim geistig unterentwickelten Teil des Publikums einzuschleimen. Aber ich bin auch nicht Sänger einer Band, die aufgrund einiger toller veröffentlichter Tonträger weitaus besser ist als der Ruf ihres Arschloch-haften Sängers ;-)))

(07) Warum ist Mike Patton Gott? (Und warum steht er auf Italienerinnen und nicht auf mich?)
Mike Patton ist nicht Gott. John Cale ist Gott. Pete Townshend auch. Und bereits oben erwähnter Don Van Vliet aka Captain Beefheart. Und natürlich Mississippi John Hurt. Jerry Garcia sowieso…
Warum Mike Patton lieber mit Italienerinnen als mit Dir… keine Ahnung, frag ihn am besten selbst ;-)

(08) Gibt es eigentlich irgendwen, der sein Leben auf die Reihe bekommt? Wie?
Angela Merkel, ganz klar. Mundwinkel in den Boden gerammt und immer, wenn es wichtig wird: am Besten nix oder nix von Bedeutung sagen. Läuft super.

(09) Für was würdest du dich ernsthaft prügeln?
Tom-Waits-Tickets?
Nö, im Ernst: am ehesten natürlich für meine Family …und den TSV 1860 München ;-)

(10) In welchem Moment warst du stolz auf dich?
„Dummheit und Stolz wachsen auf dem gleichen Holz.“ Freude über Gelungenes von anderen oder einem selbst, klar, immer, aber „Stolz“ – hmmm…

Auf neue Fragen formulieren hab ich mal wieder keinen Bock und gebe die Fragen von Friedl von Grimm an die von mir Nominierten einfach weiter (die Frage mit den Italienerinnen bitte für Friedl beantworten, nicht für mich ;-) Wer Mike Patton nicht kennt: Frage einfach unbeantwortet lassen oder eigene Götter aufzählen ;-))))

01. Was war der surrealste Moment in deinem Leben?
02. Worüber ärgerst du dich bei dir selbst am meisten?
03. Was willst du dieses Jahr unbedingt noch realisieren?
04. Glaubst du, dass Liebe immer mehr zu einem trivialen Wort verkommt? Wo findest du Liebe in deinem Leben? Oder ist das alles nur verlogene Propaganda?
05. Wärst du gern in einer anderen Zeit geboren?
06. Warum bist DU besser als Bono?
07. Warum ist Mike Patton Gott? (Und warum steht er auf Italienerinnen und nicht auf mich?)
08. Gibt es eigentlich irgendwen, der sein Leben auf die Reihe bekommt? Wie?
09. Für was würdest du dich ernsthaft prügeln?
10. In welchem Moment warst du stolz auf dich?

Ich nominiere folgende Blogger:

Sonja von DRITTGEDANKE

Christin von STELLA-LEARNS-TO-LIVE

Roswitha/wholelottarosie von Skizzenbuch/Blog

Maya von LISTENES

Christoph von You Sound Great

hicemusic

guteshoerenistwichtig