Dexys Midnight Runners

Reingehört (175)

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Dexys – Let The Record Show: Dexys Do Irish And Country Soul (2016, Rhino / Warner)
Dexys Midnight Runners, was soll man groß sagen? Jeder, der auch nur einen Funken Faible für Northern Soul hat, ist die letzten 35 Jahre an der Band nicht vorbeigekommen, auch wenn zwischen 1985 und 2012 (mit Ausnahme zweier, wenig beachteter Kevin-Rowland-Soloalben) totale Funkstille herrschte.
Dabei ging es für die Band seinerzeit furios los, 1980 das hochgelobte Debütalbum „Searching For The Young Soul Rebels“ (EMI) mit der UK-Number-One-Single „Geno“ über den US-Soul-Sänger Geno Washington, zwei Jahre später dann die Hit-Scheibe „Too-Rye-Ay“ (1982, Mercury), die neben dem Welt-Schlager „Come On Eileen“ mit einem ganzen Reigen an Top-Nummern wie „Plan B“, „Until I Believe In My Soul“, „Let’s Make This Precious“ oder der Van-Morrison-Coverversion „Jackie Wilson Said“ aufwartete. Zum Thema Celtic Folk/Soul dann im April 1983 ein fulminanter, Europa-weit ausgestrahlter Rockpalast-TV-Auftritt im Vorfeld zu Joe Jackson und den nigerianischen Juju-Hypnose-Gitarren von King Sunny Ade und seinen African Beats, spätestens ab dem Zeitpunkt hingen die Erwartungen an die Band hoch, die sie hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Hit-Lieferanten auf dem kommerziell völlig geflopten, nichtsdestotrotz exzellenten Nachfolgealbum „Don’t Stand Me Down“ (1985, Mercury) nicht erfüllen konnten, die Musikkonsumenten waren offensichtlich mit dem feinen Zwirn, in den sich die Band inzwischen nach Ablegen des Latzhosen-Schmuddel-Looks gewandete und vor allem mit den sieben, größtenteils ellenlangen Soul-Balladen völlig überfordert. Spätere Hörer wussten die Songsammlung offensichtlich weit mehr als Achtziger-Meilenstein zu schätzen, das Album wurde 1997 und als Director’s Cut 2002 jeweils neu aufgelegt.
Für die folgenden 27 Jahre mussten sich die Dexys-Fans hinsichtlich neuem Tonträger-Material gedulden, die Band löste sich 1987 zwischenzeitlich auf und formierte sich 2003 neu, erst 2012 folgte auf dem Plattenmarkt mit der passablen „One Day I’m Going To Soar“-Einspielung (BMG) nach vielen Jahren ein erstes Lebenszeichen, dessen Material zusammen mit alten Perlen äußerst ansprechend auf der hörenswerten Live-Triple-CD „Nowhere is Home: Live at Duke of York’s Theatre“ (2014, Absolute Dexys / Rough Trade) konzertant dokumentiert wurde.
Dieser Tage nun also eine Sammlung mit Fremdkompositionen aus den Bereichen Ballade, Folk und Soul, wie ihn nur die Dexys in ihrer ureigenen Art zu mixen wissen, in der Hauptsache irische Folk-Standards, ergänzt um die Interpretationen von Songs zeitgenössischer Musiker. Material von Autoren wie Joni Mitchell oder Rod Stewart offenbart ungeahntes Potential in der gesanglichen Interpretation von Dexys-Chef Kevin Rowland, Ex-DMR-Geigerin Helen O’Hara fiedelt zum ersten Mal seit 29 Jahren mit beim Eröffnungs-Instrumental „Women Of Ireland“, die herausragenden Highlights der Coverversionen-Sammlung sind die Phil-Coulter-Komposition „The Town I Loved So Well“ in formvollendeter, herzergreifender Balladen-Manier und der Richtung Northern Soul getrimmte Klassiker „To Love Somebody“ aus dem Fundus der Bee-Gees-Sixties, die Dexys befinden sich da in bester Gesellschaft, das Zeug aus der Frühphase der Brüder Gibb ist ein immerwährender, oft unterschätzter Quell der Freude, ob in der Interpretation von Alternative-Country-Rockern wie Slobberbone, in der Bearbeitung der kanadischen Experimental-Postrocker Hrsta oder im Original wie letztens im Abspann einer der letzten „Walking Dead“-Folgen aus Staffel 6.
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