Angefangen hat er mit einem mentalen Tiefschlag, dieser denkwürdige Abend, reden wir nicht um den heißen Brei rum: auf Deutsch gesagt total geschissen !!! ;-))) Eröffnete mir der Bernd doch, dass am Samstag vor einer Woche der von mir hochverehrte amerikanische Avantgarde-Gitarrist Eugene Chadbourne im Münchner Stragula zugange war, und wer hat davon rein garnix mitgekriegt? Genau…
Der aus Mount Vernon, New York, stammende Chadbourne ist einer der unkonventionellsten Musiker wo gibt, seine Arbeiten als Frontmann der experimentellen Rock-Band Shockabilly und seine Kollaborationen mit Ellioth Sharp, John Zorn, Jello Biafra, Jimmy Carl Black, Camper Van Beethoven (Camper Van Chadbourne !!!) und den Violent Femmes (um nur einige zu nennen) oder seine zahlreichen Soloalben legen davon eindrucksvoll Zeugnis ab.
Das Stragula ist eine nette Kneipe im Münchner Westend, das bisher nicht gerade als Ausrichtungsort von Konzerten geglänzt hat – dass eine Legende wie Eugene Chadbourne dort einen auffidelt, darauf kommst Du im Traum nicht.
Schade, dass ich noch keine dritten Zähne im Gesicht habe, in dem Fall hätte ich sie rausgeholt und mir damit selbst in den Allerwertesten… Ihr wisst schon.
So, genug geheult, jetzt wieder zu den Wundern dieser Welt, die uns dankenswerter Weise zuteil wurden.
Der großartige Konzertabend am vergangenen Donnerstag im restlos ausverkauften Münchner Freiheiz wurde eröffnet von der hochsympathischen, inzwischen in Los Angeles ansässigen New Yorker Independent-Musikerin Carla Bozulich und ihrem Partner für schräge Gitarrentöne, Adrián De Alfonso Prieto-Puga alias „Don The Tiger“, falls ich das Autogramm auf der aktuellen CD „Boy“ (2014, Constellation) richtig entziffere. Eine furiose Mischung wurde da geboten, veritable Indie-Rocker, vom Spirit des Punk getriebener musikalischer Wildwuchs, Experimental-Country und düstere, keltisch angehauchte Schamaninnen-Gesänge, um nur die auffälligsten Elemente dieses beherzten Vortrags zu nennen. Hinsichtlich Stimmlage weist Carla Bozulich eine verblüffende Verwandtschaft zu Patti Smith auf, mitunter sah man die „Horses“ der New Yorker Ikone förmlich vorbei galoppieren, so frappierend ist diese Ähnlichkeit.
Besonders angetan war die Musikerin über den Szenenapplaus zu ihrem ins Mikrophon gehauchten „Vielen Dank!“, sind es doch die einzigen deutschen Worte, derer sie ihrem Vernehmen nach mächtig ist. Wären wir im Englischen genau so schlecht aufgestellt, könnten wir einpacken, sag ich da mal ganz stumpf und boshaft, aber egal, dafür können wir nicht so schön und originell musizieren… ;-))
(**** ½)
Und dann waren sie tatsächlich da, die Großmeister des kanadischen Post-Rocks, und gaben das Konzert, auf das ich fast auf den Tag genau seit 13 Jahren sehnsüchtig gewartet habe. Damals, am 10. April 2002, als ich die Band das erste Mal im Münchner Feierwerk sah, angefixt durch das seinerzeit aktuelle, epochale Album „Lift Your Skinny Fists Like Antennas to Heaven“ (2000, Constellation) und nach dem Konzert völlig beseelt aus dem Hansa39 schwebend und für mich beschließend, einem der besten selbst erlebten Live-Auftritte ever beigewohnt zu haben, war die Hoffnung nach Wiederholung groß und es hat wahrlich lange gedauert, bis sie sich erfüllte. Efrim Menucks Silver-Mount-Zion-Projekt hat mehrere Male das Warten erträglich gemacht, doch spätestens seit Donnerstag ist klar, dass ein Auftritt des Mutterschiffs GY!BE durch nichts zu ersetzen ist.
Was die beiden Drummer Aidan Girt und Tim Herzog, Mauro Pezzente und Thierry Amar jeweils am Bass, die drei Gitarristen Efrim Menuck, Mike Moya und David Bryant sowie Sophie Trudeau an der Violine in einer höchst intensiven, zweistündigen Aufführung boten, ist mit herkömmlichem instrumentalem Post-Rock nur sehr unzureichend beschrieben, mit der Musik des Kollektivs aus Montreal taucht man ab in symphonische Dimensionen, diese klagende instrumentale Grundstimmung, die immer wieder nach euphorischer Erlösung strebt, sucht ihresgleichen auf den Bühnen dieser Welt.
Ein restlos geplättetes Publikum verlangte nach Ablauf des regulären Sets nach keiner weiteren Zugabe, aber nicht, weil die Band so schlecht gewesen wäre, im Gegenteil, derart allumfassend, grandios und intensivst konzertant bedient und bis ins tiefste Innerste berührt dürften die Wenigsten in der Konzert-Halle bis dato gewesen sein, derartige spontane Begeisterungs-Ausbrüche und unvermittelter euphorischer Austausch unter sich völlig fremden Menschen wie unmittelbar nach Konzertende geschehen ist in der Regel völlig undenkbar, zumal beim eher zugeknöpften Münchner Konzertpublikum. Abschließend gebe ich der Hoffnung Ausdruck, dass unsere Stadt nicht wieder dreizehn Jahre bis zu einem derartigen Festakt warten muss.
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Setlist: Hope Drone / (Unknown) / Mladic / (Unknown) / Peasantry or ‚Light! Inside of Light!‘ / Lambs‘ Breath / Asunder, Sweet / Piss Crowns Are Trebled