
Für gewöhnlich kippt in der Sauna irgendwer Kräuter-Aufgüsse oder ähnlichen Firlefanz auf den Glutstock, bei drückender Hitze zum Wochenstart im Brutkasten des ausverkauften Hansa39-Saals im Münchner Feierwerk hingegen: Intensive Befeuerung der Hitzewallungen mittels brachialer Klangwellen und emotionaler Sirenengesänge.
Aus Belgien ist in letzter Zeit vor allem aus den Musik-Sparten der härteren Gangart selten was Schlechtes gekommen, es verhält sich beim Trio Brutus aus dem östlich von Brüssel gelegenen Leuven/Löwen keinen Deut anders. Die Konzertabend-eröffnende Combo aus Flandern gab vom Start weg mächtig Druck auf den Kessel mit ihrer energetischen Mixtur aus treibendem Indie-Gepolter, unverstellten Hardcore/Punk-Reminiszenzen, auftürmenden Postrock-Gitarrenwänden und eingestreuten Doom/Black-Metal-Versatzstücken. Vor allem die Rhythmus-Abteilung leistete ganze Arbeit, Basser Peter zumeist in 70er-Punk-Rock-Manier breitbeinigst an der Grenze zum Spagat aufgestellt mit treibendem, unkompliziertem Anschlag der vier Saiten das Tempo am oberen Level haltend und den schneidenden Gitarrenattacken und der rudimentären Melodik von Nebenmann Stijn Form gebend, gekrönt vom permanent nach vorne gehenden Anschlag der trommelnden Sängerin Stefanie Mannaerts, die maximal Laut-gebend und leidenschaftlich ihre schöne Singstimme zum schreienden Einsatz brachte. Beim laut Pressetext schwer zu bewerkstelligenden, dennoch gelingenden Zusammenbringen der Einflüsse von Bands wie Slayer, Dillinger Escape Plan, Slowdive, Deus und The Smiths im Brutus-Sound war am Montagabend von mindestens den letzten beiden genannten Kapellen Gottlob nichts haften geblieben im gut halbstündigen Hinwegfegen über die Bühne des belgischen Gruppenbildes mit Dame. Zum anschwitzenden, gefälligen Mitzucken hat’s allemal gereicht, in diesem Konzertgänger-Leben sind schon viele weitaus schlechtere Opener durch die Münchner Konzerthallen gebrettert, und darum sagt der alte Römer-Julius in dem Fall: „Auch Du darfst wieder kommen, Brutus“, oder irgendwas Ähnliches in diese Richtung…
Die hochsommerlichen Außen- und dank Flutlicht und großem Besucherandrang bald auch Innen-Temperaturen waren alles andere als der passende Rahmen für den Headliner-Auftritt der kalifornischen Gothic-Queen Chelsea Wolfe, zu einem Sound, bei dem Assoziationen zu nordischen Schneelandschaften, Nebel-verhangenen Auen und mythischen, herbstlichen Finsterwäldern oder wahlweise Großstadt-Kälte und anonymer Isolation durch die Hirnwindungen zucken – die Biergarten-, Isarufer- und Strand-kompatible Hundstage-Witterung mochte nicht recht zusammengehen mit der Musik der in schwarzes Leinenkleid gehüllten amerikanischen Songwriterin, die in jüngster Vergangenheit neben einer Handvoll exzellenter eigener Tonträger in dunklen Klangfarben nicht minder gemessene Filmmusik-Beiträge zu fiktionalen Endzeit-/Fantasy-Drama-Serien wie „Game Of Thrones“ oder „Fear Of The Walking Dead“ lieferte und mit geistesverwandten Schweremütern wie Russian Circles, Deafheaven, Myrkur oder Converge zusammenarbeitete.
Der Güte des Vortrags waren die ins Extrem neigenden Subtropen-Verhältnisse indessen im weiteren Verlauf des Abends kaum abträglich, Chelsea Wolfe und ihr begleitendes, exzellent eingespieltes und aufeinander abgestimmtes Trio mit dem langjährigen Begleiter Ben Chisholm an Bass und Electronica, Bryan Tulao an Gitarre und der mit unbändiger Wucht trommelnden Perkussionistin Jess Gowrie transpirierten solidarisch mit der Fan-Basis und zelebrierten in dunkles Bühnenlicht getaucht, von grell zuckenden Scheinwerfern umflackert eine schwergewichtige finstere Messe in hart zupackender Noise/Goth/Industrial-Heftigkeit, dunkler Doom/Black-Metal-Heaviness, in der Herrlichkeit elegischer Postrock-Melodiebögen, die zu wenigen Gelegenheiten von tanzbarerer Darkwave-Electronica um wenige Intensitäts-Grade abgemildert wurde und den Soundtrack für das in den Bann ziehende leidenschaftliche Psalmodieren der archaischen Zeremonienmeisterin beisteuerte. Einer Zeremonienmeisterin, die als Hohepriesterin ihrer zu großen Teilen in gedeckten Farben gewandeten Gefolgschaft die in unserer westlichen Gesellschaft gerne verdrängten elementaren Themen wie Krankheit, Schmerz und Tod zumutet, hypnotisch, intelligent, mitunter dieser Welt entschwunden wie gleichsam musikalisch relevant im Hier und Jetzt der geschliffenen Postmetal-Härte verhaftet.
Die charismatische Songwriterin setzte als großartige Vokal-Künstlerin Kontrapunkt mit ihrem charakteristischen Gesang zwischen ätherischer Entrücktheit und klagenden, fordernden, verzweifelten Sopran-Sirenen-Beschwörungen, die als Kontrast in kalter, klarer Schönheit zum bedrohlich-beklemmenden, diffusen Unterton des instrumentalen Grollens stehen.
Vom auf älteren Tonträgern wie auch konzertant fast auf den Tag genau vier Jahre früher an selbem Ort sporadisch von der schillernden Performerin angestimmten Experimental-Neofolk war an dem Abend nichts zu vernehmen, dafür steht die aktuelle Tournee zu sehr im Kontext des zu großen Teilen aufgeführten, aktuellsten 2017er-Albums „Hiss Spun“ und seiner experimentellen Doom-Metal-Dominanz.
Wäre Ozzy Osbourne mit etlichen grauen Zellen mehr ausgestattet oder weitaus gezügelterem Suchtverhalten als Frau zur Welt gekommen, an der amerikanischen Westküste statt im Birmingham der englischen West Midlands, wer weiß, wie die Entstehungsgeschichte der Doom-Metal-Ursuppe geschrieben worden wäre?
Am Montagabend war nach knapp bemessenen 70 Minuten inklusive zweier Zugaben und finalem Herabsteigen der schwarzen Göttin in die Niederungen des Auditoriums die letzte Beschwörungsformel gebetet, und damit war’s unter den Bedingungen auch gut, der Großteil der Gefolgschaft inklusive aufführende Musikant_Innen dürfte zu dem Zeitpunkt in the heat of the night eh schon völlig dehydriert gewesen sein…
Finster-betörende Doom-Pracht von Chelsea Wolfe in unseren Breitengraden noch zu folgenden Gelegenheiten:
01.08. – Rijeka – Trsatska Gradina (+ Brutus)
02.08. – Budapest – A38 (+ Brutus)
04.08. – Wien – Arena (+ Brutus)
05.08. – Prag – Lucerna Music Bar (+ Brutus)
07.08. – Leipzig – Werk 2 (+ Brutus)
09.08. – Gothenburg – Way Out West Festival
10.08. – Oslo – Oya Festival
12.08. – Hamburg – Kampnagel Intnt’l Summer Festival
14.08. – Poznan – Tama
15.08. – Berlin – Popkulture Festival
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …