Wohlan, lasset die Mai-Festspiele des Postrock beginnen. Den Startschuss zum anstehenden Konzert-Marathon der vehementen Soundwände und sphärischen Klangreisen für die nächsten Tage gaben am vergangenen Freitagabend im prächtig gefüllten Hansa39 des Münchner Feierwerk die beiden jungen Iren Robert Murphy und Conor Drinane vom Electro-Clash-Duo Xenon Field, die Experimental-Musikanten aus Dublin sind bereits im Vorjahr im Rahmen des belgischen dunk!Festivals äußerst positiv auf dem Merkzettel der vielversprechenden Newcomer gelandet. Wo seinerzeit in nachmittäglicher Frühommer-Stimmung bei hellstem Tageslicht die tonale Beschallung der beiden Soundtüftler völlig überzeugte, die synthetische Techno-Illumination mangels fehlender Abdunklung der Stargazer-Bühne des flandrischen Postrock-Gipfeltreffens aber weitestgehend auf der Strecke blieb, funktionierte beim München-Auftritt im abendlichen Hansa39-Saal das audiovisuelle Gesamtpaket prächtig, die künstlichen Licht-Laufbänder, Schlaglicht-artigen Diskotheken-Blitzer und irrlichternden Stroboskop-Attacken fügten sich perfekt zum Electro-Postrock-Hybrid von Xenon Field, die ihre Spielart des Genres neben der herkömmlichen Gitarren-Intensität und den pulsierenden Basslinien um eine Vielzahl an elektronischen Beats, Dubstep- und Trance-Elementen, Noise-Samples und geloopte Synthie- und Ambient-Drones bereicherten, selbst für die Integration von stumpfer Wave-Disco-Rhythmik war sich das Duo nicht zu schade, warum auch nicht, trotz erratischem Charakter und hyperaktiver Live-Präsentation, in der die Musiker die Hände permanent gleichzeitig an mehreren Instrumenten/Geräten anzulegen schienen, fand jedes Klang-lichternde Element seinen Platz im komplexen, nervösen Soundkonstrukt und regte Bewegungsdrang-fördernd zum gefälligen Mitzucken, Zappeln, Wippen und Tanzen ein.
Einziger Wermutstropfen: Der Auftritt der beiden sympathischen jungen Männer geriet viel zu kurz, bereits nach 20 Minuten verließen sie die Bühne nach gerade mal vier präsentierten Stücken ihres Vorprogramm-Auftritts, mangelnder Zuschauerzuspruch mochte keine Begründung dafür liefern, möglicherweise musste der Gitarrist, Keyborder und Geräte-schraubende Elektroniker Robert Murphy mit den Kräften haushalten, er durfte im Nachgang das volle Set der Landsleute vom Headliner des Abends mitbegleiten.
Es war ja nun weiß Gott in einem langen Konzertgänger-Leben Einiges an Vorbands notgedrungen zu ertragen, welche man sich bereits nach wenigen Minuten sonstwohin gewünscht hätte, nur nicht auf die Bühne vor der eigenen Linse, Xenon Field jedoch waren dahingehend das andere Extrem, eine weitaus längere Performance der jungen Iren wäre in dieser vor Ideen strotzenden Form durchaus angezeigt und genehm gewesen.
Wer bei den irischen Vorzeige-Postrockern von God Is An Astronaut aus Glen Of The Downs/County Wicklow aufgrund des vor wenigen Tagen veröffentlichten neuen Albums „Epitaph“ und der dort vorherrschenden, für GIAA-Verhältnisse über weite Strecken völlig entschleunigten Ambient-/Trance-Gangart am Freitagabend mit einer konzertanten Kontemplations-/Yoga-/Meditations-Übung rechnete, sollte sich schwer getäuscht sehen. Die Kinsella-Brüder Torsten und Niels, Drummer Lloyd Hanney und der bereits erwähnte, mit Xenon Field vorstellig gewordene Gastmusiker Robert Murphy an Gitarre, E-Piano und Synthie-Electronica, der die Band seit dem letztjährigen Abgang von Jamie Dean live verstärkt, wollten am vergangenen Freitagabend zu exzellent abgemischtem Sound und farbenprächtiger Licht-Show im Münchner Feierwerk nur eins: maximalst post-abrocken. Wo God Is An Astronaut in den Auftritten der vergangenen Jahre ihren ausgeprägten Hang zu Kraut-, Progressive- und Space-Rock-Spielarten auslebten, dominierte am Freitagabend ein stringentes, geradezu mustergültiges Soundwände-Bauen mittels intensivem Gitarrenanschlag und das beherzte Reiten der an- und abschwellenden Klangwellen, begleitet von drängenden Bässen und Beats, klanglich aufgehübscht von erhebenden, eleganten E-Piano-Melodie-Bögen und der dezenten Unterfütterung durch gesampelte Loops und synthetisches Sound-Design. God Is An Astronaut spielten sich in direkt zupackender, schnörkelloser Gangart durch Werke aus allen Phasen ihres umfangreichen Gesamtwerks, frühe Perlen wie „Forever Lost“ oder das laut Torsten Kinsella von Phil Spector inspirierte „Suicide By Star“ erklangen in prächtigen Versionen wie das zum Konzertende nochmals alle Kräfte und Talente bündelnde „Helios Erebus“ vom gleichnamigen 2015er-Album, das Titelstück des „The End Of The Beginning“-Debüts von 2002, wie vom aktuellen Tonträger die Stücke „Mortal Coil“ und „Seance Room“, die in der Live-Fassung wenig bis nichts mehr mit der melancholischen Grundstimmung der Trance-haften Studioversionen gemein hatten. Wenn GIAA an diesem Abend über den Tellerrand der reinen Postrock-Lehre hinauslunzten, dann immer wieder vehement in Richtung der artverwandten, strammeren Gangart des Post-Metal, intensive Ausbrüche, zu denen nur zu beanstanden war, dass sie gerne noch ausgedehnter und großflächiger in den satten Gitarrenriffs hätten schwelgen dürfen, ab und an kam das unvermittelte Ende der tonal beglückenden Herrlichkeit eine Spur zu spontan.
Gitarrist Torsten Kinsella merkte an, dass God Is An Astronaut vor vielen Jahren ihren allerersten Live-Auftritt außerhalb Irlands in einem kleinen Münchner Club hatten, sie wären extrem glücklich, mal wieder in der Isarmetropole zugange zu sein – was soll man sagen, das Vergnügen war ganz auf Publikums-Seite, der beherzte „Super Musi“-Ausruf eines begeisterten Konzertgängers aus den hinteren Reihen unterstrich das nachdrücklich. Gern gesehene Gäste, die wunderschön lärmenden Sympath-Männer von der grünen Insel, immer wieder…