Coverversionen

Soundtrack des Tages (212): Der König ist tot, lang lebe der König!

Remember Elvis Aaron Presley: Heute vor 42 Jahren hat der King das Building verlassen, 42 Jahre war er damals im August alt, seitdem ist er nicht wieder zurückgekommen, wenn auch der ein oder andere frech behauptet, er wäre ihm später noch nächtens am Bar-Tresen des Heartbreak Hotel beim Heulen ins Bier oder in einem fetten Ami-Schlitten mit einer feschen Blondine an seiner Seite auf dem endlosen Highway der unerfüllten Teenager-Träume erschienen. Wie der alte Neil Young so schön anmerkte: Der König ist gegangen, aber er ist nicht vergessen – hier zum Gedenktag eine Auswahl an Song-Reminiszenzen aus dem reichhaltigen Fundus seiner musizierenden Verehrer. Schmalzt Euch die Locke & shake your pelvis, true lovers of rock and roll!

Die kalifornischen Hauruck-Punks The Vandals besangen in ihrer 1989er-Nummer „Elvis Decanter“ einen Krug full of whiskey in the image of the King – wie passend zum aufgeschwemmten Zustand des Las-Vegas-Entertainers der späten Jahre…

Der ewig hinter prominenteren Kollegen seiner Zunft wie Springsteen oder Warren Zevon in der zweiten Reihe anstehende New Yorker Songwriter Elliott Murphy erinnert sich in seiner wunderbaren Ballade „On Elvis Presley’s Birthday“ an eine großartige Zeit, als er mit seinem Dad im Cadillac am Geburtstag des King durch die Gegend peste: „My father liked Elvis and it was worderful / We drove trough black neighborhoods / On Long Island’s north shore / When Elvis was alive…“

1986 ignorierte die englische Punk-Band The Membranes auf ihrem Longplayer „Songs Of Love And Fury“ in einer 48-Sekunden-Nummer den desolaten Gesundheitszustand des Kings in seinen letzten Lebensjahren: „The Elvis I Knew Was No Junkie“, worauf ein alter Freund nach Vorspielen der Scheibe sarkastisch anmerkte: „The Junkie I Knew Was No Elvis“. Haha.
Die Membranes sind seit 2009 wieder aktiv, Sänger John Robb hat während der zwischenzeitlichen Band-Auflösung eine Handvoll an Musik-Dokumentationen in Buchform publiziert, unter anderem eine launige Oral History zum Thema „Punk Rock“. Was das alles mit dem King zu tun hat? Eher weniger. War ja nicht so das Ding der englischen Punks. „No Elvis, Beatles, or The Rolling Stones in 1977“ gaben The Clash in einem ihrer frühen Songs als Devise aus. Den Schwenk vom King zum Punk hat Musiker, DJ und Autor Peter Hook in seiner Band-Bio „Unknown Pleasures. Inside Joy Divison“ lakonisch dokumentiert: „August 16, 1977: The Buzzcocks sign to United Artists on the bar of the Electric Circus. Elvis Presley dies“. Ende alte Zeit, Anfang neue Zeit, Punktum. Haben beinharte Elvis-Fans wie Johnny Ramone oder Lux Interior jenseits des Atlantiks natürlich völlig anders gesehen…

Songs mit dem Titel „Velvet Elvis“ gibt es auch von fragwürdigen Pop-Weibsen wie Alex Winston und Kacey Musgraves, deren schleimiger Sondermüll zum Thema nichts mit der schmissigen Nummer von Scott Davison gemein hat, 1986 auf dem feinen Sampler „Welcome To Comboland. A Collection Of Twelve Artists From North Carolina“ veröffentlicht.

Das brachiale US-Noiserock-Trio Killdozer verhackstückte vor dreißig Jahren den Elvis-Hit „Burnin‘ Love“ aus der Feder des Country-Songwriters Dennis Linde auf ihrer grandiosen Coverversionen-Sammlung „For Ladies Only“, auf der sich neben weiteren Nachgespielt-Perlen auch die einzig erträgliche Fassung des Don-McLean-Schmachtfetzens „American Pie“ findet (die ja auch irgendwie was mit dem King zu tun hat). Killdozer waren eine super Live-Band, kaum jemandem trieb es die Halsadern so schön beim Brüllen heraus wie dem krakeelenden Basser Michael Gerald…

Dem „King’s Call“ folgte 1980 der wenige Jahre später selbst viel zu früh dahingeschiedene Thin-Lizzy-Leader Phil Lynott auf seinem ersten Album ohne Stammformation, „Solo In Soho“. Der irische Hardrock-Bassist, Sänger und Songwriter wurde bei der Nummer von Mark Knopfler an den Stromgitarren-Saiten begleitet, passte wie A… auf Eimer, der ehemalige Dire-Straits-Vorsteher ist mit Nummern wie „Calling Elvis“ und „Back To Tupelo“ selbst bekennender Elvis-Verehrer.

Dass „Tupelo“ von Nick Cave und seinen Bad Seeds von der Geburt des Kings handelt, weiß mittlerweile wahrscheinlich selbst der letzte Southern-Gothic-Hinterwäldler am Mississippi, egal, ein großer Post-Blues-Wurf war die Singles-Auskopplung vom 1985er-Album „The Firstborn Is Dead“ allemal – auch der Longplayer-Titel eine Elvis-Referenz, by the way und falls noch nicht bekannt…

The Residents, die lange Zeit großen Unbekannten des amerikanischen Multimedia-Undergrounds, widmeten Elvis 1989 mit „The King & Eye“ ein Konzept-Album mit experimentellen Elektro-Bearbeitungen seiner bekanntesten Schlager. Bereits Ende der Siebziger machten sie sich auf ihrer „Duck Stab!“-EP im Song „Elvis And His Boss“ Gedanken zum frühen Abgang des Königs: „Straight to the top / I’ll never stop / I’ll die before my day“.

Großen Elvis-Imitator-Sport bieten seit Ende der Achtziger Sänger Tortelvis und seine kalifornische Cover-Combo Dread Zeppelin„best known for performing the songs of Led Zeppelin in a reggae style as sung by a 300-pound (140 kg) Las Vegas Elvis impersonator“. Nach wie vor aktiv und vermutlich nach wie vor die vom Roadie umgehängten Seidentücher im King-Style ins Volk werfend. Hier die Zeppelin-Nummer „Black Dog“ aus der Feder von Jones, Page & Plant im „Jamaika goes Las-Vegas-Trash“-Crossover:

Zum Schluss King Elvis himself mit dem Led-Zep-Klassiker „Stariway To Heaven“. Den Treppenaufgang zum Himmel hat er am 16. August 1977 dann wie allseits bekannt direktemang selbst genommen – eine der tot-gespieltesten Nummern des Siebziger-Stadion-Rock, passt ja auch irgendwie zum Thema…

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Reingehört (515): Deadbeat & Camara

Deadbeat & Camara – Trinity Thirty (2019, Constellation Records)

Die Vorgeschichte ist weitgehend bekannt: Im November 1987 spielten die Geschwister Timmins unter vorgeblich falscher Flagge als The Timmins Family Singers zusammen mit Basser Alan Anton in der Kirche der heiligen Dreifaltigkeit im kanadischen Toronto nicht die angekündigten Weihnachtslieder, stattdessen eine geplante Auswahl an Eigen- und Fremdwerken als Live-Mitschnitt ohne Publikum ein, aufgenommen mit rudimentärem Equipment und einem einzigen Mikrophon. Das Material erschien ein Jahr später unter dem Titel „The Trinity Session“ als zweites Album der Cowboy Junkies. Die im Nachgang weitgehend unbehandelten Aufnahmen bestachen durch den Engels-gleichen, reinen wie betörenden Gesang von Margo Timmins, der nicht von dieser Welt zu sein schien, und einen ultra-relaxten, entschleunigten Country-Blues-Sound, der vor allem von einer unerschütterlichen, inwendigen Ruhe und vom nachhallenden Klang der Instrumente umweht wurde, ein atmosphärischer und tatsächlich fast sakraler Klang, wie er wohl nur in weitläufigen Kirchen-Gemäuern einzufangen ist.
Als etwas verspätete Würdigung zum 30-jährigen Veröffentlichungs-Jubiläum des Achtziger-Jahre-Meilensteins mit dem unverkennbaren Sound erscheint Ende April „Trinity Thirty“, eine Co-Produktion von DJ und Minimal-Electronica-Klangforscher Scott Monteith aka Deadbeat zusammen mit der Ambient/Techno-Musikerin Fatima Camara, die beiden in Berlin ansässigen Kanadier sind erklärte Fans der „Trinity Session“ und zaubern auf ihrer Neuinterpretation mit filigraner Indie-Electronica und narkotischen Zeitlupen-Trips zwischen Ambient, Synthie-Drones und Experimental-Pop einen zeitgemäßen, modern renovierten Entwurf.
Scott Monteith wie auch Fatima Camara bringen zum ersten Mal ihre eigenen Sangeskünste auf einem Tonträger zum Vortrag, die Premiere wird von Caoimhe McAlister (→ Dear Reader) in den Harmonien unterstützt, in Summe schwebt ein ätherisches wie ästhetisch ansprechendes Hauchen durch die Slow-Motion-Klangsphären, dahingehend durchaus den Originalen vergleichbar wie ebenbürtig.
Die „Trinity“-Wiederaufbereitung ist für einen von elektronischen Spielereien, Verfremdungen und Samplings geprägten Entwurf überraschend Wärme spendend und emotional anrührend, kaum eine Spur von technischer Kälte, konstruierten Effekten oder verkopfter Distanz.
„Sweet Jane“, das seinerzeit herausragende Velvet-Underground-Cover im Interpretationsansatz der Cowboy Junkies, bleibt in der synthetisch behandelten Version erstaunlich blass, eine geradezu überflüssige weitere Auslegung dieser nicht eben selten zitierten Lou-Reed-Nummer, der weitaus größte Teil von „Trinity Thirty“ ist hingegen geprägt von digital exzellent umgesetzten Ideen, die den ursprünglichen Arbeiten viele neue Aspekte und den ein oder anderen Dreh in eine ungeahnte Richtung angedeihen lassen.
Deadbeat und Camara orientieren sich nicht sklavisch am Original, „I Don’t Get It“ und „Walkin‘ After Midnight“ wurden zum Medley verdichtet, die Abfolge der einzelnen Nummern abgewandelt und eine Handvoll an Titeln zur Extended Version im flächendeckenden Flow gedehnt.
Die elektronisch-experimentelle Tiefenentspannung aus dem Berliner Chez-Cherie-Studio überzeugt weit mehr als das eigene 2007er-Rework der Cowboy Junkies zum 20-jährigen, „Trinity Revisited“ fiel damals unter Beteiligung von Kollegen wie Natalie Merchant, Ryan Adams und dem leider viel zu früh dahingeschiedenen Vic Chesnutt dann doch eine Spur zu dick aufgetragen hinsichtlich Kitsch und Pathos aus.
„Trinity Thirty“ von Deatbeat & Camara erscheint am 26. April beim kanadischen Indie-Label Constellation Records.
(*****)

Soundtrack des Tages (184): Country & Western goes Vietnam

Das Münchner Indie-Label Trikont hat 1998 einen Sampler mit Feldaufnahmen vietnamesischer Straßenmusik veröffentlicht, auf „Hò! #1 – Roady Music From Vietnam“ wird deutlich, dass die Amerikaner zwar den zweiten Indochina-Krieg verloren, Pop-kulturell aber nachhaltigen Eindruck in den Straßen Saigons hinterlassen haben. Trikont feiert heuer im Übrigen fünfzigjährigen Geburtstag, hierzu dann morgen ein paar Anmerkungen mehr.

Reingehört (375): Brooklyn Raga Massive

Brooklyn Raga Massive – Terry Riley In C (2017, Northern Spy)

Die Kompositionen des amerikanischen Minimal-Music-Pioniers Terry Riley sind neben Jazz-Referenzen stark beeinflusst von der indischen Musiktradition, jetzt haben sich Erneuerer der klassischen Raga-Musik nach dem Motto „Wie man in den Wald hinein ruft, so kommt es heraus“ um eines der zentralen Werke des Meisters angenommen.
Riley, der in der Welt der experimentellen Rockmusik vor allem durch seine Kollaboration mit dem ex-Velvet-Underground-Musiker John Cale zum gemeinsamen Album „Church Of Anhrax“ (1971, Columbia) und dem Einfluss auf Pete Townshends Synthie-/Keyboard-Sequenzen zu „Baba O’Riley“ und „Won’t Get Fooled Again“ bekannt sein dürfte, komponierte 1964 „In C“, quasi „Beethoven’s Fünfte der Minimal Music“, 1968 wurde das Werk von Terry Riley und seinen Mitmusikern erstmals für einen Tonträger bei Columbia Records eingespielt, seitdem ist die für die moderne und hier vor allem serielle Musik eminent einflussreiche Arbeit über die Jahrzehnte unzählige Male neuinterpretiert worden, unter anderem von der Cleveland-Protopunk-Band The Styrenes, der japanischen Psychedelic-Band Acid Mothers Temple oder dem New Yorker Kollektiv für zeitgenössische Klassik Bang On A Can.
Nun also die orientalische Variante: Die in New York beheimatete Organisation für indische Klassik Brooklyn Raga Massive, der unter anderem der in dieser Szene bekannte Sitar-Virtuose Abhik Mukherjee angehört, hat sich um die 53 kurzen, in unzähligen Schleifen wiederholten Heterophonie-Phrasen angenommen und arbeitet in ihrer live im Januar 2017 mit 18 Musikern eingespielten Interpretation den repetitiven, nahezu meditativ-hypnotischen Trance-/Proto-Ambient-Charakter der Komposition in eindrucksvoll gefangen nehmender Weise heraus, hier sind Könner ihres Fachs am Werk, die der über fünfzig Jahre alten Monotonie-Variation neues Leben einhauchen und diese in nicht geahnten Klangfarben des indischen Subkontinents erstrahlen lassen. Das Ensemble erweitert das vorgegebene Schema auf Anregung von Meister Riley himself um Solo-Einlagen diverser traditioneller asiatischer Instrumente wie um treibende Tabla-Rhythmen und bringt so neben dem experimentellen Ansatz die klassische indische Musik-Schule zur weiter reichenden Entfaltung, dementsprechend stellt die Formation das frei improvisierte „Raga Bihag Alap“ als Einführung, als sozusagen musikalisches Vorwort, zum indischen Raga vor die eigentliche „In C“-Interpretation. Die Eröffnungen zu den jeweiligen „Cells“ mögen der mit dem Riley-Werk vertrauten Hörerschaft noch geläufig erscheinen, durch den indisch-orientalischen Ansatz entwickeln die Phrasierungen schnell ein exotisches Eigenleben in grenzerweiternder Manier, die man bei dieser Komposition in der Intensität nicht erwartet hätte.
Tradition trifft Moderne in sich gegenseitig befruchtender Art und Weise, in dem Fall sind durchaus Zweifel erlaubt, welchen Part der über ein halbes Jahrhundert alte Minimal-Music-Urmeter und welchen die Jahrtausende-alte melodische Raga-Grundstruktur jeweils repräsentieren.
(***** – ***** ½)

Soundtrack des Tages (177): Mark Kozelek

Weniger ist manchmal mehr: US-Songwriter Mark Kozelek überschlägt sich 2017 mit Neuveröffentlichungen, Anfang des Jahres „Common As Light And Love Are Red Valleys Of Blood“ unter dem Alias Sun Kil Moon, gemeinsam mit Justin Broadrik/Jesu ein paar Monate später die ziemlich überflüssige, da kaum Neues bietende Kollaboration „30 Seconds To The Decline Of Planet Earth“, mit dem Parquet-Courts-Bassisten Sean Yeaton und prominenten Gästen wie Will Oldham und Steve Shelley schwadroniert er sich in inzwischen gewohnter „Drauflos-labern“-Manier auf dem jüngst erschienenen Album „Yellow Kitchen“ (Caldo Verde) durch Themen wie die vergangene US-Wahl und zuviel Kalorien-Aufnahme zum Weihnachtsfest im völligen musikalischen Stillstand, der gute Helge würde anmerken: „Das ständige Geblubber wo man bekloppt von wird“.
Auf der zwischenzeitlich erschienenen „Night Talks EP“ (Caldo Verde) finden sich immerhin zwei neue Folk-Werke, eine alternative Version von „I Love Portugal“ vom „Common As Light…“-Album im Akustik-Gewand plus zwei Coverversionen, neben einer von der Autorin selbst begleiteten Interpretation von Kath Blooms „Pretty Little Flowers“ eine würdige Verneigung vor dem großen, im letzten Jahr dahingeschiedenen Leonard Cohen: